Politik

Stress am Arbeitsplatz - immer mehr Beschäftigte greifen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten. (Foto: dpa)

18.03.2015

Millionen Dopen im Job

Immer mehr Beschäftigte in Deutschland greifen zu Aufputschmitteln

Wer kennt das nicht? Der Leistungsdruck nimmt stetig zu, die Vorgaben und Kontrollen des Chefs werden härter - und es ist kaum Besserung in Sicht. Dann braucht man etwas, das einen aufbaut. In dieser Stresssituation greifen mehr und mehr Beschäftigte zu Aufputschmitteln. Bis zu fünf Millionen haben schon einmal verschreibungspflichtige Medikamente zur Stimulierung genommen, ohne krank zu sein, so eine Schätzung der Krankenkasse DAK-Gesundheit. Sie versuchen so, ihr geistiges Leistungsvermögen zu stimulieren, um länger durchzuhalten, sie betreiben Hirndoping.  
Eine Million - oder ein bis zwei Prozent der Beschäftigten - tun dies inzwischen regelmäßig. Das scheint zunächst nicht viel. Allerdings lässt die Entwicklung in den USA, wo sich je nach Studie bis zu 35 Prozent der Beschäftigten dopen, nachdenklich stimmen. Dies könnte auch zu einer Gefahr für Deutschland werden.  
Falls es gelingen sollte, Medikamente mit leistungssteigender Wirkung zu entwickeln, die weniger Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken aufweisen, könnte sich der Konsum deutlich erhöhen. Das könnte dann ein lukrativer Markt werden.  

Hemmschwelle ist nicht so hoch wie bei illegalen Drogen

Nun könnte man sagen, die Menschheit hat schon immer Aufputschmittel genommen - Koffein zum Wachbleiben, Alkohol und Zigaretten zum Runterkommen, um nur die gängigsten zu nennen. Doping war bis in die 1970er Jahre gesellschaftlich akzeptiert und frei zugänglich. Daher gibt es heute auch eine relativ große Akzeptanz bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Auch ist die Hemmschwelle nicht so hoch wie bei illegalen Drogen. Denn der Arzt muss ja schließlich wissen, was er verschreibt.  
Ärzte gehören laut DAK-Angaben zu den wesentlichen Bezugsquellen für stimulierende Arzneimittel auf Rezept, ebenso wie Kollegen, Freunde, Familie und vor allem auch der Versandhandel. Der Handel über das Internet - und der nimmt zu - ist aber sehr riskant, da viele Fälschungen unterwegs sind.  
Die Verschreibung durch einen Mediziner beginnt dagegen in der Regel ganz harmlos. Zum Beispiel erbittet ein Student vom Arzt etwas gegen seine massive Prüfungsangst, damit er nicht nochmals durchfällt. Derartige Patientenwünsche würden schon mal erfüllt, sagt Hans-Dieter Nolting, der die DAK-Studie betreute. Studenten seien im übrigen die wichtigste Gruppe unter den Konsumenten von verschreibungspflichtigen stimulierenden Arzneimitteln. Allerdings dürfte bei ihnen die Grenze zwischen Stress beim Lernen und Spaß bei der Party fließend sein, meint Nolting.  

Nebenwirkungen werden unterschätzt

Die Wirkung des Hirndopings wird laut DAK über- die Nebenwirkung unterschätzt. Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Nervosität und Schlafstörungen sind noch die harmloseren Folgen. Es kann auch zu Abhängigkeit und Persönlichkeitsveränderungen kommen. Wirkung und Nebenwirkung stehen langfristig in keiner Relation zum Nutzen - im Gegenteil, je häufiger man sich so stimuliert, umso wahrscheinlicher endet das im Burn-out, macht Nolting deutlich.  
DAK-Chef Herbert Rebscher berichtet, die Quote der Beschäftigten, die Medikamente zur Leistungssteigerung oder Stimmungsverbesserung genommen haben, steige mit abnehmender Qualifizierung. "Doping am Arbeitsplatz ist mittlerweile beim Otto Normalverbraucher angekommen", sagt Rebscher.

SPD fordert Konsequenzen

Die Landtags-SPD fordert Konsequenzen. Die sozialpolitische Sprecherin Angelika Weikert verlangt vond er Staastregierung Initiativen zur Eindämmung der Leiharbeit und des Missbrauchs von Werkverträgen auf Bundesebene zu unterstützen. "Wer von seiner Arbeit kaum seine Familie ernähren kann und dann noch nicht einmal weiß, ob er im nächsten Monat überhaupt noch eine Arbeitsstelle hat, steht unter unheimlichen Druck. Diese Menschen müssen wir entlasten!", sagt sie. Etwa zehn Prozent der Beschäftigten könnten sich vorstellen, in Stresssituationen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten zu greifen. Mit abnehmender Arbeitsplatzsicherheit nimmt die Bereitschaft zu dopen zu. Weikert: "Wir brauchen die Trendwende zurück zu mehr Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt. Dazu zählen die Steigerung der Tarifbindung, klare Regeln bei der Leiharbeit und ein konsequentes Vorgehen gegen den Missbrauch von Werkverträgen." (dpa/ BSZ)

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