Politik

In Bayern gibt’s solche und solche Gemeinden - die ärmeren müssen kreativ sein, aber wehklagen tun alle gern. (Foto: dpa)

12.07.2013

Klare Kante bei den Forderungen

Bei der Verbandstagung des bayerischen Städtetags fordern die Kommunalpolitiker mal wieder mehr Geld

Richard Wagner neigte nicht zu übertriebener Bescheidenheit: „Die Welt ist mir schuldig, was ich brauche“, tönte der Komponist vor gut 150 Jahren. Passend zu Bayreuth, dem Veranstaltungsort der diesjährigen Verbandstagung des Bayerischen Städtetags, zitierte Ulrich Maly (SPD), Vorsitzender des kommunalen Spitzenverbands und Oberbürgermeister von Nürnberg, vor seinen knapp 270 Bürgermeister-Kollegen das dreiste Bonmot des Künstlers.
Den Grund erkennt man rasch: Bei Wagner wie bei den Kommunen decken die Einnahmen regelmäßig nicht die Ausgaben. Dabei geht es den bayerischen Städten und Gemeinden zumindest auf den ersten Blick nicht schlecht. Der kommunale Finanzausgleich stieg in diesem Jahr auf die Rekordsumme von über 7,7 Milliarden Euro. Das bedeutet ein Plus von 427 Millionen Euro. Obendrein gibt es seit diesem Jahr die neuen Stabilisierungshilfen. Mit 100 Millionen Euro werden gezielt strukturschwache oder vom demografischen Wandel betroffene Kommunen unterstützt. Der Finanzierungssaldo, darauf weisen die Städte selbst hin, ist positiv, betrug 2012 knapp 1,26 Milliarden Euro.
Doch je nach Blickwinkel kann man auch in Bayern klagen. „In vielen Kommunen zeichnen sich bedenkliche Entwicklungen ab“, bangt der stellvertretende Vorsitzende des Städtetags, Ismanings Bürgermeister Michael Sedlmaier (FWG). „Nach wie vor steigen die Soziallasten. Und auch die Schuldenbremse und der Fiskalpakt können sich auf die kommunalen Finanzen auswirken.“ Mit bestimmten Zahlen kann der Städtetag durchaus eine düstere Perspektive malen. So wuchsen von 2000 bis 2010 die Sozialausgaben um ein Drittel auf fünf Milliarden Euro. Und in vielen Kommunen stehen marode Schwimmhallen oder sanierungsbedürftige Schulen.

Bloß nicht zu bescheiden sein


Fest steht aber auch: Gerade in Bayern haben die Kommunen massive staatliche Unterstützung erfahren. Der Ansatz für die Krankenhausfinanzierung steigt auf 500 Millionen Euro, die Zuweisungen für Schulen und Kitas auf 376 Millionen Euro. Die Mittel für Straßenbau und -sanierung werden auf 276 Millionen Euro erhöht. Die Zuweisungen für die Schülerbeförderung steigen auf 305 Millionen Euro. Die Grundsicherung im Alter übernimmt außerdem gerade der Bund. Obendrein sinkt die Zahl der Arbeitslosen und dürfte, angesichts von Fachkräftemangel und geburtenschwachen Jahrgängen, auch kaum wieder die Rekordmarken früherer Jahre erreichen. Speziell die kreisfreien Städte können dadurch aufatmen, reduziert das doch ihre Unterstützungsleistung, etwa bei den Mietnebenkosten.
Beim Städtetag sagt man sich trotzdem: Besser klare Kante bei den Forderungen zeigen, Konzessionen kann man immer noch machen. Ein Bundesleistungsgesetz muss her, der kommunale Finanzausgleich soll „neu justiert“ werden, Schlüsselzuweisungen werden künftig „bedarfsgerecht“ zugewiesen, auch müsse es mehr „Dezentralisierung“ bei staatlichen Aufgaben geben, und Brüsseler Pläne, die Daseinsvorsorge durch Privatisierungen zu unterwandern, gelte es ebenso konsequent abzuwehren wie „marktliberale Bestrebungen“, die Gewerbesteuer abzuschaffen.
Was die Städte auch wollen: mehr Polizeipräsenz im öffentlichen Raum, Unterstützung bei der Energiewende, stärkere Förderung der Kinderbetreuung, mehr Geld für Bibliotheken, Museen und Volkshochschulen, einen Ausbau der Breitbandförderung, eine Anhebung der Städtebauförderung, eine höhere Grundsteuer.

