Politik

30.09.2011

„Ich schließe Schwarz-Grün nicht kategorisch aus“

Margarete Bause, Grünen-Fraktionschefin im Landtag, über sinkende Umfragewerte der Ökopartei, die Piraten-Konkurrenz und Koalitionsoptionen im Freistaat

Der unendlich scheinende Höhenflug der Grünen ist erst mal gestoppt; neben dem SPD-Schwergewicht Christian Ude macht die Piratenpartei der Ökopartei zu schaffen. Gleichwohl stehen die Chancen für einen Machtwechsel im Freistaat so gut wie lange nicht. Doch bis zur Landtagswahl sind es noch zwei Jahre hin. Wir sprachen mit der Grünen- Fraktionschefin im Landtag, Margarete Bause. BSZ: Und, haben Sie sich schon seemännischen Rat eingeholt, Frau Bause?
Bause: Welchen Rat, bitte? BSZ: Seemännischen!
Bause: Ich bin eher in den Bergen unterwegs und nicht auf See. BSZ: Den könnten Sie aber brauchen, wenn Sie das Entern des grünen Boots durch Piraten abwehren wollen.
Bause: Ahoi! Wir schauen uns das mit der Piratenpartei natürlich genau an. Aber wir sind als Grüne schon lange unterwegs bei den Themen Bürgerbeteiligung, Transparenz und Datenschutz. Nicht nur im Netz, aber auch dort. Wir Grüne sind hier bereits gut aufgestellt. Im Unterschied zu den Piraten fahren wir aber zweigleisig: Wir wollen mehr Bürgerbeteiligung online und offline. Es gibt schließlich noch sehr viele Menschen, die im Internet noch nicht so kontinuierlich unterwegs sind. Die haben aber das gleiche Recht auf Information, Offenheit, Beteiligung und Transparenz. BSZ: Haben die Grünen nicht doch eine Entwicklung verpasst?
Bause: Natürlich sind die Piraten gerade hip und spiegeln ein gewisses Lebensgefühl wider. Aber verschlafen haben wir da nichts – wir sind auf den Themenfeldern präsent. Vielleicht müssen wir die Debatte noch offensiver führen. Die Piraten vergessen zum Beispiel gerne die Kreativen, die die Inhalte ins Netz stellen. Wenn alles gratis zum Downloaden sein soll, woher kommt dann die Qualität im Netz? Wir wollen auch die Interessen der Kreativen in der Musikbranche, beim Film, bei den Schriftstellern, bei den Zeitungen vertreten. Die wissen doch sonst nicht mehr, wie sie sich finanzieren sollen, wenn ihnen der Urheberschutz zwischen den Fingern zerrinnt. BSZ: Nach den jüngsten Umfragen würde es 2013 für einen Machtwechsel in Bayern reichen. Passen die potenziellen Koalitionspartner SPD, Grüne und Freie Wähler zusammen?
Bause: Es gibt ein großes Budget an Gemeinsamkeiten. In der Bildungspolitik bewegen sich die Freien Wähler sehr stark auf uns zu, in der Energiepolitik treten alle drei Fraktionen für eine möglichst dezentrale Versorgung mit mehr Bürgerbeteiligung und mehr Genossenschaftsmodellen ein. Viel Übereinstimmung haben wir auch bei der Förderung des ländlichen Raums. Und in der Finanzpolitik kommen uns die anderen näher. Es war schließlich schon immer ein Markenzeichen grüner Politik, keine Forderungen zu stellen, die nicht finanzierbar sind. Hier beobachte ich bei der SPD einen entsprechenden Richtungswechsel. Natürlich gibt es auch Unterschiede, aber das ist bei Koalitionspartnern immer so. BSZ: Die Freien Wähler wollen sich noch nicht auf ein Bündnis mit SPD und Grünen festlegen. Macht Ihnen das Sorgen?
