Politik

Das gemeinsame Biertrinken klappt schon ganz gut. Jetzt wollen Horst Seehofer (links) und sein grüner Amtskollege Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg bei der Energiewende kooperieren. (Foto: dpa)

31.01.2014

Gemeinsam gegen Gabriel

Die neue schwarz-grüne Energieallianz im Süden setzt auf Biogasanlagen - doch Berlin will deren Förderung einschränken

Das industrielle Herz der Bundesrepublik schlägt in Süddeutschland. Da ist es nur konsequent, dass die Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Bayern über Parteigrenzen hinweg eine Allianz gegen die Energiewendepläne von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) schmieden. Werden doch nach dem Abschalten der Atommeiler im Ländle und im Freistaat mehrere 1000 Megawatt Strom fehlen.
Die sollen dann von Offshore-Windparks aus dem Norden kommen. Jedoch sind diese Windfarmen im Meer bis heute nicht via Stromkabel mit der Küste verbunden. Und die starken Übertragungsleitungen in den Süden fehlen ebenfalls. Klar, dass die Regierungschefs Horst Seehofer (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne) besorgt sind.
Die beiden Ministerpräsidenten dringen jetzt auf eine regelmäßige „Energieministerkonferenz“ bei Gabriel. Denn in den nächsten Wochen werden in Berlin die entscheidenden Weichen für die Energiewende gestellt. Konkret geht es Seehofer und Kretschmann um so genannte Kapazitätsmärkte, Förderungen zum Bau neuer Gaskraftwerke und rentable Einspeisevergütungen für Windkraft an Land und Biomasse. Für Windkraft sowie Biomasse sieht Gabriels Konzept massive Kürzungen vor, um den Strompreisanstieg zu dämpfen.

Seehofers Hintertürchen


Gerade der Bau neuer, mit Erdgas betriebener Gaskraftwerke für die sichere Stromversorgung der Wirtschaft ist den beiden Bundesländern am wichtigsten, weil sowohl Bayern als auch Baden-Württemberg bisher vom selbst produzierten Atomstrom abhängig sind. Laut aktueller Zahlen der jeweiligen Statistischen Landesämter liefern im Freistaat Kernkraftwerke nach wie vor stattliche 47 Prozent der gesamten Stromproduktion, im Ländle sind es 37,7 Prozent.
Jedoch: Neue Gaskraftwerke lohnen sich bisher nicht. So gab es im vergangenen Jahr schon Zoff um die geplante Stilllegung des neuen, hochmodernen und sehr effizienten Gaskraftwerks Irsching bei Ingolstadt. Die Betreiber sahen wegen der geringen Auslastung des Kraftwerks dessen Wirtschaftlichkeit in Gefahr. Nur auf Weisung der Bundesnetzagentur ist es noch nicht eingemottet worden.
An dieser Grundkonstellation wird sich erst etwas ändern, wenn Investitionen in Solar- und Windkraft unattraktiver werden – oder wenn die Stromverbraucher zur Kasse gebeten werden, um neue Gaskraftwerke zu finanzieren. Treffen dürfte es in der Regel die privaten Endkunden, denn die Industrie, so will es die große Koalition in Berlin, soll von weiteren Belastungen befreit werden. Gegen diese Praxis, energieintensive Betriebe von der EEG-Umlage auszunehmen, läuft zur Zeit ein Wettbewerbsverfahren der EU-Kommission. Wie allerdings in solch einer Gemengelage das politische Ziel, den weiteren Strompreisanstieg zu dämpfen, umgesetzt werden soll, bleibt offen.

Bangen vor der Kommunalwahl


Bei der Windenergie wiederum gibt es noch divergierende Interessen zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Seehofer will für Windkraftanlagen in Bayern größere Abstände zur Wohnbebauung durchsetzen; er will damit Protesten von Bürgern entgegenkommen, die Windräder als optisch störend empfinden. Im grün-roten Nachbarland jedoch soll den Windrädern keinerlei Restriktion auferlegt werden. Schon klar also, dass in dem gemeinsamen Papier von Seehofer und Kretschmann zur Windenergie nur Unverbindliches steht. Vorteil für Seehofer: Die schwammigen Formulierungen lassen ihm die Möglichkeit, nach der Kommunalwahl in Bayern am 16. März, von den derzeit scharfen Anti-Windkraft-Positionen wieder abzurücken. Erste Schritte in diese Richtung gibt es bereits. Denn sogar die alte Abstandsregelung von 800 Metern kann neuerdings wieder umgesetzt werden, wenn in den jeweils betroffenen Gemeinden die Mehrheit dafür ist.
Man darf gespannt sein, wie die neue schwarz-grüne Allianz im Süden ihre Ziele beim roten Bundesenergieminister durchsetzen wird. Einig sind sich die neuen Koalitionäre Seehofer und Kretschmann immerhin beim Thema Biogas-Anlagen: Sie wehren sich gegen die von Sigmar Gabriel geplanten Kürzungen der Fördergelder für die mit Biomasse befeuerten Anlagen. Denn Biogas kann im Gegensatz zu Wind- und Sonnenstrom jederzeit produziert werden und ist nicht von den Launen der Natur abhängig. Was auch Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gern betont.
Voraussetzung ist aber, dass die rund 2300 bayerischen Biogasanlagen umgerüstet werden – was übers EEG staatlich subventioniert wird. Stärkere Generatoren und möglichst große Gastanks sind nötig, um sie zentral gesteuert zur Stromerzeugung heranzuziehen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Doch die bedarfsgerechte Stromerzeugung führt im Endeffekt dazu, dass deren Betrieb teurer wird. Die Zeche zahlt am Ende: der Stromkunde. Den aber wollte Seehofer eigentlich entlasten. (Ralph Schweinfurth)

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