Politik

Trotz Schließung vom Staat kein Geld: Immer wieder werden solche Fälle bekannt. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

13.05.2022

Im Bürokratiedschungel gefangen

Für staatliche Corona-Hilfen wurde viel Geld ausgegeben – nicht immer hat das gut funktioniert: ein Leidensbericht

Wenn Otto Wunsch von der Erfolgsbilanz der staatlichen Corona-Hilfen hört, klingt das für ihn wie Hohn. Obwohl seine zwei Hotels im niederbayerischen Bäderdreieck während des Lockdowns schließen mussten, erhält der 69-Jährige keinen Cent aus dem großen Topf der Sofort- und Überbrückungsmaßnahmen. „Ich fühle mich von der Politik gnadenlos im Stich gelassen“, sagt er. Das will er sich nicht gefallen lassen. Er möchte, wie er der Staatszeitung sagte, vor dem Verwaltungsgericht Regensburg um seine Existenz kämpfen. „Ich gebe nicht auf.“ Jetzt sucht er auch über Facebook Leidensgenossen für die Bildung einer Art Selbsthilfegruppe: www.facebook.com/groups/selbsthilfezurstaatshilfe.

Während Wunsch sein Schicksal schilderte, lobten Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Klaus Josef Lutz, Präsident der IHK für München und Oberbayern, die „sehr gute Bilanz“ der (im Prinzip) nicht rückzahlungspflichtigen Corona-Wirtschaftshilfen im Freistaat. 10,3 Milliarden Euro hatte die IHK im staatlichen Auftrag insgesamt ausbezahlt, gut 40 Prozent davon flossen ins Hotel- und Gaststättengewerbe.

Für Otto Wunsch selbst lautete die Bilanz so: Die Anträge auf Überbrückungshilfe III für sein Kurhotel Mürz KG in Bad Füssing und sein AktiVital-Hotel (Wunsch Hotel OHG) in Bad Griesbach wurden abgelehnt. Für die Hotels bekam er staatliche Kredite in Höhe von 470 000 beziehungsweise 380 000 Euro, „die aber inzwischen ausgeschöpft sind“, wie er betont. Er nennt es „unverständlich, warum zwei Hotels mit rund 200 Beschäftigten keine Corona-Wirtschaftshilfen erhalten sollen“.

Wie vielen Betrieben es ähnlich erging, ist nicht bekannt. Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern soll Ende 2020/Anfang 2021 fast 1000 Bescheide mit der Null-Fördersumme erlassen haben, betroffen waren kleine Unternehmen und Soloselbstständige. Einer davon war der Betreiber einer Festhalle in Tettau (Oberfranken). Das Pressebüro König in Pfarrkirchen, das auch für Hotelier Wunsch arbeitet, erinnert sich an seinen Fall. Der 40-Jährige musste seinen Corona-Verlust mit Erspartem ausgleichen, weil er keine Hilfe bekam. Warum, erklärte ihm die IHK laut König nicht.

Unklare Begründungen

Aus Potsdam wurden durch Presseberichte drei Fälle bekannt, in denen Café-Betreibende leer ausgingen, weil sie nebenher noch eigenständige Unternehmen betrieben wie etwa einen Trekkingladen. Dadurch wurden sie im Sinne des komplizierten Konstrukts der Corona-Hilfen laut IHK Brandenburg Verbundbetriebe, die unterschiedlichen Branchen angehören, unterschiedliche Mitarbeiter beschäftigen, aber einen Chef haben. Der Trekkingladen wäre förderungswürdig, hieß es, das Café auch, aber nur, wenn eines von beiden 80 Prozent Umsatz gebracht hätte, lautete die Begründung.

Komplizierter noch ist es bei den Anträgen von Otto Wunsch. Mit seinem Namen sind sowohl die beiden Hotels als auch die Kliniken St.Lukas GmbH in Bad Griesbach verbunden, die im Erdgeschoss des AktiVital-Hotels ein ambulantes medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) unterhält; in der Klinik GmbH ist Otto Wunsch Geschäftsführer, er und seine Frau leiten die Wunsch Hotel OHG, die wiederum Gesellschafter der St. Lukas Fachkliniken für Orthopädie und Psychosomatik ist; das Kurhotel Mürz führen Otto Wunsch und sein Sohn Steffen.

Wie sich das auf die Förderungswürdigkeit auswirkt, darüber streiten die Eigentümerfamilie und die IHK. Der Unternehmer sagt, Hotels und Klinik gehörten steuerlich nicht zusammen, weil sie keinen zusammenfassenden Jahresbericht erstellen müssten und es Mehrheitsbeteiligungen oder andere Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge nicht gebe.

Die IHK München lässt das so nicht gelten. Jahresberichte zählten nicht, es komme auf Mehrheiten der Stimmrechte und „die Fähigkeit zu einem beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen“ an. Unter anderem deswegen seien die Hotels und die Klinik Verbundunternehmen, sagte IHK-Sprecherin Katharina Toparkus der Staatszeitung.

Laut den Förderbedingungen des Bundesfinanzministeriums und der EU müssten solche Unternehmen als eine wirtschaftliche Einheit aufgefasst werden – was bedeute, dass „nur ein Antrag auf Überbrückungshilfe gestellt werden darf, der die wirtschaftliche Situation in allen Teilen des Verbundunternehmens wiedergibt“. Nur die Gesamtsicht auf das Verbundunternehmen ermögliche eine sinnvolle Beurteilung, „ob eine pandemiebedingte Notlage des Verbundunternehmens als Ganzem vorliegt“. Also hätte Wunsch nach Auffassung der IHK München nicht für die beiden Hotels einzeln, sondern nur zusammen mit der psychosomatischen Klinik und „inklusive dem angeschlossenen medizinischen Versorgungszentrum, das sich im Erdgeschoss des AktiVital-Hotels befindet“, einen Antrag stellen müssen. Das sei aber nicht geschehen, woraus die Kammer den Schluss zieht, dass der Vorwurf, Hilfe sei verweigert worden, nicht zutreffe. „Wir wollen, dass er Hilfe bekommt“, betont Toparkus.

Für Otto Wunsch werden damit die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Das Budget des psychosomatischen Klinikbetriebs sei vom Gesundheitsministerium genehmigt worden mit der ausdrücklichen Auflage, dass die Finanzen der Klinik mit denen der Hotelbetriebe nicht vermischt werden dürften. Deswegen habe er nur für diese Anträge gestellt. Und nun solle nach den Vorstellungen der IHK der nichtdefizitäre Krankenhausetat zur Querfinanzierung der eigenständigen Hotels herangezogen werden. Das sei nicht erlaubt. Wunsch und sein Anwalt wollen darüber mit der IHK sprechen. Daraus sei nichts geworden. Sie luden auch Vertreter der Kammer ein, sich vor Ort selbst ein Bild zu machen. „Aber die kamen nicht.“
(Herbert Fuehr)

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