Politik

In Mecklenburg-Vorpommern werden sie schon angebaut: die umstrittenen Amflora-Kartoffeln. (Foto: ddp)

12.03.2010

Irgendwie dafür, aber auch dagegen

Gentechnik in Bayern: Keine „Amflora“, aber auch keine klare Linie der Staatsregierung

Da kann die Staatsregierung aber froh sein, dass sie die industrielle Kartoffelstärke-Herstellung nicht in ihrem landesweiten Wirtschaftsportfolio hat. Nur dort nämlich, wo Anlagen zur Stärkegewinnung aus Erdäpfeln betrieben werden, will das Unternehmen BASF Plant Science die gentechnisch veränderte Kartoffelsorte „Amflora“ anbauen. Vor Kurzem hat die Europäische Kommission die Gen-Knolle, aus der besonders einfach Stärke gewonnen werden kann, für die kommerzielle Nutzung freigegeben. Zuvor lief auf einer Fläche von 20 Hektar bereits ein Freilandversuch in Zepkow (Mecklenburg-Vorpommern). Dort wird nach der EU-Freigabe „Amflora“ nun auch kommerziell angebaut, zudem auf großen Ackerflächen in Schweden und der Tschechischen Republik. Anbauflächen in Bayern seien nicht vorgesehen, versichert eine Sprecherin von BASF Plant Science. So bleibt den bayerischen Regierungspartnern CSU und FDP zumindest derzeit eine durchaus brisante Auseinandersetzung erspart, die wohl zwangsläufig in die landespolitische Grundsatzfrage münden würde, wie die Staatsregierung denn nun zur Gentechnik steht. Vollends geklärt ist das nämlich nicht. Im bayerischen Koalitionsvertrag ist dazu nur eine Randbemerkung zu finden: „Wir setzen uns gegenüber der Europäischen Union, der die Entscheidung über die Zulassung der grünen Gentechnik obliegt, dafür ein, dass die Entscheidung über den Anbau und die Abstandsflächen von den Mitgliedsstaaten beziehungsweise den Regionen selbst getroffen wird.“ Kein Wort darüber, welche Entscheidungen die CSU-FDP-Koalition jeweils konkret treffen würde. Auf Bundesebene liegt zwischen den Regierungspartnern CDU, CSU und FDP der Fall klarer: „Die Biotechnologie stellt eine wichtige Zukunftsbranche für Forschung, Wirtschaft und Landwirtschaft dar, die bereits weltweit etabliert ist“, heißt es im Koalitionsvertrag der drei Parteien. „Deshalb wollen wir die verantwortbaren Potenziale der grünen Gentechnik nutzen“, wobei der Schutz von Mensch und Umwelt „oberstes Ziel deutschen Gentechnikrechts“ sein müsse. Die Gentechnik-Kartoffel „Amflora“ war den Regierungsparteien so wichtig, dass sie das Produkt aus den BASF-Laboren in ihren Vertrag aufnahmen: „Der Anbau der gentechnisch veränderten Stärkekartoffel Amflora für eine kommerzielle, industrielle Verwertung wird unterstützt.“ Weil die Gen-Kartoffel auch als Futtermittel verwendet werden darf, befürchten die Freien Wähler (FW) Probleme mit einem Marker der „Amflora“-Züchtung, die zu Antibiotika-Resistenzen führen könne – was BASF Plant Science bestreitet. „Den schwarz-gelben Koalitionären in Berlin ist die breite Ablehnung der grünen Gentechnik durch die Bevölkerung wurscht“, klagt Hubert Aiwainger, FW-Fraktionschef im bayerischen Landtag. Erstaunlich ist, dass die CSU beim Thema Gentechnik irgendwie dafür ist, dann aber auch wieder dagegen. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) hat nichts gegen Versuchsanpflanzungen und kommerzielle Nutzung. Bayerische Felder hingegen sollen – so will es Umweltminister Markus Söder (CSU), frei von Gentechnik bleiben. Ministerpräsident Horst Seehofer und Markus Söder stellen sich die Sache ungefähr so vor: gentechnisch veränderte Pflanzen ja, aber nur im Labor. „Die Menschen haben Furcht vor nicht mehr rückholbaren Folgen und nicht korrigierbaren Konsequenzen für Umwelt und Landwirtschaft durch die grüne Gentechnik“, sagte Seehofer im Juli 2009 bei einem Gentechnik-Kongress der Staatsregierung. Markus Söder will erreichen, dass Bayern „gentechnikanbaufreie Zone“ wird, wobei ein Problem darin besteht, dass die EU die rechtlichen Rahmenbedingungen vorgibt. Im Sommer ist eine EU-Initiative zu erwarten, durch die möglicherweise den Mitgliedsstaaten die Entscheidung über den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen übertragen wird. Zumindest derzeit sind Bayerns Äcker gentechnikfrei. Im Frühjahr 2009 stoppte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) wegen Sicherheitsbedenken den Versuchsanbau der gentechnisch veränderten Maissorte MON 810. Auch einige Versuchsfelder in Franken waren davon betroffen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit verzeichnet für das Jahr 2010 noch keine Gen-Anbau- oder Freisetzungsflächen in Bayern. Ginge es aber nach Thomas Dechant, der in der FDP-Landtagsfraktion für Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig ist, könnte das schon bald anders werden: Was die grüne Gentechnik angeht, „sind wir wesentlich freundlicher als die CSU“, sagt der auf einem Bauernhof aufgewachsene Abgeordnete aus dem oberpfälzischen Regenstauf. Er und die FDP sind sich mit Seehofer nur in einer Unterstützung der grünen Gentechnik in der Laborforschung einig. Darüber hinaus fordert Dechant aber auch die kommerziellen Nutzung: „Es kann ja sein, dass irgendwann unsere Bauern mehrheitlich auf der Matte stehen und gentechnisch veränderten Mais oder Kartoffeln anbauen wollen.“ Angesichts dessen, sagt Dechant, „finde ich das, was der Söder da treibt, sehr populistisch und sehr unsachlich“. Der CSU-Minister gehe mit seiner Vision von einem gentechnikfreien Bayern „auf Stimmenfang“, empört sich Dechant, der davon erzählt, dass er bei den Koalitionsverhandlungen mit Söder wegen der Gentechnik schwer aneinandergeraten sei: Ein Passus, in dem die Gentechnik-Freilandforschung untersagt werden sollte, „ist auf mein Betreiben beziehungsweise das der FDP herausgestrichen worden“, berichtet Dechant. „Der Söder war da stinksauer und ich auch, weil er uns was unterschieben wollte, was wir nicht wollen.“ Bleibt also abzuwarten, was aus der grünen Gentechnik in Bayern wird. Da könnte in der ohnehin nicht besonders harmonischen Regierungsarbeit noch so mancher Ärger unkontrolliert freigesetzt werden. (Rolf Thym)

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