Politik

19.11.2010

Geheuchelte Bescheidenheit

Kommentar

Mittlerweile ist der Karlsruher CDU-Parteitag schon wieder halb vergessen. Genau das war im Sinne der Regie. Personen sollten gewählt und Positionen erwähnt werden. Zu vermeiden war, was Aufgabe einer Delegiertenversammlung gewesen wäre, nämlich eine Debatte, und sei es eine hitzige, über die Ursachen der allgemeinen Unzufriedenheit mit der Union. Doch die Versammlung blieb friedlich, als säßen alle bei Kaffee und Kuchen. Wer grollte, hörte einfach nicht zu.
Angeblich wurde Angela Merkel mit 90,4 Prozent als Parteichefin bestätigt. Dabei wird gern übersehen, dass Enthaltungen und ungültige Stimmen unberücksichtigt blieben. Hat die CDU Delegierte, die nicht lesen und schreiben können, die keine Ahnung haben, worum es geht? Nein, es muss nur anders gerechnet werden. Es haben etwa 15 Prozent der Parteifreunde ihrer Vorsitzenden die Zustimmung verweigert – bei herrschender Konkurrenzlosigkeit eine Schlappe.
Zum Ausgleich wurde Merkel vom Kollegen Seehofer schwunglos gelobt. Nach der Rede des Ministerpräsidenten blieben alle sitzen, nach der Rede des Verteidigungsministers hingegen standen fast alle jubelnd auf. Wehrpflichttotengräber Guttenberg sprach solid und amüsant, selbstsicher bis ins Mark und voller geheuchelter Bescheidenheit im Stil von „Ich wollte danke sagen dürfen“. Eines hatten Merkel und Seehofer gemein: Sie machten erst gar keine Anstalten, hinreißend zu sein. Parteitagsdelegierte wollen aber hingerissen werden. Sie unternehmen eine zum Teil weite Reise, um ein Herzstärkungsmittel verabreicht zu bekommen. Je skeptischer sie hinfahren, desto dringender wollen sie in Schwung versetzt werden.
Ein Ausweichmanöver großen Stils war die Debatte über die Präimplantationsdiagnostik. Bei einem grandiosen ethischen Thema – Gibt es lebensunwertes Leben? – erholte sich der Parteitag von den Umfrageergebnissen. Die Diskussion war eine gründliche, ehrliche, kenntnisreiche, die Spitzen der Partei durchaus einbeziehende, prachtvoll funktionierende Ersatzhandlung. (ROSWIN FINKENZELLER)

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