Politik

Etliche Hopfenbauern suchen verzweifelt nach Helfern, da osteuropäische Arbeiter wegen der Corona-Krise nicht kommen können. (Foto: dpa/Armin Weigel)

09.04.2020

Mehr Helfer als Hilfesuchende

Mit Blick auf die Corona-Krise bieten zurzeit viele Menschen ihre Unterstützung an – für alle möglichen Bereiche

In diesen Tagen denkt Uli Glaser manchmal an das Jahr 2015 zurück – als über eine Million Flüchtlinge und Migranten nach Deutschland kamen, was eine denkwürdige Welle an Hilfsbereitschaft auslöste. Auch jetzt haben sich bei der Stabsstelle Bürgerschaftliches Engagement in Nürnberg, die Glaser leitet, zahlreiche Menschen gemeldet, die in der Corona-Krise ehrenamtlich helfen wollen. „Bestimmte Situationen mobilisieren offenbar eine zutiefst erfreuliche Solidarität“, sinniert der Leiter der Stabsstelle.

Das zeigt sich auch im Internet, wo unzählige Menschen binnen kürzester Zeit Unterstützung anboten, etwa in Facebook-Gruppen oder auf Portalen wie nebenan.de und yoopies. Der Haken daran: Viele Hilfsbedürftige seien schon älter und nicht sonderlich internetaffin, sodass sie solche Offerten häufig nicht zu Gesicht bekämen, sagt Glaser. Das wollen er und seine Mitarbeiter ändern. Deshalb bauten sie vor zwei Wochen an der Stabsstelle eine Corona-Hilfe-Hotline auf, die von Montag bis Samstag jeweils von 10 bis 18 Uhr besetzt ist. Hier können sich Nürnberger, die Unterstützung brauchen, ebenso melden wie potenzielle Helfer, deren Angaben in einer Datenbank gesammelt werden. Flattert ein Notruf herein, können Glaser und seine Mitarbeiter schnell aktiv werden.

Bisher funktioniert die Vermittlung oft binnen weniger Stunden. Gut 220 potenzielle Helfer sind momentan registriert – weit mehr als Hilfesuchende. „Das Verhältnis liegt bei etwa drei zu eins“, sagt Glaser. Bei den Bitten um Unterstützung geht es meist um Einkaufhilfen. Oder darum, einen Hund auszuführen. Manches Ansinnen bringt die Hotline-Mitarbeiter auch zum Schmunzeln. Etwa der Anruf einer älteren Dame, die verzweifelt versuchte, ihren neuen Fernseher zum Laufen zu bringen, bei dem die Sprache unglücklicherweise auf Estnisch programmiert war. Selbst hier konnte die Nürnberger Stabsstelle helfen. Denn in ihrer Datenbank finden sich Freiwillige mit IT-Kenntnissen, und einer von ihnen sorgte dafür, dass das widerspenstige Gerät endlich gefügig wurde.

Den neuen Fernseher programmieren? Auch dafür gibt’s Hilfe

In Regensburg sammelt das städtische Koordinierungszentrum Bürgerschaftliches Engagement (KoBe) Anfragen von Freiwilligen, die sich während dieser Krisen-Wochen engagieren wollen. Mehr als 850 Menschen hätten sich schon gemeldet, berichtet KoBe-Mitarbeiterin Marina Brückner: „Die Hilfsbereitschaft ist enorm.“ Auch hier setzt man auf die Vermittlung klassischer Nachbarschaftshilfen: Einkäufe erledigen, Medikamente besorgen, mit dem Vierbeiner Gassi gehen. Und auf telefonische Besuchsdienste: also Menschen, die regelmäßig andere anrufen und sich mit ihnen unterhalten, um zu verhindern, dass diese vereinsamen.

Ein gefragtes Modell gerade während dieser Pandemie, bei der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen großgeschrieben werden. Kein Wunder, dass solche Besuchsdienste per Telefon auch in anderen Städten ausgebaut werden. In München beispielsweise sind die Telefon-Engel der Aktion „Retla“ täglich von 8 bis 22 Uhr erreichbar, die vor allem ältere Menschen im Blick haben. Und das Freiwilligen-Zentrum Augsburg hat ebenfalls einen telefonischen Besuchsdienst etabliert. „Es ist wichtig, dass man im Gespräch bleibt, dass man Ansprache hat“, sagt Birgit Burkart von der Einrichtung, „gerade für diejenigen, die alleinstehend sind und sonst niemanden zum Reden haben.“

Auch in dem Augsburger Zentrum registriert man zahlreiche Anfragen von Ehrenamtlichen, die sich während der Pandemie engagieren wollen. Mehr als 1150 Freiwillige hätten sich gemeldet, sagt Burkart. Die Zahl der Hilfsgesuche nimmt sich dagegen verschwindend gering aus: Gerade mal 72 Haushalte hätten bisher um Unterstützung gebeten, wobei es meist um Einkaufs- und Fahrdienste ging.

Helfen könne man auch Vereinen und anderen Organisationen, wenn dort etwa Freiwillige ausfielen, weil sie zu Risikogruppen gehörten. Vor allem bei den Tafeln war das in den vergangenen Wochen der Fall. Bundesweit mussten viele Ausgabestellen schließen, weil sich ihre meist älteren Freiwilligen nicht mehr der Gefahr einer Ansteckung aussetzen wollten. In Augsburg hingegen konnte die Lebensmittelausgabe der Tafel nach einer Pause in dieser Woche wieder aufgenommen werden, berichtet Birgit Burkart – auch dank der Unterstützung des Freiwilligen-Zentrums und der Stadt.

In anderen bayerischen Städten gibt es ebenfalls Freiwilligen-Zentren, die in der Corona-Krise Unterstützung vermitteln, etwa in Bamberg, Bayreuth, Garmisch-Partenkirchen, Günzburg, Klein-ostheim, München, Neusäß, Neustadt/Aisch, Oberammergau, Ottobrunn, Sonthofen und Straubing. Auch Vereine kümmern sich darum, Helfer und Hilfsbedürftige zusammenzubringen, beispielsweise die Freiwilligen-Agentur „Tatendrang“ in München.

Wem das nicht genügt, der kann sich noch anderweitig engagieren. Das Bayerische Rote Kreuz etwa braucht gerade jetzt dringend Blutspenden.

Und etliche Landwirte suchen verzweifelt nach Helfern, da osteuropäische Arbeiter wegen der Corona-Krise nicht kommen können. Gerade für die Spargelernte oder für Arbeiten bei Hopfenbauern werde momentan dringend Unterstützung benötigt, sagt Guido Krisam, Pressesprecher des Bundesverbands der Maschinenringe mit Sitz in Neuburg an der Donau, der zusammen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium die Vermittlungsplattform „Das Land hilft“ gegründet hat. Mit erstaunlichem Erfolg: Bundesweit, sagt Krisam, hätten sich dort schon mehr als 50 000 potenzielle Helfer registrieren lassen.
(Brigitte Degelmann)

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