Politik

Die Gewinner des bayerischen Integrations- und Asylpreises im Landtag, begleitet von drei Flüchtlingskindern. In Pink: Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), rechts daneben Staatssekretär Johannes Hintersberger und der Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer (CSU). (Foto: LOH)

10.06.2016

Gemeinsam kicken und wandern

„Meine neue Heimat“ und „Club 402“: Staatsregierung und Landtag verleihen den Integrations- und Asylpreis

Integrationsarbeit ist ein sperriger Begriff. Doch die Gewinner des diesjährigen bayerischen Asylpreises, die Mitarbeiter der Nürnberger Arbeiterwohlfahrt (AWO) mit ihrem Kinder- und Familienprogramm für Flüchtlinge im „Club 402“, zeigen die dahinterstehenden konkreten Schicksale auf. Exemplarisch hat Bernd Moser vom AWO-Referat Migration & Integration den kleinen Asim Mawid (siehe Foto) zur Preisverleihung in den Landtag mitgebracht. Ihm hilft er gerade dabei, seine Eltern aus dem Krieg in Syrien nach Deutschland zu holen. Bei einem anderen Kind sind die Eltern zwar anerkannt, aber der Vater ist schwer krank und findet keine Wohnung. Ein anderer Jugendlicher wiederum ist gerade in der Psychiatrie, weil er trotz seines Ausbildungsplatzes abgeschoben werden soll. „Manche überwinden die Hürden, andere verzweifeln an neuen Regelungen“, erklärte Moser. „Wir werden daher nicht lockerlassen, sie zu unterstützen.“

Unter dem Dach des Clubs 402 existiert eine Beratungsstelle für Flüchtlinge aus einer Nürnberger Gemeinschaftsunterkunft, ein offener Kinder- und Jugendtreff sowie ein interkultureller Begegnungsort. Von ausgebildeten Mitarbeitern und ehrenamtliche Helfern organisierte Deutschkurse, rechtliche Beratungen, Fußballspiele oder Kinoabende inklusive. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) gefällt besonders, dass alle Angebote zur Integration unter einem Dach zusammengefasst sind und dass die Menschen in einen Dialog treten können. „Denn je offener wir diskutieren, desto mehr beleben wir die Demokratie und verhindern die Stärkung an den extremen Rändern des politischen Spektrums.“ Und manche Flüchtlinge bringen auch den Willen mit, die Hürden zu überspringen, erzählt Moser stolz. „Manchmal sogar richtig hoch.“ Ein Mädchen im Club 402 habe es nach nur drei Jahren in Deutschland bereits aufs Gymnasium geschafft.

Der Fokus des insgesamt dritten mit 4000 Euro dotierten und bundesweit einmaligen Asylpreises des Integrationsbeauftragten der Staatsregierung Martin Neumeyer (CSU) lag dieses Jahr auf dem Thema „Familie und Kinder“. Geehrt werden sollte damit besonders das Engagement von Personen, Vereinen, Institutionen, Projekten oder Initiativen für Familien beziehungsweise Kinder von Flüchtlingen. Mit seinem Konzept konnte sich der Club 402 bei der Jury gegen 71 Mitbewerber durchsetzen. „Die Bewerbungen zeugen vom großen Engagement der Bürger in Bayern, auf das wir alle sehr stolz sein können“, freute sich Neumeyer.

Vollverschleierte Türkinnen wandern mit Urbayern am Schliersee

Obwohl das Thema Integration laut Neumeyer „nicht immer nur La-Ola-Wellen“ erzeuge, führe die Preisverleihung zu einer gesellschaftlichen Debatte – „und die ist notwendig“. Das gilt auch für den mittlerweile fünften bayerischen Integrationspreis, der gemeinsam von Integrationsbeauftragtem, Sozialministerium und Landtag für die Integration auf Basis der in Bayern geltenden Werte und Traditionen vergeben wird. Die Auszeichnung stand heuer unter dem Motto „Werte und Traditionen“, „denn eine funktionierende Gesellschaft braucht Normen und Bräuche“, hieß es in der Begründung. Der Preis wird ebenfalls mit 4000 Euro belohnt – „es ist aber alles schon verbraten“, erklärten die diesjährigen Gewinner, der ehrenamtliche Integrationsbeirat der Stadt Garching (Landkreis München) mit ihrem Projekt „Meine neue Heimat – Spurensuche der bayerischen Kultur in der Natur“. Natürlich für neue Wanderprojekte. Die 17 Mitglieder konnten sich mit ihrem Projekt gegen 25 Konkurrenten behaupten.

Der Integrationsbeirat beweist seit 2005, wie leicht, spielerisch und scheinbar nebenbei Integrationsarbeit umzusetzen ist und Barrieren abzubauen sind. „Wir wollen Menschen nicht in einem Zimmer zusammenbringen, sondern in der Natur“, erklärte deren Vorsitzender, der Astrophysiker Claudio Cumani aus Italien. Bei dem 2012 ins Leben gerufenen Projekt unternehmen Garchinger Jugendliche und Familien mit und ohne Migrationshintergrund gemeinsam mit Flüchtlingen Ausflüge. Im Juli geht es zum Beispiel mit 40 Teilnehmern ins Murnauer Moos. Dabei begeben sie sich auf die Suche nach historisch bedeutsamen Orten, zu Schäfern oder heimischen Tieren und Pflanzen. Anschließend wird zusammen gegessen. Mit an Bord ist der Alpenverein und der Bund Naturschutz. So verwundert es nicht, dass nur öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden. So kommen Flüchtlinge im gegenseitigen Austausch ihrer neuen Heimat näher und lernen dabei gleich Bus und Bahn kennen.

Integrationsministerin Emilia Müller (CSU) nannte die gemeinsamen Ausflüge der Garchinger Bürger ein Beispiel für das friedliche Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlicher ethnischer, kultureller und religiöser Prägung. „Dieses Miteinander schafft Heimat – denn nur dort, wo man wirklich dazugehört, ist man zuhause“, ist sie überzeugt. „Politik kann den ein oder anderen wichtigen Impuls geben“, ergänzte ihr Staatssekretär Johannes Hintersberger. „Die lebendige Umsetzung jeden Tag wird aber von den Menschen gemacht.“ Dabei kommt es nach wie vor regelmäßig zu verwunderten Blicken, wenn am Schliersee vollverschleierte Türkinnen wandern oder Mädchen mit der Kopfbedeckung Hidschab mit Jungs spielen, die zu Rastas geflochtene Zöpfe tragen . Manchmal sind es auch nur Kleinigkeiten, die Großes auslösen können. Wenn am Lagerfeuer Tee aus heimischen Pflanzen gemacht wird, ist das für viele etwas neues – „auch für Deutsche“, ergänzt Leiter Cumani. (David Lohmann) Bild: Stelzenläufer bei der Vergabezeremonie im Senatssaal des Maximilianeums. (Foto: Poss, Landtag)

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