Christine Haderthauer überrascht das Publikum


Die Chancen, zumindest einen Teil der Wünsche erfüllt zu bekommen, stehen gar nicht so schlecht – wenn man den Worten von Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) glaubt, die, für alle Anwesenden überraschend „in Vertretung des Ministerpräsidenten“ das Grußwort der Staatsregierung sprach. So soll es etwa ein Sonderinvestitionsprogramm geben, um bis 2019 die Barrierefreiheit in Bayern umzusetzen, und die Zuständigkeit für die Beschaffung von Unterkünften für Asylbewerber wird von den Bezirksregierungen auf die Kommunen verlagert. Denn das, so Haderthauer, „wird dezentral besser gelöst“. Bei einer Podiumsdiskussion mit den Fraktionsvorsitzenden Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Margarethe Bause (Grüne) und Thomas Hacker (FDP) sowie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und dem SPD-Bewerber für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude überboten sich die Landespolitiker förmlich mit verbalen Streicheleinheiten für die Kommunen.

"Alphamännchen und Alphaweibchen"

Joachim Herrmann umschmeichelte die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen im Saal als "selbstbewusste Alphamännchen und -weibchen, die wir brauchen". Eine klare Absage erteilte der Ressortchef Forderungen einiger Bürgermeister, sie künftig bei Auseinandersetzungen mit ihren Landräten mittels eines Machtworts aus München zu unterstützen. "Da sage ich nein, denn auch das ist kommunale Selbstverwaltung." Hubert Aiwanger legte Wert auf die Feststellung, dass "jeder dritte Bürgermeister den Freien Wählern angehört." Seine Partei brauche sich deshalb "längst nicht mehr rechtfertigen, wenn sie auch auf Landes- und Bundesebene mitregieren will, wo doch da andere das große Rad drehen, die keinen einzigen Bürgermeister stellen". Christian Ude kommentierte die Abwesenheit von Horst Seehofer launig, jender scheue wohl die Auseinandersetzung mit ihm über kommunalpolitische Streitthemen. Für den Fall eines Wahlsiegs kündigte der Münchner ab Herbst ein komplett überarbeitetes neue Landesentwicklungsprogramm an. Joachim Herrmann umschmeichelte die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen im Saal als "selbstbewusste Alphamännchen und -weibchen, die wir brauchen". Eine klare Absage erteilte der Ressortchef Forderungen einiger Bürgermeister, sie künftig bei Auseinandersetzungen mit ihren Landräten mittels eines Machtworts aus München zu unterstützen. "Da sage ich nein, denn auch das ist kommunale Selbstverwaltung." Thomas Hacker, selbst Bayreuther, griff den Vorschlag seiner gastgebenden Oberbürgermeisterin Brigitte Merke-Erbe (parteilos) auf, das geplante Heimatministerium in Bayreuth anzusiedeln und brachte sich als erster FDP-Politiker dafür gleich selbst ins Gespräch: "Bei diesem Dienstsitz könnte ich mir vorstellen, nach der Wahl ins Kabinett einzutreten. Margarethe Bause stellte die Rolle der eigenen Partei als "Trendsetter auf der kommunalen Ebene" heraus. Krippen, Ganztagsschulen, Energiewende - all das, was heute auch bei den anderen Parteien populär sei, hätten die Grünen einst ins Gespräch gebracht. (André Paul)

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