Politik

Ganztagsbetreuung samt Mittagessen in der Schule – vielen Kommunen fehlt dafür das Geld. Der Bund aber darf nichts zuschießen. (Foto: dapd)

11.01.2013

Geld aus Berlin? Nein, danke!

In Bayern ist eine hitzige Debatte um das Kooperationsverbot im Schulbereich entbrannt – Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) lehnt Hilfen vom Bund strikt ab

Nicht nur die Opposition fordert geschlossen eine Abschaffung des Kooperationsverbots. Auch der Koalitionspartner FDP kann nicht verstehen, warum sich Ludwig Spaenle so vehement gegen eine finanzielle Unterstützung vom Bund wehrt. Der setzt jetzt auf einen Bildungs-Staatsvertrag, um die Handlungsfähigkeit des Bildungsföderalismus zu verbessern. Es gibt Zoff. Und wie so oft geht es dabei ums Geld. Doch in diesem Fall streitet man nicht darüber, wie viel für was im Freistaat ausgegeben werden soll. Es geht um die Frage, ob man eine finanzielle Unterstützung des Bundes im Schulbereich zulassen will – beispielsweise für den dringend benötigten Ausbau der Ganztagsangebote.
Finanzhilfen des Bundes sind ausgeschlossen, wenn sie die Gesetzgebungskompetenz der Länder betreffen. Im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde dieses sogenannte Kooperationsverbot im Grundgesetz verankert. Am stärksten betroffen ist der Bereich Bildung. Mit der Forderung des neuen Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Stephan Dorgerloh (SPD) aus Sachsen-Anhalt, genau das ändern zu wollen, ist in Bayern ein Streit um das Kooperationsverbot voll entbrannt. „Überflüssig“ und „völlig unsinnig“ geißelt Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) Rufe nach einer Grundgesetzänderung.
Eltern- und Lehrerverbände  setzen sich seit Langem für die Abschaffung des Kooperationsverbotes ein, ebenso die Opposition im bayerischen Landtag. Und auch die FDP geht hier auf klaren Konfrontationskurs zum Koalitionspartner CSU: „Diese Kleinstaaterei muss aufhören“, sagt Renate Will, bildungspolitische Sprecherin der Liberalen im Landtag, der Staatszeitung. „Das Kooperationsverbot muss fallen.“ Obwohl die Schulen den Ausbau von Ganztagszügen und die Umsetzung der Inklusion vorantreiben wollten, scheitere das nicht selten am Geld, so Will. „Bauliche Veränderungen müssen die Kommunen tragen, doch dazu fehlen oft die Mittel.“ Bei solch gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen müsse deshalb auch der Bund finanzielle Verantwortung übernehmen. Die grundsätzliche Verantwortlichkeit der Länder in der Bildungspolitik werde dabei nicht angetastet, betont sie. Ähnlich sieht man es auch bei SPD, Grünen und Freien Wählern.

Spaenle: "So naiv kann man doch gar nicht sein"


Gegen Geld aus dem Bund hätte auch Spaenle nichts – allerdings nur in Form der Übertragung eines zusätzlichen Umsatzsteuerpunktes vom Bund auf die Länder. Die Abschaffung des Kooperationsverbotes lehnt er kategorisch ab. Denn wer zahlt, schafft an. „So naiv kann man doch gar nicht sein, dass man glaubt, dass der Bund Geld gibt und sich dann inhaltlich nicht einbringt“, poltert Spaenle im BSZ-Gespräch. Für ihn steht fest: „Die Verantwortung für die schulische Bildung liegt bei den Ländern in guten Händen.“
Dass nicht nur mit dem Koalitionspartner „Kollegen, mit denen man sonst gut zusammenarbeitet, aus der Reihe tanzen“, sondern  auch SPD-Spitzenkandidat Christian Ude bei dem Thema kräftig mitmischt, heizt die Stimmung zusätzlich an. Es sei höchste Zeit, „derart kleinkariertes parteipolitisches Denken zu überwinden und endlich alle staatlichen Kräfte auf die Lösung der größten Probleme zu bündeln“, ließ Ude verlauten. Ein Vorwurf, der Spaenle vor allem deshalb ärgert, weil er es ist, der die Gegner in der Debatte von „reiner Parteipolitik“ getrieben sieht. „Wie sonst ist es zu erklären, dass gerade die SPD-geführten Länder im Bundesrat einer Grundgesetzänderung zur Fortschreibung der Kooperation von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich eine Absage erteilt haben?“, fragt er. Weil sie diese  auch auf die Schule ausdehnen wollen, lautet die Antwort. Seit einem Jahr liegt im Bundestag ein entsprechender Grundgesetzänderungsantrag der SPD. Dass Spaenle nichts gegen dauerhafte Hilfen vom Bund im Wissenschaftsbereich hat, sich aber gegen die Förderung von Schulprojekten wehrt, versteht FDP-Frau Will indes nicht: „Da krieg ich einen Hals!“
Spaenle betont, dass gerade im Bildungsbereich der Wettbewerb wichtig sei. So sieht das auch CSU-Kollege Georg Eisenreich, bildungspolitischer Sprecher seiner Landtagsfraktion: „Ohne Wettbewerb gibt es Stillstand.“ Außerdem habe man in Bayern den Bund durchaus in der Schule, ergänzt Spaenle. „Beispielsweise bei der Finanzierung von Sozialpädagogen oder der Berufsorientierung an den Mittelschulen.“
Dass der Bildungsföderalismus durchaus Probleme mit sich bringt, weiß auch Spaenle. Gemeinsam mit den Unionsgeführten Ländern Niedersachsen und Sachsen will Bayern deshalb einen Bildungs-Staatsvertrag auf den Weg bringen. Schülern wie Lehrern soll der Umzug in andere Bundesländer erleichtert werden, indem sich alle Länder auf Standards in Jahrgangsstufen und bei Schulabschlüssen einigen. Außerdem sollen sie sich zur gegenseitigen Anerkennung der Lehrerausbildung verpflichten.
 Das ist ein ehrgeiziges Ziel, denn einem solchen Vertrag müssten alle 16 Länderparlamente zustimmen. „Das wird eine langwierige Angelegenheit“, sagt denn auch Spaenle. Und in der Tat, die erste Reaktion aus der SPD ist wenig ermutigend: Mit seinem Bildungs-Staatsvertrag wolle er nur von seiner Blockadehaltung ablenken, so Marianne Schieder, stellvertretende Vorsitzend der Landesgruppe Bayern im Bundestag. Und Martin Güll, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, fordert von Spaenle, „mit den anderen Bildungsministern nach schnellen Lösungen beim Kooperationsverbot zu suchen“. Die Landtags-Grünen kritisieren ebenfalls Spaenles Blockadehaltung. Er dürfe sich einer vernünftigen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern nicht länger verschließen, so der Bildungspolitiker Thomas Gehring. Er kündigt an: „Wir werden die Abschaffung des Kooperationsverbotes zum Thema im Landtag machen.“ (Angelika Kahl)

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