Politik

Drogenkonsumräume sind keine rechtsfreien Bereiche. (Foto DDP)

06.08.2010

Mit Brachialrhetorik gegen Fixerstuben

Opposition und die FDP fordern Drogenkonsumräume für Bayern - die CSU ist entsetzt

Es gibt Themen, die würde Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) am liebsten im Keim ersticken. Die Drogenkonsumräume (DKR) zählen dazu. In diesen Einrichtungen dürfen in sechs Bundesländern Schwerstabhängige unter Aufsicht Narkotika injizieren. Studien belegen, dass dort die Zahl der Drogentoten zurückgeht. Söder aber lehnt sie für den Freistaat ohne tiefergehende Argumente als „faktisch rechtsfreie Räume“ ab. Ob er sich mit dieser Basta-Rhetorik auf Dauer durchsetzen wird, ist fraglich: Abgesehen von der CSU fordern nämlich die anderen vier Landtagsfraktionen Drogenkonsumräume. Schnellen Handlungsbedarf sehen auch der Paritätische Wohlfahrtsverband als Dachverband zahlreicher Drogenhilfeeinrichtungen und die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Kontaktläden.


17 Drogentote in Nürnberg allein in diesem Jahr

 
Seit drei Jahren steigt dort die Zahl der Drogentoten stetig. Das Gleiche gilt nach Angaben des Gesundheitsministeriums für den ganzen Freistaat: 191 (2006), 231 (2007), 247 (2008) und 250 (2009). Für das Jahr 2010 investiert der Freistaat laut Söder 7,6 Millionen Euro in die Suchtprävention. Dennoch haben bislang Aufklärung und Beratung, Drogennotfalltrainings, Hotline und Spritzenvergabe nicht verhindern können, dass immer wieder leblose Konsumenten in öffentlichen Parkanlagen und Toiletten Bayerns aufgefunden werden.
Deshalb würde man in Nürnberg und auch in München gerne dem Beispiel des immerhin konservativ regierten Frankfurts folgen. Dort gibt es bereits seit den 1990er Jahren DKR – mit Erfolg, wie unter anderem eine wissenschaftliche Studie des renommierten Suchtexperten Heino Stöver belegt. Demnach ist keine der mehr als 8000 schwe-
rstabhängigen Personen, die zwischen 1994 bis 2008 die vier DKR der Mainmetropole aufsuchten, bisher verstorben.
Die Ansteckungen mit Hepatitis C und AIDS sind laut Stöver deutlich gesunken, weil in den Räumen sterile Spritzen ausgeteilt werden. Impfungen werden angeboten, Therapieplätze vermittelt. Und immer wieder bewahrt die Notfallversorgung des geschulten Personals vor dem sicheren Tod.
Auch Söders Vorwurf der rechtsfreien Räume zielt ins Leere. Dazu reicht ein Blick in die Frankfurter „Verordnung über die Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen“ – ähnlich lauten auch einschlägige Richtlinien für die bundesweit 16 DKR in Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland: Demzufolge darf in den umgangssprachlich auch Fixerstuben genannten Anlaufstellen nicht gedealt werden.
In allen sechs Bundesländern arbeiten die DKR eng mit den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden zusammen. Dies kann sich auch Nürnbergs Oberstaatsanwalt Wolfgang Gründler vorstellen, sollte es in Bayern künftig DKR geben und eine entsprechende Kooperationsvereinbarung festgelegt werden.
Nichtsdestotrotz sind die DKR für die CSU offenbar Teufelszeug. Ihr gesundheitspolitischer Sprecher Thomas Zimmermann sieht in ihnen eine „unzumutbare Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bürger“. Im Übrigen seien sie überflüssig, weil andere „leicht erreichbare Hilfen für Drogenabhängige“ angeboten würden.
Der Koalitionspartner FDP ist mal wieder abweichender Meinung. Für Fraktionschef Thomas Hacker sind Schwerstabhängige Kranke, die der Fürsorge der Gesellschaft bedürfen. „Drogenkonsumräume können neben anderen Maßnahmen ein geeignetes Mittel sein, um von der Sucht loszukommen“, hält er grundsätzlich fest. Damit befindet er sich in ideologischem Einklang mit seiner Parteikollegin und Bundesdrogenbeauftragten Mechthild Dyckmans. Was Hacker zu einer möglichen Umsetzung in Bayern sagt, klingt indes wenig optimistisch: „CSU und FDP haben sich im Koalitionsvertrag verpflichtet, nur bei inhaltlicher Übereinstimmung parlamentarische Initiativen zu ergreifen.“ Aus diesem Grund werde man über DKR zunächst innerhalb der Koalition diskutieren.
Dem wollen die übrigen Fraktionen vorgreifen und positionieren sich eindeutig pro DKR. Sabine Dittmar, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, hält Söders Position für „billige Stimmungsmache“. In den DKR herrschten klare Regeln. Letzteres betont auch Theresa Schopper, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Ihre Fraktion hat im Landtag einen Antrag zur „Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen in Bayern“ eingereicht.
Für eine „Frage der Menschenwürde und Humanität“ hält Karl Vetter, der gesundheitspolitische Sprecher der Freien Wähler, die DKR. Allerdings nicht flächendeckend, erst nach genauer Abwägung und mit Zustimmung der Kommunen.
Letztere können bislang keine DKR einrichten, weil dazu die Landesverordnung fehlt. Dabei ermächtigt der Bundesgesetzgeber in Paragraf 10 des Betäubungsmittelgesetzes die Landesregierungen zum Betrieb von Drogenkonsumräumen. Ob auch Bayern eine solche Landesverordnung bekommen wird, ist offen. Eine ernsthafte Diskussion steht noch aus. (Alexandra Kournioti)

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