Politik

Archiv des DRK-Suchdienstes in München: Mit den Bildern, die Angehörige dem Suchdienst zusandten, wurden Vermisstenbildlisten erstellt. (Foto: dpa)

29.04.2015

"Hast Du ihn gesehen?" - 70 Jahre DRK-Suchdienst

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es von Millionen Vätern und Söhnen kein Lebens- und kein Todeszeichen. Und die Suche des Deutschen Roten Kreuzes dauert bis heute an

Im Eingangsbereich des DRK-Suchdienstes in München hängt ein Schild. Darauf steht: JJe teurer uns ein Mensch gewesen ist, umso tiefer würden wir ihn verleugnen, wenn wir uns weigerten, an der letzten und gewaltigsten Erschütterung seines Daseins, so wie sie wirklich war, teilzunehmen". Es ist der Antrieb für die Mitarbeiter in diesem unscheinbaren Bürogebäude im Münchner Stadtteil Giesing. "Aus Liebe zum Menschen" steht auf der Internet-Seite.  
Denn an seinem Standort in München spürt der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes Verschollenen aus dem Zweiten Weltkrieg nach. 1945 nahm er seine Arbeit auf und sich verzweifelter Familien an, die auf der Suche waren nach Söhnen und Ehemännern, Verlobten und Brüdern. In diesem Jahr feiert der Suchdienst 70-jähriges Bestehen.  
"Freiwillige registrierten Gesuchte und Suchende und sammelten Informationen über Verschollene - praktisch aus dem Stand heraus, unter schwierigsten Bedingungen und ohne jegliche Infrastruktur", heißt es auf der Internet-Seite der Organisation.  
70 Jahre später erzählen 53 Millionen inzwischen digital erfasste Karteikarten die Geschichten von rund 20 Millionen Menschen, von zerrissenen Familien und jahrelanger Ungewissheit. Oder vom Schicksal der Kinder, die in den Kriegswirren ihre Eltern verloren und bis heute nicht wissen, woher sie wirklich kommen.
Es sind Schicksale wie das des Gefreiten Johann, der erst 20 Jahre alt war, als er mit der Maschinengewehr-Kompanie der 297. Infanterie-Division in die Schlacht von Stalingrad zog. Er sollte nie in seinen Heimatort in der Nähe von München zurückkehren. Seine Mutter Emilie suchte vergeblich nach ihm. Alles, was ihr blieb, war ein Gutachten mit dem Ergebnis: Ihr Sohn war wahrscheinlich gefallen - wie so viele mit ihm.

Noch immer gibt es 1,3 Millionen ungelöste Fälle

Im Jahr 1950 wurden alle Familien aufgerufen, ihre Vermissten zu melden. Plakate mit dem "Aufruf zur Registrierung der Kriegsgefangenen und Vermißten" hingen überall in Deutschland. Die Zahl stieg nach der Erfassung zwischen dem 1. und 11. März 1950 auf 2,5 Millionen Vermisste. Der Suchdienst schrieb ihre Namen und Daten auf, legte umfassende Bücher mit Fotos an und diese Heimkehrern mit der Frage vor: "Hast Du ihn gesehen?". Sechs Millionen Heimkehrer wurden so befragt. Bis Mai 1950 wurden rund 16 Millionen Suchanträge gestellt. Der Suchdienst konnte 8,8 Millionen Schicksale klären und die Angehörigen informieren.  
Heute gibt es nach Angaben der Organisation immer noch rund 1,3 Millionen ungelöste Fälle. Nach wie vor gibt es aber die Hoffnung, Tausende weitere in Zukunft noch klären zu können - auch Jahrzehnte nach Kriegsende. Denn in den 1990er Jahren hat der Suchdienst einen großen Schatz gefunden: Die ehemalige Sowjetunion überließ ihm Akten über deutsche Soldaten. Millionen Datensätze zu Millionen deutschen Kriegsgefangenen kamen in München an. Über 10 000 Anfragen werden nach Angaben von Thomas Huber, Leiter des Suchdienst-Standortes München, pro Jahr bearbeitet.
Die Karteikarten, die jahrzehntelang die Arbeit der Mitarbeiter beim Suchdienst in München bestimmten - insgesamt 35 271 Kästen - sind inzwischen zum Standort Hamburg verfrachtet worden. Wie der Zahn der Zeit an der Chance der Familien auf eine Wiedervereinigung mit ihren Vermissten nagte, so nagte er auch an den Karteikarten der Zentralen Namenskartei. Zehn Jahre dauerte es, bis alles digitalisiert war. 
Heute kommen die Anfragen nicht mehr von Eltern und Ehefrauen, sondern von Enkelkindern. Wenn die Mitarbeiter diese bearbeiten, bräuchten sie dazu nicht mehr einige Stunden, sondern nur wenige Sekunden, sagt Huber. Eine Eingabe, ein Klick - und das Schicksal breitet sich auf dem Computerbildschirm aus. (Britta Schultejans, dpa)

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