Politik

Hass und Hetze im Netz – man findet sie meist auf Plattformen wie Facebook. (Foto: dpa/Daniel Reinhardt)

21.02.2020

Hetzer im Visier

Der Staat wehrt sich immer entschiedener gegen Hass und Bedrohung im Netz – doch was bringen die drastischen Maßnahmen?

Wüste Beschimpfungen, Gewalt- und Todesdrohungen – Alltag für Politiker? Jüngste Zahlen und Alarmmeldungen legen das nahe, und der Staat wehrt sich. Bayern hat in allen 22 Staatsanwaltschaften Sonderdezernate für Hass im Internet eingerichtet. Mit Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb soll ein Hate-Speech-Beauftragter den Kampf gegen Hasskriminalität koordinieren. Die Bundesregierung will Gesetze verschärfen. Ist das der richtige Weg?

Diese Woche brachten Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) mehrere Gesetzesänderungen im Kabinett ein. Aufrufe zu schweren Straftaten wie Mord oder Vergewaltigung sollen mit Haftstrafen bis zu drei Jahren geahndet werden können. Das Netzwerkdurchsuchungsgesetz soll so verschärft werden, dass Anbieter wie Facebook oder Twitter „strafbare Inhalte“ nicht nur löschen müssen. Die Provider müssten entsprechende Postings auch an das Bundeskriminalamt (BKA) melden, das diese an die Staatsanwaltschaften leitet. „So landen die Hassnachrichten da, wo sie hingehören: vor Gericht“, so Lambrecht.

Klingt nachvollziehbar, und drastische Maßnahmen scheinen in die Zeit zu passen. Fragt sich nur, wie wirkungsvoll sie sind und wie schlimm die Lage tatsächlich ist. Da gibt es durchaus differenzierte Meinungen.

Seit der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke nach monatelanger Online-Hetze sind Politiker alarmiert. Für zusätzliche Aufregung sorgt eine – nicht repräsentative – Umfrage des Bayerischen Städtetags. Ein Viertel der 298 Mitglieder nahm teil, 80 Prozent von ihnen sind schon beleidigt worden. 33 Prozent erlebten Gewaltandrohungen, 19 Prozent berichten von Todesdrohungen. Städtetagspräsident Kurt Gribl (CSU) ist als OB von Augsburg ein gebranntes Kind: Als im Dezember ein Feuerwehrmann auf dem Königsplatz nach einem Streit mit jungen Männern starb, erlebte er „die Bugwelle eines Shitstorms wie nie zuvor“. Gribl hatte sich geweigert, die jungen Männer mit Migrationshintergrund vorzuverurteilen.

Opfer sind oft zurückhaltend

Nach Zahlen des BKA kommen 77 Prozent der Hasspostings von Rechtsaußen, neun Prozent sind linksextrem, 14 Prozent lassen sich ausländischen oder religiösen Ideologien zuordnen. Straßenbau oder Stromtrassen, Gender oder Windräder – und immer wieder Migration – bringen die Trolle in Rage. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) zeigt sich entschlossen: „Hass im Netz unterdrückt die Meinungsfreiheit anderer und vergiftet das gesellschaftliche Klima. Zudem können aus Worten Gewalttaten werden.“ Nötig seien deshalb ausreichende Ermittlungsbefugnisse, um insbesondere die Betreiber sozialer Netzwerke stärker in die Pflicht nehmen zu können. Bei der Herausgabe von Daten geben sich Facebook oder Twitter äußerst zurückhaltend – zum Leidwesen von Politikern.

Bei besonders schweren Straftaten wie Kinderpornografie sollen die Betreiber laut Lambrechts Gesetzentwurf auch die Passwörter der Verdächtigen herausgeben müssen. Ursprünglich sollte dies auch bei weniger schweren Delikten möglich sein, was bei Datenschützern und Journalisten auf Kritik stieß. Sie befürchteten ein Einfallstor für Hacker, sollten Provider die Passwörter unverschlüsselt speichern müssen.

Auch bei der Strafverfolgung von Hasskriminalität gibt es Probleme. Die Grenze zwischen hartem Meinungskampf und strafbarer Beleidigung ist für Juristen schwer zu ziehen. Wer zu schweren Straftaten auffordert, dem drohen schon heute Haftstrafen. Die Frage ist oft: Wie konkret ist die Aufforderung? Mit einem Online-Verfahren können Mandatsträger und Abgeordnete ab Frühjahr Prüfbitten und Anzeigen direkt an die Justiz in Bayern richten. An der Bereitschaft, mögliche Gesetzesverstöße anzuzeigen, hapert es bislang.

Laut BKA sind die Fallzahlen für „politisch motivierte Kriminalität“ bei den Hasskommentaren sogar rückläufig. 2017 waren es 2270 Fälle, 2018 noch 1472. Über die Gründe kann man spekulieren. Womöglich wollen Lokalpolitiker nicht als Mimosen gelten oder als unbeliebt. Vielleicht trifft aber auch zu, was ein erfahrener Stadtrat einer oberbayerischen Kleinstadt sagt: „Eigentlich ist es auf der Straße und an den Stammtischen nicht schlimmer geworden. Und den Online-Schmarren schau ich mir nicht an. Dafür hab ich gar keine Zeit.“
(Matthias Maus)

Kommentare (1)

  1. Alexander am 22.02.2020
    Ich weis hier nicht wo das Problem liegt, zunächst müssten meiner Ansicht nach im Internet diese radikalen Internetseiten geschlossen werden.
    Danach zudem radikale Kommentare gelöscht bzw. der Nutzer gesperrt werden.
    Damit dürfte im Internet eine Radikalisierung verhindert werden.
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