Politik

Die Uni Bayreuth bietet Kaffee, Tee oder Kakao nur noch in Mehrwegbechern an. (Foto: UBT/dpa)

22.11.2019

Klimawandel an den Unis

Die Fridays-for-Future-Bewegung erfasst auch Bayerns Hochschulen – was dort für mehr Nachhaltigkeit getan wird

Etwas merkwürdig klingt es schon: Da veranstaltet eine Universität eine wissenschaftliche Tagung – doch dazu soll bitte schön niemand kommen. Zumindest keiner, der mit dem Flugzeug anreisen müsste. So geschehen gerade an der Uni München, wo eine Carbon-Reduced-Conference stattfand. Dass man für Symposien schon mal nach Tokio oder Washington reise, sei „ein unfassbarer Zeitaufwand und eine vermeidbare Umweltbelastung“, sagt die Organisatorin der Tagung, Martha Merrow vom Institut für medizinische Psychologie. Interessenten aus weiterer Entfernung konnten die Vorträge deshalb per Stream verfolgen. Und für den wissenschaftlichen Austausch wurden sogenannte Virtual Hubs eingerichtet.

Knapp ein Jahr ist es her, dass in Deutschland die ersten „Fridays for Future“-Demonstrationen durch die Straßen zogen. Und das wirkt sich auch auf die bayerischen Unis aus, sagt Tobias Holle vom Netzwerk Students for Future. Das Engagement der Schüler habe bewirkt, „dass sich Wissenschaftler nicht mehr nur in den Unis verstecken, sondern aufstehen, sich engagieren“, erklärt er. Vor allem aber habe es die Studenten aufgerüttelt. Holle: „Sie sehen sich in der Pflicht, etwas zu tun.“

In den Leitungsebenen der Universitäten sieht man das etwas anders. Natürlich lenke Fridays for Future große öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema Klimaschutz, sagt etwa Paul Hellmich, Sprecher der TU München. Doch in Hochschulen stehe das schon lange auf der Agenda. Entsprechend skeptisch beäugt mancher Universitätsleiter die Aktivisten. „Demonstrationen wecken zwar die öffentliche Aufmerksamkeit“, sagte vor einigen Monaten der damalige TU-Präsident Wolfgang A. Herrmann, „aber in Wirklichkeit kommt es auf die beständige tägliche Arbeit an, die wir und andere zu diesem komplexen Thema leisten.“

Tatsächlich seien bayerische Unis in Sachen Nachhaltigkeit den Hochschulen im übrigen Bundesgebiet einen Schritt voraus, räumt Holle ein. Das sei dem Netzwerk „Hochschule & Nachhaltigkeit Bayern“ mit seinen aktuell 700 Akteuren zu verdanken. Ein Meilenstein sei etwa das Memorandum, in dem sich Unis zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten –  in Forschung und Lehre ebenso wie in der Verwaltung, erklärt Netzwerkleiterin Lara Lütke-Spatz. „Inzwischen haben 22 von 37 Hochschulen in Bayern unterzeichnet.“

Pfand für Kaffeebecher

Wer sich an den Unis umhört, was sich dort konkret in Sachen Klimaschutz und Nachhaltigkeit tut, wird mit einer Fülle von Informationen überschwemmt. Inzwischen dürfte es kaum noch eine Institution geben, in der es nicht entsprechende Ringvorlesungen und Seminare gibt. Die Uni München bietet außerdem zwei Masterstudiengänge zum Thema Nachhaltigkeit an. Drei Hochschulen – die katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und die Augustana-Hochschule in Neuendettelsau – sind sogar nach dem Umweltmanagementsystem EMAS zertifiziert, das als anspruchsvollstes System in diesem Bereich gilt. Die Uni Bayreuth wiederum wurde 2016 erste bayerische Fair-Trade-Universität. Inzwischen haben sich auch Bamberg, Erlangen-Nürnberg, Eichstätt-Ingolstadt, Neuendettelsau und Amberg-Weiden dazugesellt, während Regensburg noch in der Bewerbungsphase steckt. Als einzige Uni in Bayern nutze Bayreuth zu 100 Prozent Recycling-Papier, sagt Pressesprecherin Anja-Maria Meister. Zum Wintersemester führte das Studentenwerk Oberfranken außerdem ein Mehrwegsystem für Kaffee- und Getränkebecher ein. Damit sei man als erste Hochschule in Deutschland auf dem Weg zum „wegwerfbecherfreien Campus“, so Meister. In Regensburg schmiedet man ähnliche Pläne: Dort will man nächstes Jahr einen Mehrwegbecher einführen.

