Politik

Blöd gelaufen: Seehofer wäre das Thema Studiengebühren gern rasch los - doch die FDP zickt. (Foto: Getty)

16.11.2012

Konsequent inkonsequent

Studiengebühren-Streit: Seehofer droht mit dem Ende der Koalition, sagt aber nicht, mit wem er dann weiterregieren will

Den roten Faden im Regierungshandeln der CSU suchen selbst eingefleischte Christsoziale vergeblich. Die Sprunghaftigkeit der Post-Stoiber-CSU ist mittlerweile legendär. Bei der Frage, wofür die CSU noch steht, guckt manch Schwarzer besorgt und bleibt die Antwort schuldig. Manchmal, sagt Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein der BSZ, „fällt es mir schwer, noch das konservative Profil zu erkennen“.
Letzte Etappe im christsozialen Slalom: der Schwenk bei den Studiengebühren. Seit klar ist, dass der Verfassungsgerichtshof keine rechtlichen Einwände hegt gegen ein Volksbegehren, ist die CSU in Hektik. Sie will sich die Blamage einer Niederlage vor der Landtagswahl ersparen und deshalb die leidigen Gebühren abschaffen – am liebsten sofort. Dass deshalb die Koalition mit der FDP in Gefahr gerät, scheint führende CSU-Leute nicht zu schrecken. Die Liberalen nämlich wollen nicht hinnehmen, dass plötzlich nicht mehr gelten soll, was 2005 in der CSU Konsens war. Damals wurde die Campus-Maut beschlossen und zwei Jahre später eingeführt.
Ähnlich kurvig ging es auch zu bei den Themen Rauchverbot, Arbeitszeit für Beamte, der Frage, ob Augsburg Uniklinikum wird oder dem G 8.

Blenden mit Wohltaten


All dies trug der Seehofer-CSU zwar den Vorwurf ein, ein wankelmütiger Verein zu sein. Und „Wankelmut“, ätzt FDP-Fraktionschef Thomas Hacker, „tut selten gut.“ Doch damit trifft Hacker den Sachverhalt nur zum Teil. Ungerecht, aber wahr: Nachhaltig geschadet hat das Hin und Her den Schwarzen bislang offenbar nicht. In Umfragen jedenfalls lag die Slalom-CSU in den letzten Monaten bei Werten zwischen 46 und 48 Prozent.
Während der Koalitionspartner FDP trotz konsequenten Festhaltens an liberalen Standpunkten nicht recht auf die Beine kommt: Fast zwei Jahre lang krebsten Bayerns Liberale bei Umfragewerten von 2 bis 4 Prozent herum, das Erreichen der 5-Prozent-Marke vor vier Wochen sorgte bereits für Überschwang.
Tatsächlich hat die FDP in den vergangenen vier Jahren in zentralen Bereichen einen Kurswechsel bayerischen Regierungshandelns initiiert: in der Bildungs-, der Asyl- oder Hochschulpolitik etwa. So setzten die Liberalen schulartübergreifende Modellschulen – so genannte Kooperationsschulen – durch, die auf dem Land den Erhalt von Real- oder Hauptschulstandorten sichern. Auch die Lockerung der Residenzpflicht von Asylbewerbern und der Ausbau der Asylsozialberatung geht auf das Konto der FDP. Im Bereich Hochschulen beschnitten sie den Einfluss des – FDP-geführten – Ministeriums, das seine Allmacht bei der Berufung von Uniprofessoren abgeben musste. Jetzt dürfen die Hochschulen entscheiden, welche Professoren sie haben wollen. Und eingetragene Lebenspartner haben im Bereich öffentlicher Dienst mit Blick auf Pensionsansprüche, Trennungsgelder und ähnliches auf FDP-Betreiben hin nahezu die gleichen Rechte wie traditionell Verheiratete. „Wer nicht für seine Überzeugungen kämpft“, erklärt FDP-Mann Hacker selbstbewusst, „hat in der Politik nichts verloren.“ Das will er jetzt auch am Beispiel Studiengebühren vorexerzieren. Die FDP war immer eine Befürworterin und will sich weiterhin als Gegenpart zum wankelmütigen Partner CSU präsentieren.

"Mir gehen die Argumente aus"


Dort plädieren nach Einschätzung von Landtagsinsidern höchstens noch 10 Prozent der Abgeordneten für die Beibehaltung des Studenten-Obolus. „Wir könnten den Volksentscheid gewinnen, wenn wir kämpfen und unsere Argumente vortragen“, glaubt ein fränkischer CSU-Mann. „Niemals“, kontert CSU-Fraktionsvize Alexander König. Er ist genervt, weil ihm Bürger vorhalten, die Studenten zu schröpfen, während für andere Dinge Geld da sei. „Mir gehen die Argumente aus“, klagt König.
Derweil denkt Regierungschef Seehofer nicht nur über eine Abschaffung der Studienbeiträge, sondern auch über eine kostenfreie Meisterausbildung nach. Wenn der Freistaat beides aus Haushaltsmitteln finanziert, würden knapp 300 Millionen Euro fällig. Altgediente CSU-Haushälter stöhnen: „Der Seehofer will jetzt nur noch eins: mit Wohltaten blenden.“

Die  Liberalen wollen lieber die Kleinen fördern


Konsequent wäre das Canceln der Gebühren für Studenten und Meister ohnehin nicht – die vielen anderen Wege der beruflichen Bildung wären davon nämlich nicht erfasst: Altenpflege- und andere Berufsfachschulen wären weiterhin gebührenpflichtig.
FDP-Fraktionschef Thomas Hacker hat errechnet, dass 600 bis 800 Millionen Euro nötig wären, um die berufliche Bildung komplett kostenfrei zu stellen. Sein Fazit: „Das bringt’s nicht.“ Lieber wollen die Liberalen dafür sorgen, dass die Chancen derjenigen verbessert werden, die noch am Anfang ihrer Bildungskarriere stehen: den ganz Kleinen. Mehr frühkindliche Förderung und Gratis-Kindergartenbesuch für alle lauten deshalb die Forderungen der Landtags-FDP. Doch auch das kostet Geld.
Für Zoff in der Koalition ist also weiter gesorgt. Dass es wegen der Gebühren zum Bruch kommt, wollen CSU-Leute nicht ausschließen. Interessant wäre, wen die CSU bei vorgezogenen Neuwahlen als möglichen Koalitionspartner benennt. Die FDP würde sich nach einem Scheitern des Bündnisses kaum eignen. Seehofer, stöhnt ein CSUler, „ist ein Spieler, der nicht bis zum Schluss denkt.“
(Waltraud Taschner)

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