Politik

Die meisten Kliniken in Bayern sind nicht auf die Behandlung von Menschen mit Behinderung eingestellt. (Foto: dpa/Jörg Carstensen)

16.10.2020

Lebensgefahr im Krankenhaus

Kliniken sind nicht auf den Umgang mit behinderten Menschen eingestellt – Ex-Landtagspräsidentin Stamm will das ändern

Hildegard Metzgers Tochter ist mehrfach geistig behindert. Als die Schmerzmittel nach einer Operation nachließen, begann die 37-Jährige panisch mit den Fingern in ihren Wunden herumzubohren. Ihre Mutter musste sie eine Woche lang Tag und Nacht davon abhalten, die Verbände zu entfernen – das Krankenhauspersonal hatte dafür weder Zeit noch die nötige Erfahrung. „Bei der Entlassung hat sich das Personal bei mir bedankt, was es alles gelernt hat“, erzählte Metzger jetzt beim Fachgespräch „Menschen mit Behinderung im Krankenhaus“ im Landtag.

Die meisten Kliniken in Bayern sind nicht auf die Behandlung von Menschen mit Behinderung eingestellt – das kann lebensgefährlich sein. Die Lebenshilfe Bayern, die sich für die Belange von behinderten Menschen einsetzt und in deren Vorstand Metzger sitzt, berichtete von einem Patienten, der direkt nach einer Hüftoperation aus Angst aus dem Krankenhaus fliehen wollte. Oder von einer Patientin, deren Krebs nicht behandelt werden konnte, da es weder Angehörige noch Fachpersonal gab, um die behinderte Frau mit Missbrauchserfahrung zu begleiten.

"Wir sind in einem auf möglichst hohe Effizienz gedrillten System gefangen"

„Es ist nicht kurz vor, sondern kurz nach zwölf“, warnte die bayerische Lebenshilfe-Chefin und ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU). Die Situation habe sich nicht nur wegen Corona extrem zugespitzt. Damit Kliniken behinderte Menschen endlich besser versorgen können, hat sie beim Landtag eine Petition eingereicht, in der eine geschulte Assistenz für behinderte Menschen in Krankenhäusern gefordert wird. Außerdem soll der Umgang mit ihnen in die Prüfungsordnung für medizinisches Personal aufgenommen und an Kliniken professionalisiert werden.

Die Bayerische Krankenhausgesellschaft unterstützt die Petition. Es sei nicht so, dass die Probleme in den Krankenhäusern nicht bekannt wären, versicherte eine Vertreterin bei der Anhörung. Warum sich die Situation für behinderte Menschen dennoch nicht verbessert, machte Landesärztekammer-Vize Andreas Botzlar deutlich: „Wir sind in einem auf möglichst hohe Effizienz gedrillten System gefangen.“ Es fehle an Zeit, an Geld und an ausreichend qualifiziertem Personal.

Ob die Lebenshilfe Bayern dagegen etwas ausrichten kann? Die Petition wurde immerhin von den Fraktionen einstimmig befürwortet. Auch die Staatsregierung in Person von Gesundheitsstaatssekretär Klaus Holetschek (CSU) versprach „volle Unterstützung“ und eine regelmäßige Information des Landtags über das Vorankommen. Zusätzlich wird bereits im Bundesrat und auf Bundesebene an Lösungen gearbeitet. Für Hildegard Metzger und ihre Tochter bleibt zu hoffen, dass eine Einigung trotz des Rückenwinds zum Schluss nicht an der Frage scheitert, wer das alles bezahlen soll. (David Lohmann)

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