Fast 20 Prozent der 12,6 Millionen Menschen im Freistaat haben einen Migrationshintergrund – in Schweinfurt lebt sogar in jedem zweiten Haushalt ein Bürger mit ausländischen Wurzeln. Die Stadt hat daher bereits seit vielen Jahren eine Stabsstelle mit drei Beschäftigten im Bereich Integration. „Wichtig dabei ist seit jeher auch die Öffnung der Verwaltung“, sagt der Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) der Staatszeitung. So würden Beschäftigte beispielsweise in Seminaren für die Belange der Integration sensibilisiert, innerhalb der Stadtverwaltung wird gezielt um qualifizierte Migranten geworben – mit Erfolg. Mittlerweile liegt der Anteil der Auszubildenden mit Migrationshintergrund bei über 20 Prozent. Derlei Best-Practice-Beispiele gibt es häufig im Freistaat.
Viele Restaurants, Hotels und Mittelständler bilden Fachkräfte aus aller Welt aus – „nicht wegen ihres Migrationshintergrunds, sondern wegen ihrer guten Leistungen“, betont Markus Salb vom Faserverbundtechnikbetrieb Mayr aus Rosenheim. Und der Global Player Sogeclair Aerospace, ein Ingenieurdienstleister, lockt Tausende Hochqualifizierte mit Deutschkursen, Hilfe bei Behördengängen und Unterstützung für die Familie nach Bayern. Allein der Maschinenkonzern Bauer aus Schrobenhausen beschäftigt über 10 000 Mitarbeiter aus 80 unterschiedlichen Nationen.
Müller: „Viele Migranten sind inzwischen Leistungsträger unserer Gesellschaft“
„Viele Migranten sind inzwischen Leistungsträger unserer Gesellschaft“, frohlockt Sozialministerin Emilia Müller (CSU). Zudem zeige sich durch ehrenamtliche Hausaufgabenbetreuung, Hilfe bei der Wohnungssuche oder das Engagement von Sportverbänden, Kulturvereinen und Unternehmen für Migranten vor Ort: „In Bayern gelingt die Integration.“ Das stellen regelmäßig auch die Preisträger des bayerischen Integrationspreises unter Beweis, der heuer unter dem Motto „Integration? Ehrensache“ ausgelobt wird. Dennoch: Die Willkommenskultur ist auch in Bayern noch verbesserungsbedürftig.
Derzeit haben bayernweit 11,3 Prozent der Menschen im öffentlichen Dienst ausländische Wurzeln. Im Ländervergleich liegt der Freistaat damit auf Platz drei. In der bayerischen Wirtschaft liegt der Migrantenanteil bei 20 Prozent. Nach Angaben des Integrationsmonitorings der Länder sind in Bayern insgesamt drei Viertel aller Menschen mit Migrationshintergrund erwerbstätig – fast fünf Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Die Staatsregierung will in den nächsten Jahren weitere 4,6 Millionen Euro aus dem europäischen Sozialfonds in das Programm „Aktivierung und Grundqualifikation von Menschen mit Migrationshintergrund“ investieren.
Lob für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt kommt von den Freien Wählern im Landtag. Der Abgeordnete Hans Jürgen Fahn mahnt aber auch; „Integration bedeutet auch gleiche Löhne und gleiche Arbeitsbedingungen.“ Dafür bedürfe es neben weiterer staatlicher Förderprogramme einer schnelleren Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Großen Nachholbedarf sieht er auch im öffentlichen Dienst – insbesondere in der Verwaltung, im Gesundheitswesen und im Bildungssystem. „Da gibt es noch viel zu tun“, bestätigt der Geschäftsführer des Integrationsbeirats einer oberpfälzischen Stadt. In Gemeinden, Landkreisen und Bezirksregierungen liege die Migrantenquote unter den Beschäftigten verheerend niedrig: bei unter einem Prozent.
Die SPD will ein Integrationsgesetz: "Bloße Lippenbekenntnisse bringen nichts"
Der SPD-Integrationssprecher Arif Tasdelen fordert daher schon seit Monaten ein Integrationsgesetz. Dieses soll die interkulturelle Öffnung der Verwaltung und flächendeckende Schulungen für die Mitarbeiter vorantreiben. „Bloße Lippenbekenntnisse bringen uns nicht weiter“, sagt er in Richtung des inzwischen bei der Staatskanzlei angesiedelten Integrationsbeauftragten Martin Neumeyer (CSU). Dieser hält die Willkommens- und Anerkennungskultur zwar ebenfalls für verbesserungsfähig: „Es fehlt in Bayern und Deutschland noch an der Mentalität, in Zuwanderung und Integration Chance und Notwendigkeit zu sehen“, erläutert Neumeyer. Doch statt eines Integrationsgesetzes spricht er sich für ein System der „Integrationsguides“ und „Patenschaften“ aus. „Denn wenn es bei Migranten mancherorts noch an Teilhabemöglichkeiten mangelt, liegt das an Orientierungsproblemen und Informationsdefiziten“, meint Neumeyer.
Die integrationspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Christine Kamm, fordert mehr Sprach- und Integrationskurse. „Wer arbeiten will, braucht jeden Tag und nicht nur einmal pro Woche einen Deutschkurs.“ Doch das Ziel, Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen, werde von manchen Ausländerbehörden unterlaufen, klagt Kamm.
Auch der bayerische Industrie- und Handelskammertag drängt die Politik zur Eile: „Das beeindruckende Wirtschaftswachstum ist ohne ausländische Fachkräfte nicht zu stemmen“, mahnt Hauptgeschäftsführer Peter Driessen. Präsident Eberhard Sasse verlangt ein „deutsches Zuwanderungssystem“ für Nicht-EU-Bürger sowie regionale Welcome Center zur besseren Integration vor Ort. Außerdem müsse die Politik klarmachen, „dass ausländische Fachkräfte in Bayern willkommen sind“ – und dazu gehörten nicht nur Hochqualifizierte. (David Lohmann)
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