Eigene Gremien, die sich um das Thema Nachhaltigkeit kümmern, können ebenfalls mehrere Hochschulen vorweisen, etwa Bayreuth, Würzburg und die LMU in München. Und an der Universität Regensburg wurde eine Stelle für Energiemanagement geschaffen, um die Hochschule „energieeffizienter, kostensparender und grüner zu gestalten“, wie es Pressesprecherin Margit Scheid formuliert. Die Regensburger Uni betreibt sogar eine eigene Turbine für Strom- und Wärmegewinnung, ein zusätzliches Blockheizkraftwerk ist geplant. Ein Drittel des Fuhrparks besteht inzwischen aus E-Autos, dazu gibt es auf dem Campus 17 Ladesäulen. E-Ladestationen bietet auch die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg an. Dort wurden unter anderem  eine neue Wärme- und Kälteversorgung installiert, die den CO2-Ausstoß um 8000 Tonnen verringere, informiert Pressesprecherin Katrin Piecha. Und in vielen Mensen, beispielsweise in Regensburg und Bayreuth, setzt man vorwiegend auf Lieferanten aus der Region und zum Teil auch auf Bio-Produkte.

Klimastreikwoche vom 25. bis zum 29. November

In der Forschung hat man den Klimawandel ebenfalls im Blick. Praktisch jede Hochschule kann hierzu zahlreiche Beispiele liefern. Die LMU beispielsweise verweist gern auf ihr interdisziplinäres „Rachel Carson Center“für Forschung und Bildung im Bereich der Umwelt- und Sozialwissenschaften. Und an der TU München bilde der Komplex Umwelt-Klima-Energie-Ressourcen seit Jahren eine Domäne, in der man interdisziplinär arbeite, sagt Pressesprecher Paul Hellmich: von den Natur-, Lebens- und Ingenieurwissenschaften über die Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und Medizin bis zum Immobilienmanagement der Uni-Standorte. „Etwa die Hälfte des Professorenkollegiums ist in Forschung, Lehre und internationalen Kooperationen an der größten fächerübergreifenden Schwerpunksetzung der TU München beteiligt“, berichtet Hellmich.

Nicht zu vergessen die Aktivitäten der Studenten, die etwa Klimaschutzwochen organisieren und eigene Gartenprojekte betreiben wie beispielsweise in Erlangen und Würzburg. Etliche Studentenorganisationen haben sich in den vergangenen Monaten und Jahren an bayerischen Universitäten gegründet, die sich speziell dem Thema Nachhaltigkeit widmen. In Erlangen arbeiteten mehrere Gruppen von Studenten sogar ein Klimaschutz- und Nachhaltigkeitskonzept für die gesamte Universität aus, das sie nächsten Montag offiziell der Universitätsleitung übergeben wollen. Auch bei der deutschlandweiten Klimastreikwoche vom 25. bis zum 29. November, zu der „Students for Future“ aufgerufen hat, wollen viele Studenten aus dem Freistaat mitmachen, etwa in  München, Bayreuth, Eichstätt, Erlangen und Würzburg. Sogar die Leitung der Hochschule München hat zur Teilnahme an der Aktionswoche aufgerufen – zwar nicht zum Streik, aber immerhin dazu, den Klimawandel in den Lehrveranstaltungen zu thematisieren.

Trotzdem findet Tobias Holle von „Students for Future“, dass das Thema Nachhaltigkeit an den Universitäten in den Kinderschuhen stecke: „Insgesamt ist es noch nicht im Mainstream angekommen. In vielen Universitäten hat sich die Einsicht noch nicht durchgesetzt, dass sie Vorreiter sein können, zum Beispiel in Sachen Gebäudebau. Da könnten sie deutlich mehr daraus machen.“ Außerdem würden in vielen Hochschulen immer noch gewaltige Mengen an Papier verbraucht, kritisiert der Aktivist. Und auch beim Umgang mit Energie sieht er Nachholbedarf.

Dass es Defizite gibt, räumt Lara Lütke-Spatz ebenfalls ein: „Es wäre schön, wenn man Wege finden könnte, um den Betrieb der Hochschulen bis 2030 klimaneutral zu gestalten“, sagt sie. Dabei müssten Hochschulleitungen und Staatsregierung an einem Strang ziehen. Auch das Thema Dienstreisen solle man dabei in den Fokus nehmen, wünscht sie sich. Wer weiß – vielleicht macht die Carbon-Reduced-Conference-Idee der LMU München ja bald Schule. 
(Brigitte Degelmann)

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