Politik

08.10.2020

Kommunales Wahlrecht für alle: Sollen auch Nicht-EU-Bürger wählen dürfen?

Der Münchner SPD-OB Dieter Reiter fordert ein kommunales Wahlrecht für alle - unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Solch ein Wahlrecht wäre verfassungswidrig, erklärt dagegen Petra Guttenberger (CSU), Chefin des Rechtsausschusses im Landtag

JA

Dieter Reiter (SPD), Münchner Oberbürgermeister

Gerade in diesen Tagen, zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung, ist viel über den Zustand unserer Demokratie gesprochen worden. Und der Zustand unserer Demokratie ist besser, als manche glauben machen wollen. Partizipation an politischen Prozessen und Entscheidungen ist für mich dabei ein ganz wesentlicher Grundpfeiler unserer Demokratie. Wie aber sollen Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, die sich ehrenamtlich in Vereinen und Verbänden engagieren oder sich sonst aktiv um den gesellschaftlichen Zusammenhalt bemühen, sich als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft fühlen, wenn wir ihnen gleichzeitig verweigern, bei elementaren Themen, die sie direkt in ihrem alltäglichen Leben betreffen, mitzuentscheiden? Das gilt bereits für die Ebene der Bürgerentscheide und natürlich erst recht für Wahlen zum Stadtrat oder für die Wahl der Oberbürgermeisterin, des Oberbürgermeisters.

Alle Menschen, die in einer Stadt, in einer Kommune heimisch geworden sind, sollten die Möglichkeit haben, ihre Überzeugungen und ihre Perspektiven einzubringen. In den letzten Jahren entschieden sich die Münchner*innen in einem Bürgerentscheid für mehr Radwege, in einem anderen für das frühzeitige Abschalten des Kohlekraftwerks. Beides betrifft alle Menschen in unserer Stadt, egal, woher sie kommen. Wer fünf Jahre in Deutschland lebt, ist sicher nicht nur auf der Durchreise. Wir können viel über Integration und Willkommenskultur reden, aber wenn wir diesen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das elementarste Recht der Mitbestimmung weiter vorenthalten, werden sich diese Menschen nie ganz angenommen fühlen.

Der Stadtrat hat letzte Woche mehrheitlich seinen Willen bekräftigt, allen Menschen, die seit mindestens fünf Jahren ihren festen Wohnsitz in Deutschland haben und seit zwei Monaten in München leben, ein allgemeines kommunales Wahlrecht zu garantieren, also auch Nicht-EU-Bürger*innen. Dafür werde ich mich beim Bayerischen Städtetag erneut einsetzen. Und das aus Überzeugung.

NEIN

Petra Guttenberger (CSU), Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Bayerischen Landtag

Ein solches Wahlrecht wäre verfassungswidrig. In Deutschland darf nur wählen, wer Deutscher/ Deutsche im Sinne des Grundgesetzes ist. Wahlrecht und Staatsangehörigkeit gehören grundsätzlich zusammen. Gemäß Artikel 28 Grundgesetz gilt dies auch für Länder und Kommunen. Das betrifft sowohl die Teilnahme an Bundes- und Landtagswahlen als auch Volksentscheide oder Volksbegehren mit einer Ausnahme: Seit der Einführung der Unionsbürgerschaft im Vertrag von Maastricht haben EU-Staatsangehörige, die in einem anderen Mitgliedsland leben, das Recht, dort an Wahlen auf kommunaler Ebene teilzunehmen. Dass sich EU-Bürger in allen EU-Ländern passiv und aktiv beteiligen können, zeigt die besondere Bedeutung der gemeinsamen Europäischen Union. Derzeit gibt es rund 14 Millionen Menschen in der EU, die dieses Recht in Anspruch nehmen können.

Eine Ausweitung des Kommunalwahlrechts auf Nicht-EU-Bürger ist und bleibt verfassungswidrig. Für uns als CSU-Fraktion steht das Wahlrecht nicht am Anfang, sondern am Ende einer gelebten Integration. Jeder, der zum Beispiel den Stadtrat in München wählt, trifft eine Entscheidung von weitreichender politischer Bedeutung mit erheblichen Auswirkungen – von der eigenen Nachbarschaft bis weit in die Metropolregion. Das Wahlrecht setzt daher ein Bekenntnis zu unseren Grundwerten voraus. Integrationswillige haben in Deutschland nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts einen Anspruch auf Einbürgerung. Viele Menschen in unserem Land nehmen diese Möglichkeit alljährlich war und bekennen sich damit deutlich zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Menschen, die das gerade nicht wollen, können deshalb auch keinen Zugang zum Kommunalwahlrecht erhalten. Über gewählte Ausländer- und Integrationsbeiräte können aber auch Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ihre Interessen auf kommunaler Ebene wahrnehmen.

Kommentare (2)

  1. D. G. am 12.10.2020
    In Deutschland sollten nur deutsche Staatsangehörige aktives und passives Wahlrecht ausüben können. Nach wie vor besteht Europa aus einzelnen Staaten mir den jeweiligen Gesetzen, aber immer wieder gibt es solche Schlauberger, die meinen das Rad neue erfinden zu müssen, um evtl. Wähler auf ihre Spur zu bringen.

    Es steht jedem Bürger frei, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, dann hat er die von Herrn Reiter gewünschten Rechte.
  2. Gerdi Franke am 08.10.2020
    Bin ich dagegen. Nicht-EU-Bürger wählen meistens ihre Gruppenvertreter in irgendwelchen kleinen Parteien und nicht nach Politik und der Zukunft für unser Land und die Region. Die Interessen liegen nicht in den Kommunen, sondern nur in ihrem Bezugsumfeld. Und die Initiatoren dieser Diskussion geben politische regionale Interessen zugunsten von Wählerstimmen auf!
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