Politik

21.02.2019

Hartz IV: Braucht es eine grundlegende Reform?

Ja, sagt Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen. Franz Josef Pschierer (CSU), Chef der Mittelstands-Union Bayern, lehnt das strikt ab.

JA

Natascha Kohnen, Landesvorsitzende der SPD in Bayern

Hartz IV – das ist kein Versprechen, sondern ein Stigma. Hartz IV ist kein Instrument des Sozialstaats, sondern ein Mittel zur Gängelung der Bürgerinnen und Bürger. So empfinden große Teile der Bevölkerung das Arbeitslosengeld II – auch die, die niemals im Leben davon betroffen sein werden. Die Sorge davor, auch nach einem langen Arbeitsleben innerhalb von nur wenigen Monaten den hart erarbeiteten und bescheidenen Wohlstand zu verlieren, weil man – zumeist unverschuldet – arbeitslos geworden ist, verängstigt viele Menschen in unserem Land.

Wir wollen als SPD die Logik der Grundsicherung umkehren: Wir sind überzeugt, dass Arbeit Identität stiftet. Dass sie Sinn gibt. Und dass sie Gemeinschaft herstellt. Das Bild des faulen Nichtsnutzes ist ein Trugbild neoliberaler Zeiten. Aus diesem Grund stellen wir mit unserem Sozialstaatskonzept das System um und verlagern den Schwerpunkt vom Fordern auf das Fördern. Das bedeutet konkret: Wer lange gearbeitet hat, soll auch länger Arbeitslosengeld beziehen. Das hilft vor allem älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wer sich mit einer Ausbildung fortbildet, dessen Anspruch verlängert sich noch einmal um bis zu drei Jahre. Und wer dann trotz aller Bemühungen zunächst in die Grundsicherung fällt, dessen Vermögen und Wohnungsgröße soll für zwei Jahre nicht angetastet werden.

Wir führen weiterhin ein Bürgergeld ein, das weniger bürokratisch geregelt und auf Augenhöhe beantragt und bezahlt wird. Wir wollen Schluss machen mit dem Behörden- und Antragsdschungel. Es bleibt dabei, dass im Sinne aller auch Mitwirkungspflichten für Empfänger gelten. Wir werden aber unsinnige Sanktionen, die sich nicht bewährt haben, abschaffen. Die Möglichkeit der Kürzung der Grundsicherung auf null werden wir streichen.

Der Staat als Partner, Anerkennung von Lebensleistung und Unterstützung für alle, die es brauchen: Das zeichnet unsere Vorstellung eines modernen Sozialstaats aus.

NEIN

Franz Josef Pschierer (CSU), Landesvorsitzender der Mittelstands-Union Bayern

Die SPD wendet sich mit ihren Reformplänen von Hartz IV und vom Prinzip des Förderns und Forderns gänzlich ab und bleibt auch bei der Frage, wie das alles überhaupt zu finanzieren wäre, mehr als vage.

Im Grunde genommen bedeuten die Pläne der Sozialdemokraten aber ordnungspolitisch eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft hin zu einem reinen Versorgungsstaat, der Geld an Leistungsempfänger ausschüttet, ohne dass diese nachweisen müssen, dass sie sich aktiv um eine neue Arbeit bemühen. Eine verlängerte Auszahlung von Arbeitslosengeld I und insbesondere der Verzicht auf Sanktionen wären eine Rückkehr zum früheren Modell der Arbeitslosenhilfe, das für die Massenarbeitslosigkeit zur Jahrtausendwende mitverantwortlich war. Die SPD scheint vergessen zu haben, in welch schwieriger Lage sich damals der deutsche Arbeitsmarkt befand und weshalb die Hartz-Reformen überhaupt auf den Weg gebracht wurden. Bei aller berechtigter Kritik an manchen Einzelregelungen sind in der Gesamtschau die Erfolge der Agenda nicht zu leugnen.

Anstatt jetzt eine grundlegende Reform von Hartz IV einzufordern, wäre es besser, sich auf eine verantwortungsvolle und zukunftsgerichtete Politik zu konzentrieren, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so gestaltet, dass Arbeitslosigkeit möglichst verhindert wird. Dazu ist es angesichts der wachsenden konjunkturellen Risiken unbedingt notwendig, endlich die Weichen für eine wachstumsorientierte Steuerpolitik zu stellen, die die Investitionen der Unternehmen ankurbelt.

Mit einer Rolle rückwärts, wie sie nun die SPD vollzieht, lassen sich die gegenwärtigen außenwirtschaftlichen Unsicherheiten (Brexit, Trumps Handelspolitik etc.) jedenfalls nicht erfolgreich begegnen. Vielmehr bedeuten die Pläne der Sozialdemokraten in letzter Konsequenz eine weitere Verunsicherung für die Unternehmen mit Blick auf die Höhe der künftigen Steuer- und Abgabenlast.

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