Bause: Das müssen die Freien Wähler für sich entscheiden, welche Strategie sie für die erfolgversprechendste halten. Am Ende wollen die Wähler aber wissen, was ihre Stimme für eine Partei oder Gruppierung bedeutet. Da müssen die Freien Wähler sich irgendwann entscheiden, ob eine Stimme für sie die Fortsetzung der CSU-Herrschaft in Bayern bringt oder einen Politikwechsel. BSZ: Schwarz-Grün ist vom Tisch?
Bause: Ich schließe das nicht kategorisch für immer aus, aber nach über 50 Jahren CSU-Regierung in Bayern muss die CSU endlich auf die Oppositionsbänke. Das wäre ein Segen für die Demokratie. Wenn sich die CSU dort erneuert hat, das eigene Denken gelernt hat und vielleicht ein bisschen bescheidener auftritt, dann kann man über Schwarz-Grün reden. Die Chance auf einen Politikwechsel in Bayern ist aber derzeit so groß wie nie. Es wäre ein großer Fehler, wenn wir Grüne sie nicht nutzen würden. BSZ: Was bedeutet für Sie Politikwechsel konkret?
Bause: Es ist nicht mit kleineren Korrekturen getan. In der Wirtschaftspolitik brauchen wir ein Umdenken hin zu mehr Nachhaltigkeit und Ökologie. In der Bildungspolitik müssen wir weg vom Aussortieren von Zehnjährigen. Und in Sachen Weltoffenheit müssen wir die Fenster aufreißen und frische Luft hereinlassen. Die CSU war viel zu lange mit ideologischen Scheuklappen unterwegs. BSZ: Gehen die Grünen mit einem Spitzenkandidaten in die Wahl?
Bause: Davon gehe ich aus. Die Diskussion muss die Partei aber als Ganzes führen. Wahrscheinlich werden wir wieder mit einem in allen Regionen verankerten Spitzenteam antreten und einer herausgehobenen Spitzenkandidatur. BSZ: Haben Sie Ambitionen?
Bause: Bei uns Grünen werden solche Fragen nicht einfach von oben beschlossen. Über die Spitzenkandidatur entscheidet zuallererst unsere Basis. BSZ: Macht die Kandidatur von Christian Ude für die SPD die Sache für die Grünen schwerer?
Bause: Sie macht die Landespolitik vor allem interessanter. Mit Christian Ude ist eine neue Dynamik in die SPD gekommen. In Bayern ist damit der Politikwechsel nicht mehr nur wünschbar, sondern auch möglich. Dazu müssen alle Oppositionsparteien im Landtag ihr Potenzial voll ausschöpfen. BSZ: Größtes Hindernis für eine Koalition könnte die 3. Startbahn am Münchner Flughafen werden. Lässt sich dieses Problem lösen?
Bause: Ich setze da auf die Vernunft von Christian Ude. Denn zweieinhalb der drei Partner sind gegen die Startbahn: Die Grünen, die Freien Wähler und bis jetzt auch die SPD. Rein rechnerisch ist Ude mit seiner Befürwortung in der Minderheit. Ich setze auf die Kraft der Argumente. Der Flughafenausbau ist weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar.
BSZ: Könnte es am Ende einen Formelkompromiss geben wie bei Grün-Rot in Baden-Württemberg mit „Stuttgart 21“?
Bause: Ich hoffe, dass das Thema schon vorher in unserem Sinne abgehakt ist. Auf was wir uns auf keinen Fall einlassen, ist das Modell aus dem Münchner Stadtrat, wo es eine rot-grüne Koalition gibt, beim Thema Flughafen aber andere Mehrheiten. Ich setze darauf, dass sich schon vorher die Einsicht durchsetzt, dass wir die 3. Startbahn nicht brauchen. BSZ: Und was passiert, wenn die jetzige Staatsregierung schon im kommenden Jahr die Bagger anrollen lässt und vollendete Tatsachen schafft?Bause: Dann gibt es eine Solidarisierungswelle weit über das Erdinger Moos hinaus. Ein schöneres Wahlkampfgeschenk könnten wir uns gar nicht vorstellen. (Interview: Jürgen Umlauft)

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