Politik

Mittels Präimplantationsdiagnostik erfahren Eltern, bevor die befruchtete Eizelle eingesetzt wird, ob ihr Kind gesund zur Welt kommen wird. (Foto: Getty Images)

07.12.2018

Gen-Horror oder Hilfe für verzweifelte Eltern?

Präimplantationsdiagnostik: Ein Unternehmen will die Regeln lockern

Das Münchner Ehepaar war verzweifelt. Zwei Fehlgeburten hatte die Frau Ende 30 bereits hinter sich – diesmal sollte es unbedingt mit einem gesunden Baby klappen. Deshalb besuchten die beiden eine Kinderwunschberatung in der Landeshauptstadt. Und wollten sich über die Präimplantationsdiagnostik (PID) informieren. Die PID ist ein Verfahren, bei dem Embryos, die durch künstliche Befruchtung gezeugt werden, auf bestimmte genetische Eigenschaften untersucht werden. Die Mediziner führen die PID durch, bevor der Embryo in die Gebärmutter übertragen wird. Dabei wird gezielt etwa nach Erbkrankheiten oder Chromosomen-Anomalien gesucht.

In Deutschland dürfen Embryonen nur unter ganz bestimmten Umständen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib überhaupt genetisch untersucht werden. Etwa dann, wenn das Risiko schwerer Erbkrankheiten besteht – oder die Wahrscheinlichkeit einer Tot- oder Fehlgeburt hoch ist.

Fakt ist: Die PID ist streng geregelt. Die Untersuchungen dürfen nur an staatlich anerkannten PID-Zentren stattfinden. In Bayern gibt es derzeit vier: zwei in München, eines im oberbayerischen Planegg-Martinsried, eines in Regensburg. Zudem entscheiden Ethikkommissionen darüber, ob eine Untersuchung erlaubt ist.

Das Münchner Ehepaar entschied sich aus ethischen Gründen gegen PID, später klappte es auf natürlichem Wege noch mit dem Kinderwunsch. Für andere Eltern scheint die Präimplantationsdiagnostik dagegen der rettende Strohhalm zu sein, doch noch ein gesundes Kind zu bekommen. Allerdings müssen die betroffenen Eltern hohe Hürden überwinden – aus Sicht des Münchner Labors Synlab zu hohe. Das Unternehmen würde gerne befruchtete Eizellen in bestimmten Fällen auch ohne Zustimmung der zuständigen Ethikkommission untersuchen.

Die CSU bleibt bei ihrer harten Linie

Am Montag scheiterte das Labor mit seinem Ansinnen vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in Ansbach. Synlab hatte die Klage damit begründet, dass bei der fraglichen Untersuchung nicht dem Embryo direkt, sondern dem umgebenden Gewebe Zellen entnommen würden. Dieser Argumentation folgte der Gerichtshof nicht. Die Stadt München habe Synlab zu Recht untersagt, Untersuchungen ohne Genehmigung der zuständigen Kommission durchzuführen.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml begrüßt, dass der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsauffassung der Staatsregierung gefolgt sei. „Sonst wäre ein Einfallstor zur Durchführung der Präimplantationsdiagnostik ohne die vorherige Zustimmung der bayerischen Ethikkommission für PID geöffnet worden.“ Für die CSU-Politikerin ist klar: „Solche ethisch und menschlich hochsensiblen Entscheidungen sind bei der Bayerischen Ethikkommission für PID sehr gut aufgehoben.“ Keinesfalls dürfe die PID als ein Selektionsinstrument wahrgenommen werden.

Nicht nur die Kirchen und Behindertenverbände fürchten, dass eine weitere Liberalisierung solcher Untersuchungen in eine Selektion hin zum „perfekten Menschen“ münden könnte. Auch Ludwig Hartmann, Chef der Grünen-Landtagsfraktion, spricht von einem „guten Urteil“. Untersuchungen an Embryonen seien wegen der Folgeentscheidungen ein ethisch sensibler Bereich, bei dem man auf das Urteil von Sachverständigen vertrauen solle. „Ich halte es für richtig, die vom Gesetzgeber bewusst hoch gesteckten Hürden bei der Präimplantationsdiagnostik nicht abzusenken.“

Die bayerische PID-Kommission hat im vergangenen Jahr über 155 Anträge entschieden und zwölf davon abgelehnt. Synlab bleibt nun noch der Weg vor das Bundesverfassungsgericht. Denn eine Mehrheit im Bundestag für eine Lockerung des PID-Gesetzes ist derzeit nicht in Sicht. So spricht etwa der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger, von einem guten Urteil im Sinne des Lebensschutzes. „Ansonsten hätte ein Dammbruch gedroht,“ so Straubinger. Tatsächlich zeigt die jüngste Meldung von angeblich gentechnisch manipulierten Babys aus China, wie schmal der Grat zwischen Hilfe für verzweifelte Eltern und Frankensteins Horror in diesem Bereich ist.
(Tobias Lill)

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