Politik

Horst Seehofer (CSU) bei einer Pressekonferenz nach dem Terroranschlag in Halle an der Saale. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

14.10.2019

Herbe Kritik an Seehofer

Die Äußerungen des Bundesinnenministers zur Gamerszene nach dem Terroranschlag in Halle ernten heftigen Widerspruch. Auch im CSU-Vorstand fallen deutliche Worte

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erntet für seine Äußerungen zur Gamerszene nach dem Terroranschlag von Halle Kritik aus den Reihen der eigenen Partei und der Bundesregierung. CSU-Vize Dorothee Bär, die auch Staatsministerin für Digitalisierung im Kanzleramt ist, und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wiesen Seehofers Äußerungen am Montag in einer CSU-Vorstandssitzung zurück. Auch CSU-Chef Markus Söder warnte in München, ohne Seehofer zu nennen, bei der Aufarbeitung des Anschlags von Halle vor Pauschalurteilen gegen die Gamerszene. Seehofer selbst war in der Sitzung nicht anwesend.

"Jede negative Entwicklung muss gesehen werden. Andererseits ist aber auch klar, dass es keine Pauschalurteile geben kann", sagte Söder. "Denn die Gamer, und das sind viele, viele junge Leute, die machen da großartige Sachen." Das sei auch ein wichtiger Wirtschaftszweig. "Generell sind wir froh, dass es die Games-Szene überhaupt gibt." Es sei nur wichtig, "hinzuschauen, wo Probleme sind, wie überall".

Bär sagte in der Sitzung nach Teilnehmerangaben, in Bayern und Deutschland werde viel für die Games-Förderung gemacht. Ohne Seehofer beim Namen zu nennen sagte Bär, das lasse man sich nicht mit "einem Satz" kaputtmachen. Das wäre so, als wenn man "mit dem Arsch" einreiße, was man jahrelang aufgebaut habe, fügte sie hinzu. Scheuer wies darauf hin, dass etwa in Navigationsgeräten Entwicklungen aus der Games-Branche steckten. Nur weil man im Internet böse Sachen bestellen könne, wolle keiner gleich das Internet verbieten.

Seehofer hatte am Wochenende zunächst erklärt: "Das Problem ist sehr hoch. Viele von den Tätern oder den potenziellen Tätern kommen aus der Gamerszene." Manche nähmen sich Simulationen geradezu zum Vorbild. "Man muss genau hinschauen, ob es noch ein Computerspiel ist, eine Simulation oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag. Und deshalb müssen wir die Gamerszene stärker in den Blick nehmen."

Der Attentäter von Halle war in der Gamerszene unterwegs

Später warnte er dann gezielter davor, dass Rechtsextremisten Gaming-Plattformen für ihre Zwecke nutzen. "Wir sehen, dass Rechtsextremisten das Internet und auch Gaming-Plattformen als Bühne für ihre rechtswidrigen Inhalte missbrauchen", schrieb er auf Twitter. Der Attentäter von Halle war in der Gamerszene unterwegs.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte nach einer CDU-Gremiensitzung in Berlin: "Es geht hier nicht um Gamer, um Menschen, die spielen." Er fügte hinzu: "Ich glaube wir können froh sein, dass wir so eine große Gaming-Szene haben in Deutschland." Es gehe eigentlich um die Frage, wie man den Missbrauch bestimmter Kommunikationsformen, etwa in Chaträumen, verhindern könne.

Das Bundesinnenministerium wies Vorwürfe zurück, Gamer unter Generalverdacht zu stellen. "Es geht um die Bekämpfung von schwersten Straftaten und darum, dass wir diese potenziellen Täter - Extremisten oder sonstige Tätertypen - in allen Bereichen finden können, in denen sie sich bewegen", sagte ein Ministeriumssprecher. Erfahrungen zeigten, dass sich bestimmte Täter vorwiegend im Netz aufhielten, um sich zu vernetzen und zu kommunizieren. Dies geschehe auch in Spieleplattformen. "Damit ist in keiner Form beabsichtigt, die gesamte Spielebranche oder Gamerszene in Misskredit zu bringen", betonte er. Nur weil man ein Spiel spiele, sei man nicht gleichzeitig ein potenzieller Straftäter. Das sei auch die Position Seehofers.
(dpa)

Kommentare (2)

  1. questor incorruptus am 15.10.2019
    Nun, entschuldigen Sie mir bitte alle diese Meinung im Rahmen der allg. Debatte zur "Digitalisierung":

    Gerade durch die zunehmende Polarisierung im Rahmen digitaler Welten, innerhalb derer jeder meint sein eigener Regisseur zu sein, entfremdet sich die Gesellschaft sozial immer mehr.

    Das gilt es, zur Vermeidung der Tristesse im Nachhinein, heute zu erkennen.

    Sobald jemand liked oder disliked, um hier die überstrapazierten Anglizismen und Idiome zu bemühen, filtert er in Bestätigung, Katholiken nennten diese wohl religiös Konfirmation, oder eben in Ablehnung zu dieser oder jener Meinung, Person, Gruppe bzw. Major- oder Minorität.

    Treffen diese jemande innerhalb der res publica, der öffentlichen Sache und mitunter auch Debatte oder auch nur in kleineren scheinbar so gewöhnlichen Alltagsgeschäften aufeinander, sind sie kaum kritikfest und und oftmals nicht dialogfähig. Die Digitalisierung führt also sozial gesehen zur Verhärtung der Sichtweisen und zur gegenseitigen stillen und schleichenden Ausgrenzung. Sie führt zu willfährigen und uniformen Massen mit zunehmend verfallenden Sprachschatz und Dialogwillen.

    Das gute Wort im Alltag, der Umgang im sozialen Kontext aller ist also der stete Kompromiß im Gelebten, auch den anderen zu werten und zu schätzen; es ist der überalltägliche Kompromiß. Der Kompromiß, der der Boden der Demokratie ist, also der Macht vieler, anstatt derer Weniger.

    Umgangsformen, Güte, Anstand und Milde kann man nicht downloaden, um wieder das Englische zu bemühen. Es ist eine Frage der täglichen Sozialis- und Konditionierung.

    Wärme und Geborgenheit strahlen nicht aus Monitoren ab!

    Auf den gelebten Pluralismus. Jener Pluralismus, jene kreative Buntheit der vielfältigen Gedanken, die sich keine Zentrale der Welt zu Nutzen machen kann. Entgegen jeder Tendenz der Utilisierung der Welt.
  2. udo am 15.10.2019
    Horst Seehofer hat völlig recht!!!
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