Politik

Bayerische Staatskanzlei: Zwei Amtsperioden reichen, meint Markus Söder mit Blick auf die Regierungszeit bayerischer Ministerpräsidenten. (Foto: dpa)

25.05.2018

Kürzer regieren – eine CSU-Idee sorgt für Zoff

Warum die Opposition nach anfänglicher Zustimmung jetzt nichts mehr von Markus Söders Plan wissen will, die Amtszeit von Ministerpräsidenten zu begrenzen

Damals im Januar zog ein Schneesturm über dem fränkischen Kloster Banz auf, doch drinnen im barocken Ambiente hatten sie Frühlingsgefühle. Gleich zu Beginn der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion hatte der seinerzeit noch designierte neue Ministerpräsident Markus Söder die Schlagzeilen bestimmt, indem er eine Amtszeitbegrenzung für bayerische Regierungschefs auf zehn Jahre ankündigte. Die noch vom mühsamen Amtsverzicht des gerade gut neun Jahre regierenden Horst Seehofer müde CSU war begeistert. Die Wallungen reichten gar bis nach München, wo die Spitzen der Opposition in den Jubelchor einstimmten. Wenn sie Bedenken äußerten, dann nur davor, dass Söder nicht ernst machen würde, wenn er erst einmal in Amt und Würden ist.

In der Woche vor Pfingsten nun hat Söder seinen Innenminister Joachim Herrmann tatsächlich einen Gesetzentwurf zur Amtszeitbegrenzung für Ministerpräsidenten in den Landtag einbringen lassen. Diese sei ein „starkes Signal für die Begrenzung von Macht als wesentlicher Bestandteil von Demokratie“, erklärte Herrmann. Bayern wäre das erste Bundesland mit einer entsprechenden Regelung.

FW-Chef Aiwanger: Söder kann ja ein Volksbegehren starten

Nach den Äußerungen vom Januar hatte Söder die Zustimmung der Opposition zu dem Projekt längst eingepreist, schließlich braucht er sie für die nötige Änderung der bayerischen Verfassung. Voraussetzung dafür ist nämlich zunächst einmal eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag – wofür der CSU 19 Mandate fehlen. Dem Beschluss müsste ein Volksentscheid folgen, den Söder gleichzeitig mit der Landtagswahl im Oktober durchführen wollte.

Doch dazu wird es wohl nicht kommen. Schon in der Landtagsdebatte deuteten die Redner der Opposition grundlegende Bedenken an. Die frische Euphorie über Söders Vorschlag im Januar war längst verflogen, der nüchterne Blick mit etwas Abstand hat sachliche wie politische Risiken und Nebenwirkungen offenbart. „Wir sind sehr skeptisch und werden diesem Ansinnen nicht nähertreten“, kündigte der Freie Wähler Florian Streibl für seine Fraktion an. Die Begrenzung von Amtszeiten sei ein Merkmal präsidialer Systeme wie in Frankreich oder den USA, passe jedoch nicht zu einer parlamentarischen Demokratie, in der die Staatsspitze nicht direkt vom Volk, sondern dem Parlament gewählt werde. Wann in Bayern die Zeit für eine Regierung abgelaufen sei, sollte daher kein Gesetz, sondern der Wähler als Souverän entscheiden. So sah das auch die Grüne Ulrike Gote: „Ich möchte, dass letztendlich die Wählerin und der Wähler entscheiden, wer da vorne stehen muss.“

In der Tat ist es so, dass die meisten parlamentarisch verfassten Demokratien eine Amtszeitbegrenzung für ihre Regierungschefs nicht kennen. Dort gibt es zumeist Regelungen zu Rücktritt oder Abwahl, sollte der Regierungschef das Vertrauen im Parlament oder im Volk verloren haben. Im Freistaat regeln das die Artikel 18 und 44 der bayerischen Verfassung, die dazu sowohl eine Volks- als auch eine Parlamentsinitiative vorsehen. Länder dagegen, in denen der Staats- oder Regierungschef direkt vom Volk gewählt wird, haben oft nur sehr komplexe Vorgaben für eine Amtsenthebung. Als Gegengewicht zur extrem exponierten Stellung des Präsidenten gibt es dort – auch zur Vermeidung eines Personenkults – die Amtszeitbegrenzung.

Abgesehen von solch staatstheoretischen Bedenken verfolgt Söder nach Feststellung der Opposition seinen Plan zudem unter Vortäuschung falscher Tatsachen. Denn anders als von diesem suggeriert, enthält der Gesetzentwurf keine Begrenzung auf maximal zehn Jahre. „Wer das Amt des Ministerpräsidenten bereits zehn Jahre inne hatte, kann nicht wiedergewählt werden“, soll der neue Absatz 6 in Artikel 44 der Bayerischen Verfassung lauten. Im Klartext: Sollte Söder zum Beispiel – aus welchen Gründen auch immer – 2019 aus dem Amt ausscheiden müssen, könnte sein Nachfolger auch nach der Landtagswahl 2028 noch einmal für fünf Jahre gewählt werden, weil er da erst neun Jahre im Amt ist. Mögliche Gesamtamtszeit wären in diesem Fall 14 Jahre. Länger war in Bayern bisher ohnehin nur Alfons Goppel Regierungschef.

„Mit diesem Schritt täuscht Söder eine Demut gegenüber dem Volk vor, die ihm aber in Wahrheit völlig abgeht“, erklärt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. Für mehr Demokratie, zum Beispiel niedrige Hürden bei Volksbegehren oder ein bürgerfreundlicheres Petitionsrecht, sei die SPD immer offen, nicht aber für derartige „Symbolspielchen“. Der Fraktionschef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, glaubt, dass Söders Vorstoß nur dem Zweck diene, „die Hemmschwelle gegen seine erstmalige Wahl im Herbst zu senken, da ihm viele Wähler nicht über den Weg trauen“. Es lasse tief blicken, wenn sich Söder mit seiner Idee auf eine Stufe mit dem direkt gewählten amerikanischen Präsidenten stellen wolle.

Söder will an seinem Plan festhalten. „Eine Amtszeitbegrenzung ist ein Signal für Demokratie und Demut“, betont er und hofft auf ein Umdenken der Opposition. Nachdem diese im Januar ihre Zustimmung signalisiert habe, habe sie nun „offenbar der Mut verlassen“. Bei SPD, Grünen und Freien Wählern ist man aber fest entschlossen. Sie sehen in Söders Idee nur ein „populistisches Wahlkampfmanöver“, um die CSU-Aussichten beim Urnengang im Herbst zu verbessern. Dafür wollen sie mit ihren Stimmen im Landtag nicht auch noch Wegbereiter sein. Wenn es Söder wirklich ernst sei, dann solle er doch ein Volksbegehren starten, empfiehlt Hubert Aiwanger. Oder einfach dem Wahlvolk erklären, dass für ihn nach zehn Jahren definitiv Schluss sei.
(Jürgen Umlauft)

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