Was der Bayerische Rundfunk wohl gemacht hätte, wäre die AfD statt der Grünen in der jüngsten „Bayern-Trend“-Umfrage auf Platz zwei gelandet? Vermutlich hätte er sein traditionelles TV-Duell vor der Landtagswahl ausfallen lassen. Möglicherweise hätte sich Ministerpräsident Markus Söder aber ohnehin geweigert, mit der AfD zu diskutieren. Tatsächlich geplatzt ist diese Woche eine andere Veranstaltung: Söder zog seine Zusage für ein Podiumsgespräch mit AfD-Beteiligung im Landtag zurück – unter Verweis auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz. Dort hatte die AfD gemeinsam mit NPD und Pegida demonstriert. Nachdem Landtagspräsidentin Barbara Stamm der AfD und auch der FDP zudem kurzfristig den Zugang zum Maximilianeum verweigert hatte, fiel die von der Nachrichtenagentur DPA organisierte Debatte aus. Stamms Argument: AfD und FDP seien nicht im Parlament vertreten. Dies allerdings war bereits klar, als das Ganze im März geplant wurde.
Gewiss: Wer hat schon Lust, mit Rechtspopulisten zu debattieren? Doch ist die Weigerung, mit der AfD zu reden, der richtige Weg? Immerhin spricht diese Partei, gemessen an Umfragen, viele Menschen an. Außerdem wird die AfD nach der Wahl am 14. Oktober wohl dem Landtag angehören. Spätestens dann kommen die anderen Parteien nicht mehr drum herum, sich mit der unliebsamen Konkurrenz zu befassen.
Die demokratischen Parteien, betont Ursula Münch, Direktorin der politischen Akademie Tutzing, müssten sich natürlich „mit der AfD inhaltlich auseinandersetzen“ – und zwar „über alle Themen, nicht nur über die Lieblingsthemen der AfD“. Wobei Münch persönlich nachvollziehen kann, dass der Landtag mit Blick auf die geplatzte Kandidatendebatte den bequemeren Weg wählte.
Strenge SPD-Regeln
Während CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer den Anschein vermeiden will, sich bereits Gedanken über den künftigen Umgang mit der AfD zu machen, geht die Bayern-SPD den umgekehrten Weg. Sie hat sogar einen Leitfaden zum Thema entwickelt. Danach sollen SPD-Kandidaten versuchen, alle anderen Teilnehmer einer Debatte zu überzeugen, eine Veranstaltung mit AfD-Beteiligung abzusagen. Finde die Veranstaltung dennoch statt, bleibt es jedem SPD-ler selbst überlassen, wie er sich verhält.
Mit dieser Regelung stehen die Sozialdemokraten ziemlich allein. Zwar gibt es nach wie vor einige Organisationen, die eine Zusammenarbeit mit der rechten Partei ablehnen. Die Gewerkschaften zum Beispiel.
Immer häufiger aber setzt sich die Meinung durch, dass in einem „öffentlichen Diskurs gerade auch divergierende Meinungen eine Chance“ bekommen sollten, wie Susanne May, Programmdirektorin der Münchner Volkshochschule (VHS) betont. Also auch die der AfD, die sich bei VHS-Veranstaltungen zu Wort melden darf. Aussagen, die indoktrinierend, sexistisch, antisemitisch oder rassistisch seien, würden aber nicht geduldet.
Auch bei der Wahlarena des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) war die AfD diese Woche mit von der Partie. Neben Vertretern aller Parteien, die in Umfragen über 5 Prozent liegen. „Unser Ziel ist es, die Unternehmerinnen und Unternehmer über die Parteien und ihre wirtschaftspolitischen Ziele zu informieren“, erklärt BIHK-Hauptgeschäftsführer Peter Driessen.
Gruselige Vorstellung
SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen diskutierte bei der BIHK-Wahlarena übrigens mit. Ebenso in der „Kontrovers“-Wahlarena des BR. Für Parteikollegin Isabell Zacharias dagegen kommt derlei nicht in Frage. Sie will „Haltung zeigen gegenüber einer Partei, die Seite an Seite in Chemnitz mit der NPD marschiert“. Ein Vorgehen, das Bayerns AfD-Chef Martin Sichert übrigens bedauert. Gemeinsam mit Pegida und NPD zu demonstrieren, sei „falsch“ gewesen, sagt Sichert.
Die Freien Wähler wollen sich – so wie Grüne und FDP – mit der AfD inhaltlich auseinandersetzen. FW-Chef Hubert Aiwanger erklärt: „Schauen wir doch mal im Landtag, was die auf der Pfanne haben.“ FDP-Spitzenkandidat Martin Hagen erklärt: „Man darf die Hetze der AfD nicht unwidersprochen stehen lassen.“
Wie es wohl sein wird, im Maximilianeum bald täglich auf AfD-ler zu treffen? Das komme auch auf die konkreten Personen an, sagen SPD-Frau Zacharias oder Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Die CSU-lerin Angelika Schorer meint: „Wenn die sich an parlamentarische Gepflogenheiten und an die Geschäftsordnung halten, muss man sie auch ganz normal behandeln.“ FDP-Spitzenkandidat Hagen würde im Landtag jeden Abgeordneten zumindest grüßen. „Das gebietet der Anstand.“
Die AfD selbst ist bemüht, sich als ganz normale Partei darzustellen, der es im Landtag um Sachpolitik gehe. Man werde „allen vernünftigen Anträgen zustimmen, egal, von wem sie kommen“, kündigt Landeschef Sichert an, der für die AfD im Bundestag sitzt. Für so manchen Abgeordneten der etablierten Parteien dürfte es eine überaus gruselige Vorstellung sein: dass demnächst Gesetzentwürfe und Anträge im Landtag verabschiedet werden, auf denen es heißt: „beschlossen mit Zustimmung der AfD“.
(Angelika Kahl, Waltraud Taschner)
Kommentare (4)