Politik

Hey Leute, ich hab’s eilig! Im Flensburger Verkehrssünden-Register sind vor allem männliche Raser aktenkundig. (Foto: dpa)

17.02.2012

Harte Zeiten für Verkehrsrowdys

Bundesminister Peter Ramsauer (CSU) will das Punktesystem für Verkehrssünder vereinfachen - noch ist vieles unklar

Die Deutschen lieben ihre Autos und schnelles Fahren. Das ist mehr als ein Klischee. Gefragt nach den unverzichtbaren Dingen in ihrem Leben nannten kürzlich 60 Prozent der Befragten – ihr Auto. Und knapp neun Millionen Deutsche, drei Viertel von ihnen Männer, haben derzeit Punkte in Flensburg – der Großteil wegen zu schnellen Fahrens. Die Aufmerksamkeit war Bundesminister Peter Ramsauer (CSU) deshalb sicher, als vergangene Woche bekannt wurde, er wolle das Verkehrssündenregister reformieren. Das Versprechen: Künftig soll die Verkehrssünderkartei in Flensburg „einfacher, transparenter und handhabbarer“ werden.
Seit zwei Jahren arbeitet der Bundesverkehrsminister gemeinsam mit dem ADAC an der Reform des Punktesystems. Ende Februar soll der Reformvorschlag vorgestellt und mit Verbänden und Ländern diskutiert werden. Mitte 2013 soll das neue Punktesystem dann kommen.
Das ist bisher über den Reformvorschlag bekannt: Der Führerschein wird nach acht und nicht mehr nach 18 Punkten weg sein. Gleichzeitig wird es anstatt von sieben unterschiedlichen Punkten nach der Reform nur noch zwei geben. Konkret bedeutet das: Grobe Verkehrsverstöße wie zu schnelles Fahren sollen künftig generell mit einem Punkt be-
straft werden. Bislang gibt es dafür bis zu drei Punkte. Schwere Vergehen, wie das Fahren über eine rote Ampel, sollen mit zwei Punkten bestraft werden. Drei bis sieben Punkte werden dafür derzeit vergeben. Zudem sollen die Einträge künftig einzeln verjähren: Ein-Punkt-Vergehen nach zwei und Zwei-Punkte-Delikte nach drei Jahren. Bisher verfielen Punkte nicht, wenn innerhalb der Verjährungsfrist ein weiterer dazu kam.
Vergehen, die nicht sicherheitsgefährdend sind, sollen außerdem nicht mehr mit einem Eintrag in der Verkehrssünderkartei geahndet werden. Wer zum Beispiel ohne Plakette in eine Umweltzone fährt, soll also keinen Punkt mehr bekommen.
Viele Details des Reformvorschlags sind offen: zum Beispiel höhere Geldbußen. Oder wie nach der Reform des Punktesystems mit den alten Einträgen verfahren wird. Eine Generalamnestie hat Ramsauer mittlerweile ausgeschlossen. Der ADAC hat angedeutet, dass über einen längeren Zeitraum zwei Register parallel geführt werden sollen. Die Regelung, die für den Autofahrer besser ist, soll dann jeweils angewandt werden.
Doch auch wenn die Reform fertig ausgearbeitet ist, bleibt die Frage: Wieso ist sie notwendig? „Sie vereinfacht vielleicht ein bisschen das bisherige System. Aber die Umstellung bringt Kosten und großen Verwaltungsaufwand“, sagt Thomas Beyer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag. „Außerdem werden die Straßen mit der Reform nicht sicherer.“ Beyer ist überzeugt, dass das neue Punktesystem den Verkehrssündern das Leben sogar erleichtern wird: „Wer drei Delikte begeht, die im aktuellen System mit sieben Punkten geahndet werden, ist seinen Führerschein los. Nach der Reform wird er ihn aber behalten dürfen – denn er hat dann ja nur sechs Punkte. Das ist nicht gut.“ Er ist überzeugt: Ramsauer will mit der Reformankündigung vor allem Wählerstimmen sammeln und auf sich aufmerksam machen.

Es gibt Dringenderes im Verkehrsbereich, lästert die Opposition


„Die Reform ist nicht notwendig“, sagt auch Thomas Mütze, Verkehrspolitiker der Grünen-Fraktion. „Viel wichtiger wäre es, die geltenden Verbote strenger zu kontrollieren.“ Besonders stört Mütze an Ramsauers Plänen, dass es keine Punkte mehr geben soll, wenn man ohne Plakette in die Umweltzone fährt. „Und es ist keine gute Idee, dass Punkte künftig unabhängig voneinander verjähren sollen. Der erzieherische Charakter des Punktsystems geht damit verloren.“
Auch die Freien Wähler sind skeptisch: „Wir sind der Ansicht, dass es wesentlich dringendere Maßnahmen im Aufgabenbereich von Verkehrsminister Raumsauer gäbe“, sagt Alexander Muthmann, Vizefraktionschef im Landtag. „Wir brauchen vor allem eine vernünftige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur.“
Überraschend kommen Ramsauers Reformpläne aber nicht: Eine grundsätzliche Reform der Verkehrssünderkartei ist im Koaltionsvertrag zwischen Union und FDP festgeschrieben. Das Verkehrszentralregister (VZR) gibt es seit 1958, seitdem gab es regelmäßig Änderungen, zuletzt 2011. Ramsauer senkte die Grenze für den Verlust des Führerscheins von 20 auf 18 Punkte.
Streng geht Deutschland indes nicht mit Verkehrssündern um: Die Geldbußen hierzulande sind im europäischen Vergleich niedrig. In Spanien muss man bis zu 300 Euro zahlen, wenn man 20 Stundenkilometer zu schnell fährt, in Italien bis zu 140 Euro. In Deutschland sind nur 70 bis 80 Euro fällig. (Veronica Frenzel)

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