Man braucht schon einen hohes Maß an Optimismus und unerschütterlichen Glauben in das eigene Tun, um von solchen Zahlen nicht aus der Bahn geworfen zu werden. Knapp zwei Monate vor der Landtagswahl dümpelt die bayerische SPD in Umfragen irgendwo zwischen 12 und 14 Prozent. Wenn es ganz dumm läuft am 14. Oktober, rutscht die altehrwürdige SPD auf Rang 4 hinter die Grünen und die AfD ab. Spitzenkandidatin Natascha Kohnen lassen solche Wasserstandsmeldungen äußerlich unbeeindruckt. Schließlich seien rund 60 Prozent der Wähler derzeit noch unentschieden, wo sie am Wahltag ihr Kreuzchen machen werden. Der Landtagswahlkampf, folgert sie, sei „offen wie nie“.
Ja, man kann das so sehen. Der Blick in die jüngere und nicht mehr ganz so junge Geschichte Bayerns weckt aber Zweifel an Kohnens Hoffnungen. Zum einen hängt Bayerns SPD traditionell sehr stark am Bundestrend. Die weiß-blauen Genossen können erfahrungsgemäß noch so sehr strampeln – wenn die Bundespartei im Tief hängt, können sie sich vom Abwärtssog kaum abkoppeln. Die derzeit schlechten Umfragewerte erklärt Kohnen deshalb gerne mit den zuletzt schwierigen Jahren in der Bundes-SPD und der für die SPD komplizierten Situation in der großen Koalition mit einer irrlichternden Union. Mit Andrea Nahles als neuer Parteichefin habe sich die Lage nun stabilisiert, man sei aber „noch nicht aus dem Tal raus“.
Worunter Bayerns SPD zudem seit Jahrzehnten leidet, ist die fehlende Machtoption. Eine um sachliche Lösungen bemühte Partei, die schöne Pläne hat, aber keine echte Aussicht darauf, sie als stärkste Kraft in einer Regierung auch umzusetzen, ist für die Wähler auf Dauer nicht übermäßig sexy. Das letzte Mal verzeichneten die Genossen 2013 leichte Zugewinne, als der damalige Spitzenkandidat Christian Ude mit den Grünen und den Freien Wählern eine Art Oppositionsbündnis geschmiedet hatte, das zumindest theoretisch die Chance hatte, die CSU aus der Regierung zu vertreiben.
Diese Option fehlt heuer. Denn Hubert Aiwanger, Frontmann der Freien Wähler, strebt ganz klar eine Koalition mit der CSU an, sollte es für die nicht zur Alleinregierung reichen. Eine Mehrheit links der Mitte war in Bayern noch nie in Sicht. Seit Jahrzehnten deckt das „linke Lager“ stabil rund 35 Prozent der Wahlberechtigten ab – daran hat auch die massive Zuwanderung aus dem Norden und Osten Deutschlands nichts geändert. Nur in den 1960er-Jahren konnte die SPD dieses Potenzial voll ausschöpfen. Damals aber gab es noch keine Grünen, keine Linke – und keine AfD, die sich als neue Heimat für von Verdrängungsängsten geplagter Arbeiter und Rentner inszeniert.
TV-Duell mit Söder soll helfen
Kohnen will einen sachbezogenen Themenwahlkampf führen, ohne sich an CSU und Staatsregierung abzuarbeiten. Sie werde deshalb für jedes der von ihr benannten Probleme und Defizite auch einen Lösungsansatz präsentieren und gegebenenfalls mit Emotionen anreichern, kündigt Kohnen an. „Ich will in der Sache streiten, aber nicht hetzen, spalten und Ängste schüren.“ Im Vordergrund sollen Themen stehen, die die Menschen in Bayern tagtäglich berührten. Sprich die Wohnungsnot, die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und den Erhalt sicherer Arbeitsplätze in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung. Außerdem will sie Ministerpräsident Markus Söder beim Thema Europa stellen. Anders als dieser setzt Kohnen auf einen klar pro-europäischen Kurs. Die in Jahrzehnten erstrittenen gemeinsamen Werte und Freiheiten müssten gegen Nationalisten verteidigt werden.
Im Wahlkampfendspurt erhält Kohnen unerwartete Hilfe aus der SPD-Bundestagsfraktion. Wie Generalsekretär Uli Grötsch berichtet, haben sich an die 40 Abgeordnete spontan bereit erklärt, auf SPD-Terminen in Bayern aufzutreten. Motiviert habe sie dazu das „üble Auftreten“ der CSU-Matadore Horst Seehofer und Alexander Dobrindt im Flüchtlingsstreit. Diese Solidaritätsaktion gegen die Mehrheitspartei im Freistaat wertet Grötsch als „schöne Geste“. Grötsch plant weniger Großveranstaltungen, er setzt mehr auf kleinere Events im ganzen Land, wie dem eher kuscheligen Format „Kohnen PLUS“. Nahezu täglich hat die Spitzenkandidatin bis zur Wahl einen solchen im Kalender stehen. Und dann hofft Grötsch, dass es doch zu einem Fernseh-Duell zwischen Söder und Kohnen kommt. „Eine direkte Konfrontation wäre für uns sicher von Vorteil“, ist Grötsch überzeugt.
(Jürgen Umlauf )
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