Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) wollen rund 1500 weitere Migranten von den griechischen Inseln in Deutschland aufzunehmen. Dabei handelt es sich um 408 Familien mit Kindern, die in Griechenland bereits als schutzbedürftig anerkannt wurden. Nur ein Teil von ihnen lebte zuletzt in dem Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, das vergangene Woche abgebrannt war. Nach dpa-Informationen ist der Vorschlag mit der griechischen Regierung bereits besprochen worden.
Ob die SPD dem zustimmen wird, war zunächst noch offen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte gefordert, Deutschland müsse zusätzlich zu den bereits gemachten Hilfsangeboten mehrere Tausend Geflüchtete aus Griechenland aufnehmen. Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte am Dienstag "eine schnelle Aufnahme von 5000 Menschen". Sie freue sich zwar für jeden Menschen, der den katastrophalen Zuständen entkommen könne, teilte Göring-Eckardt mit. "Aber die Aufnahme von 400 Familien, die bereits positive Asylentscheidungen haben, ist ein Alibi-Angebot."
Die griechischen Behörden gehen davon aus, dass das seit Jahren heillos überfüllte Flüchtlingslager Moria vergangene Woche von Migranten angezündet worden war. Fünf mutmaßliche Brandstifter wurden festgenommen. Zuvor war die Situation dort eskaliert, nachdem mehrere Asylbewerber positiv auf das Coronavirus getestet worden waren.
Innenministerium schickt Delegation nach Lesbos
Seehofer hatte am Freitag mitgeteilt, Deutschland werde von insgesamt 400 unbegleiteten Minderjährigen, die aus Griechenland in andere europäische Länder gebracht werden sollen, 100 bis 150 Jugendliche aufnehmen. Zudem betonte er, man wolle dann in einem zweiten Schritt mit Athen über die Aufnahme von Familien mit Kindern sprechen. Das Bundesinnenministerium will eine Delegation nach Lesbos schicken, um zu schauen, wer am dringendsten Schutz benötigt. Ziel sei es, bei der Auswahl "objektive Kriterien" anzuwenden, "damit keine unkontrollierbaren Folgewirkungen entstehen", hieß es aus dem Ministerium. Seehofer will am Mittwoch noch vor der allwöchentlichen Kabinettssitzung im Innenausschuss des Bundestages Auskunft zur geplanten Hilfe für die Geflüchteten geben.
Die griechischen Behörden haben - abgesehen von den 400 unbegleiteten Minderjährigen - offiziell bislang nicht um die Aufnahme der nun obdachlos gewordenen Menschen in anderen EU-Staaten nachgesucht. Es besteht die Befürchtung, dass Migranten auf anderen Inseln Lager anzünden, um zu erzwingen, von dort weggebracht zu werden. Stattdessen wird auf Lesbos ein Zeltlager gebaut, in dem die obdachlosen Menschen erst einmal unterkommen sollen. Viele von ihnen zögern jedoch, einzuziehen. Stand Dienstagmorgen waren rund 800 Migranten in dem Lager aufgenommen, das mittlerweile Platz für rund 5000 Menschen bietet, wie der griechische Staatssender ERT berichtete.
Viele der Menschen haben Angst, im Lager eingesperrt zu werden, so gut wie alle hoffen auf eine Umsiedlung auf das griechische Festland oder in ein anderes europäisches Land. Tatsächlich sehen sich die griechischen Behörden allein schon wegen Corona dazu gezwungen, jene, die ins Lager ziehen, vorerst nicht mehr hinaus zu lassen. Bei ihrem Einzug werden die Migranten getestet, bis zum Dienstagmorgen sollen 21 Corona-positive Menschen isoliert worden sein. Jeder, der das Lager anschließend verließe, müsste bei seiner Rückkehr erneut getestet werden.
Söder: "ein guter Kompromiss"
CSU-Chef Markus Söder unterstützt den Vorschlag von Merkel und Seehofer zur Aufnahme weiterer 1500 Migranten. Dies sei ein "sehr guter Kompromiss", sagte der bayerische Ministerpräsident. Der Kompromiss zeige, dass man die Pflicht wahrnehme, zu helfen, dass man der Verantwortung gerecht werde. Und zusätzlich sei dies verbunden mit der Idee, dass die EU dort ein eigenes Aufnahmezentrum etabliere. Dies wäre auch ein wichtiger Schritt hin zu einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik.
Söder rief alle Beteiligten auf, dem Kompromiss zuzustimmen. Es sollten sich alle daran beteiligen "und es nicht wieder zerreden". "Natürlich ist es für die einen nie genug, für die anderen schon vielleicht eine relativ hohe Zahl", sagte er. Deshalb sei dies nun ein guter Kompromiss. "Wir sollten doch einfach unserer Pflicht, zu helfen, an der Stelle einfach nachkommen, selbst wenn andere sich im Moment noch schwertun", sagte Söder mit Blick auf die zögerliche Haltung der Mehrheit der EU-Länder.Söder kritisierte zudem die nationale Debatte und immer neue Zahlen-Forderungen in den vergangenen Tagen, wie viele Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden sollten. Es sei "etwas unglücklich" gewesen, dass jeder "mit irgendwelchen Zahlen hausieren gegangen ist". "Das hilft niemand." (dpa)
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