Politik

13.01.2012

Innenminister klärt die Grünen auf – teilweise

Der Bund will die Quote der Erzieher in Kindergärten steigern – in Augsburg und Nürnberg gibt es bereits Modellprojekte

Wir schreiben das Jahr 1993. Tino Brandt, ein glühender Nationalsozialist, gerade mal 18 Jahre alt, hat aus seiner Heimat Thüringen nach Bayern rübergemacht. Im Lehrlingsheim des Regensburger Kolpinghauses hat er ein Zimmer bezogen, von hier aus betreibt er sein Hauptgeschäft: die Wiedererrichtung des Dritten Reichs.
Nebenbei beginnt er bei einem Supermarkt eine Ausbildung. Er ist aufgrund seiner Aufmachung – Braunhemd, Kurzhaarschnitt – auf hundert Meter als Nazi erkennbar, aber das scheint niemanden zu stören, weder im Lehrlingsheim noch bei seinem Ausbildungsbetrieb. Nur der Regensburger Antifa springt Tino Brandt sofort ins Auge. Sie verteilt Flugblätter gegen ihn, auf denen er als faschistischer Krimineller gebrandmarkt wird.
Tino Brandt rennt zur Polizei, erstattet Anzeige wegen Verleumdung. Das Regensburger Amtsgericht gibt ihm recht. Richter Werner Gierl in der Urteilsbegründung: „Es liegt eine nicht hinzunehmende Verrohung der politischen Umgangsformen vor, die im persönlichen Ehrenschutz ihre Schranken finden muss.“
Der gerichtlich bestätigte Ehrenmann mit dem Braunhemd hat Bayern zu dem Zeitpunkt schon wieder verlassen und widmet sich dem Aufbau des „Thüringer Heimatschutzes“. Daraus geht Ende der 90er Jahre dann der „Nationalsozialistische Untergrund“ hervor: die Terrorbande, der bis jetzt zehn Morde (fünf davon in Bayern), zwei Sprengstoffanschläge und 14 Banküberfälle zugeschrieben werden. Die Serienkiller fliegen erst auf, als sich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011 selbst die Kugel geben; ihre „Kameradin“ Beate Zschäpe stellt sich daraufhin der Polizei.
Tino Brandt, der 2001 als V-Mann des berüchtigten Thüringer Verfassungsschutzes (VS) enttarnt wurde, erzählt heute in aller Öffentlichkeit, dass er die 200 000 Mark, die er für die wertlosen „Informationen“ erhielt, mit denen er die Schlapphüte vom VS bediente, umgehend in seine Nazi-Aktivitäten steckte – selbstverständlich sei auch das Mördertrio in den Genuss der staatlichen Gelder gekommen.


Nur die Thüringer sponserten den jungen Nazi


Die Landtagsabgeordnete Maria Scharfenberg (Grüne) wollte jetzt von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wissen, was der bayerische Verfassungsschutz von Tino Brandt wisse. Und nicht zuletzt, ob der Nazi-Strippenzieher am Ende auch vom bayerischen VS als V-Mann geführt wurde. Immerhin behauptet Claus Nordbruch, ein Nazi, der sich Tino Brandts als väterlicher Freund annahm, der bayerische VS habe versucht, Tino Brandt vom Thüringer VS abzuwerben. Der schollentreue Thüringer habe der Versuchung indes tapfer widerstanden.
Innenminister Joachim Herrmann stellt nun klar: „Tino Brandt wurde zu keinem Zeitpunkt von Mitarbeitern des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz kontaktiert. Er stand auch nicht in Diensten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz.“
Die nationalsozialistischen Killer, die vier türkische und einen griechischen Kleingewerbetreibenden in München und Nürnberg regelrecht hinrichteten, wurden also zumindest nicht aus der bayerischen Staatskasse gesponsert (sondern nur aus der thüringischen).
Scharfenbergs Frage, ob Tino Brandt während seines Aufenthalts in Bayern in den 90er Jahren vom bayerischen VS überwacht wurde, beantwortet Herrmann mit einem glatten Ja. Allerdings seien die damaligen Erkenntnisse über den aufstrebenden Nazi aus datenschutzrechtlichen Gründen nur mehr rudimentär vorhanden. Gleichwohl verfüge man „noch in großem Umfang“ über Dokumente zu dem Mann.
Welcher Art diese Dokumente sind, darüber schweigt sich der Innenminister größtenteils aus. Maria Scharfenberg fordert das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz deshalb auf, „noch vorhandene Dokumente, die mit Tino Brandt und anderen Personen aus dem Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds, der für die beispiellose Mordserie in ganz Deutschland verantwortlich gemacht wird, möglichst schnell und umfassend auszuwerten“.
Nicht zuletzt stelle sich „weiterhin die Frage, warum die einzelnen Taten völlig falsch eingeschätzt wurden und Zusammenhänge nicht hergestellt werden konnten“. Denn die Mordserie wurde unter dem irreführenden Namen „Dönermorde“ geführt; die „Soko Bosporus“ ermittelte im „Türkenmilieu“, die Opfer wurden zu Tätern gemacht, die Familien der Erschossenen kriminalisiert. (Florian Sendtner)

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