Die Bewertungen des Münchner Restaurants Hongkong klingen alles andere als einladend: „Das Service war schlecht und das Essen überteuert – nicht zu empfehlen“, schreibt zum Beispiel Nutzer Techni auf dem Online-Portal
Yelp. Doch wer auf die 69 ausgefilterten Beiträge klickt, wird überrascht sein: Die meisten davon sind positiv. Sie werden aber nicht angezeigt, weil die Seitenbetreiber dem Lokalbesitzer Fälschung vorwerfen. Dieser beschwerte sich – ohne Erfolg. Stattdessen bekam er Anrufe, in denen ihm Anzeigenpakete angeboten wurden.
Ob ein Zusammenhang zwischen den Bewertungen und dem Verkauf von Anzeigen besteht, wollte
Yelp auf Anfrage der
Staatszeitung nicht kommentieren*. Dabei urteilte kürzlich selbst das Münchner Landgericht, es handle es sich um eine „Herabsetzung“ des Unternehmens, wenn Filter-Kriterien nicht nachvollziehbar und vor allem schlechte Beiträge zu sehen sind. Die Geschichte wäre wohl eine unter vielen geblieben, hätte es sich bei dem Lokal nicht ausgerechnet um Ex-Oberbürgermeister Christian Udes (SPD) Lieblingsrestaurant gehandelt.
Nicht nur aus diesem Grund will die SPD-Landtagsfraktion das Thema „Bewertungen im Internet“ jetzt umfassender aufgreifen . „Experten schätzen, dass über ein Drittel aller Bewertungen von bezahlten Auftragsschreibern verfasst wurde“, sagt Florian von Brunn der
BSZ. Er will das genaue Ausmaß des Missbrauchs ermitteln und in einem zweiten Schritt den Kauf eines Produkts zur Voraussetzung für eine Bewertung machen. „Ich sehe aber auch die Wirtschaftsverbände in der Pflicht, für eine effektive Selbstkontrolle zu sorgen, damit schwarze Schafe keine Chance haben.“ Für Restaurantbetreiber bringt das natürlich erst mal nichts. Nach der Sommerpause plant der Abgeordnete jedenfalls eine Expertenanhörung im Landtag.
„Bewertungsportale sind keine Wohltätigkeitsorganisationen“, erklärt auch Carola Elbrecht vom Verbraucherzentralen-Bundesverband. Ihr Verein hege durchaus den Verdacht, dass bestimmte Dienstleister und Unternehmen in den Ranglisten besser gestellt werden als andere. „Wenn sich zehn unterschiedliche Firmen auf einer Seite eingekauft haben, sind die Bewertungen für den Verbraucher nicht mehr verlässlich“, warnt sie. Natürlich müssten sich auch die Portale finanzieren, aber am besten mit transparenter Online-Werbung.
Ärger mit Bewertungsseiten hatte auch der Geschäftsführer des Hotels
Alpenrose in Bayrischzell, Stefan Menig. Seine Herberge landete letztes Jahr in den Top Ten der unbeliebtesten Hotels Deutschlands des Bewertungsportals
Holiday Check. Menig fühlt sich hintergangen und macht Erpresser für vernichtende Kritik verantwortlich. Er bekam ebenfalls Anrufe, in denen er aufgefordert wurde, 1000 Euro auf ein niederländisches Konto zu überweisen. Menig zahlte nicht und musste sein Haus mangels Kunden im Februar dieses Jahres verkaufen.
Holiday Check sind nach eigenen Angaben ebenfalls Fälle bekannt, in denen Hotels mit schlechten Bewertungen erpresst werden. „Das kommt manchmal vor“, räumt Unternehmenssprecher Ulrich Cramer ein.
Eine Studie der Fachhochschule Worms kommt zu drastischeren Ergebnissen: Dort gaben 45 Prozent der befragten Hoteliers an, mit gefälschten Hotelbewertungen konfrontiert worden zu sein. Zwar steckt häufig das eigene Personal oder die Konkurrenz dahinter. Doch acht Prozent der Fälschungen stammen von bezahlten Agenturen. Das Erschreckende: Ein Viertel der deutschen Hoteliers gab an, unter Umständen auf die Erpressung einzugehen. Davon rät der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband allerdings dringend ab: „Dagegen kann man sich äußerstenfalls mit Strafanzeige, Akteneinsicht und zivilrechtlichen Möglichkeiten zur Wehr setzen“, empfiehlt Unternehmenssprecher Christopher Lück.
Die Grüne Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger fordert: „Um die Unsicherheiten zu beseitigen, sollte zügig versucht werden, durch die Gesetzgebung Abhilfe zu schaffen.“ Nur so ließen sich Haftungsfragen bei Schäden für Unternehmen durch falsche Tatsachenbehauptungen oder bei Täuschung der Verbraucher durch vorsätzliche Falschbewertungen vermeiden. Nikolaus Kraus (Freie Wähler) sieht ebenfalls eine wachsende Manipulationsgefahr. Er verlangt: „Weder gekaufte Lobeshymnen noch Erpressungsversuche mit schlechten Kritiken dürfen hier folgenlos bleiben.“ Ob im Bereich des Verbraucherschutzrechtes nachgebessert werden muss, hänge für ihn aber noch vom Ausgang verschiedener Gerichtsverfahren ab.
Die CSU-Landtagsfraktion hingegen rät, bei Unstimmigkeiten den direkten Kontakt zum Hersteller zu suchen. „Bilateral lassen sich viele Probleme leichter lösen als durch öffentliche Anschuldigungen oder Kritik“, sagt Otto Hünnerkopf der
BSZ. Falls das nicht reiche, helfe der Gang zu den Behörden oder zu einer Verbraucherschutzorganisation. Und die Idee der SPD, erst durch den Kauf eines Produkts Zugang zu Bewertungsportalen zu erhalten? „Von komplizierten Neuregelungen halte ich nicht viel, das würde nur neue Bürokratie schaffen.“
Justizminister Winfried Bausback (CSU) ist allerdings schon einen Schritt weiter. „Die Verbraucherschutzministerkonferenz hat sich in diesem Jahr mit der Thematik von Bewertungsportalen für Hotels und der Gefahr von Manipulationen befasst und die Bundesregierung aufgefordert, die Einführung von Mindeststandards zu prüfen“, heißt es aus dem Justizministerium. Solange sollten Bürger sich bewusst sein, dass Bewertungen auf subjektiven Einschätzungen beruhen und auch missbräuchlich genutzt werden könnten.
Verbraucherschützerin Elbrecht mahnt Bürger ebenfalls zur Umsicht.
Nachdem kürzlich ein Augsburger auf Amazon eine schlechte Bewertung für ein 20 Euro teures Fliegengitter abgab, verklagte ihn der Händler auf 70 000 Euro Schadensersatz. Er hatte Glück: In den Augen des Augsburger Landgerichts konnte der Kläger nicht nachweisen, dass die Internet-Bewertung unrichtig war. „Trotzdem sollten Verbraucher nicht aus dem Bauch heraus bewerten und die Dinge immer aus eigener Perspektive schildern“, rät Elbrecht. Ihr Tipp: vorher erst eine Nacht darüber schlafen.
(David Lohmann)
*Nachtrag: Die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen den Bewertungen und dem Verkauf von Anzeigen besteht, beantwortete
Yelp am 2. September 2014 nachträglich mit: "Nein, mit Geld kann man nur Anzeigen kaufen - sonst nichts. Es gibt keinerlei Bezug zwischen Anzeigen und Bewertungen. Anzeigekunden werden bei
Yelp genauso behandelt wie Nicht-Anzeigekunden."
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