Politik

Soll man Geimpfte mit Privilegien belohnen? Darüber gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen. (Foto: dpa/Frank Molter)

08.01.2021

Mit Pieks zum Sport und ins Kino

Was sollen Geimpfte künftig dürfen? Der Streit darüber ist in vollem Gange, selbst der Ethikrat ist gespalten

Streiten kann man seit Corona über alles Mögliche. Im Moment zum Beispiel über die Frage, was nach einer Impfung zu erwarten ist. Sollte man Geimpfte mit gewissen Freiheiten und Privilegien belohnen? Und so ganz nebenbei Anreize schaffen, sich impfen zu lassen? Oder käme das einer indirekten Impfpflicht gleich, eingeschlichen durch die Hintertür, wie Impfgegner befürchten?

Angesichts des Mangels an Impfdosen wirken solche Überlegungen zwar gerade ziemlich optimistisch – ganz abgesehen davon, dass noch längst nicht klar ist, ob Geimpfte das Virus übertragen können und wie lange der Impfschutz wirklich anhält. Diese Fragen müssen geklärt werden. Damit man ein bisschen positiver in die Zukunft blicken kann. „Wenn ich mich schon der Gefahr einer Impfung aussetze“, hört man zurzeit häufig, „möchte ich wenigstens wieder ins Restaurant gehen können!“
Ein „freedom pass“, wie ihn der britische Premierminister Boris Johnson im November ins Spiel gebracht hat, klänge da tatsächlich erst mal verlockend. Ein Doppelpieks, ein kleines Dokument: Und schon könnte man wieder anständig Geburtstag feiern, zur Filmpremiere gehen oder einander um den Hals fallen. Eine tolle Sache, kein Zweifel. Aber wäre es ethisch vertretbar, Geimpfte derart zu bevorteilen?

Die Debatte erinnert an eine andere im Sommer: die Diskussion über den Immunitätsausweis. Damals sprach sich der Deutsche Ethikrat zwar gegen den Einsatz staatlich kontrollierter Immunitätsbescheide aus, war sich aber uneins. Die Hälfte der Ratsmitglieder, darunter auch der Münchner Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin, kam zum Ergebnis, Immunitätsnachweise müssten irgendwann möglich sein. Durch die Impfung poppt das kurzzeitig ad acta gelegte Thema nun erneut hoch.

Privilegien sind möglich, aber sind sie auch sinnvoll?

Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine generelle Impfpflicht ablehnt und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor Sonderrechten für Geimpfte, etwa von Fluglinien oder Konzertveranstaltern, warnt („Des einen Privileg ist die Benachteiligung des anderen“), mehren sich auch andere Stimmen.

So tritt der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, im Deutschlandfunk dafür ein, eine ethische Diskussion über Sonderrechte nicht grundsätzlich auszuschließen. Der Chef der Lufthansa, Carsten Spohr, spricht sich zwar gegen eine Impfpflicht aus, prognostiziert aber, dass Passagiere auf Langstreckenflügen künftig entweder negativ getestet sein oder einen Impfnachweis erbringen müssten. Und dann gibt es auch Stimmen, die explizit Sonderrechte für Geimpfte fordern. Kurz gesagt: Wer Essen gehen, Sport im Fitnessstudio treiben oder ein Konzert besuchen will, solle künftig seine Impfbescheinigung vorlegen – oder das Weite suchen. All das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Impfskeptiker. Dass Jens Spahn ausgerechnet im März des Corona-Jahres die Impfpflicht gegen Masern einführte, hat deren Misstrauen nur weiter geschürt. Alle anderen empfohlenen Schutzimpfungen sind zwar weiterhin freiwillig. Aber für Impfgegner ist die Bevorzugung Geimpfter nur ein nächster Schritt in die falsche Richtung.

Und doch: Juristen halten ein Szenario der Privilegien für durchaus denkbar. Denn Restaurants und Hotels, Theater und Kinos und Fitnessstudios besitzen Hausrecht, sie können selbst entscheiden, wen sie reinlassen. Es gilt der Rechtsgrundsatz der Vertragsfreiheit, anders als bei öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, an denen der Staat mehrheitlich beteiligt ist. „Einrichtungen und Träger in kommunaler beziehungsweise staatlicher Hand unterliegen sicherlich anderen Handlungsspielräumen als rein privatrechtlich aufgestellte Unternehmen“, so auch ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums.

Bayerns inzwischen abberufene Gesundheitsministerin Melanie Huml störte an der Debatte schon der Begriff „Privileg“ selbst: „Es geht nicht um eine Privilegierung geimpfter Personen, sondern um eine vollständige Rückkehr zu den verfassungsrechtlich garantierten Grundrechten“, so Melanie Huml. Aussagen über eine „mittelbare Impfpflicht“ wiederum seien nur bedingt möglich, da der Staat nur sehr begrenzt in privatrechtliche Entscheidungen seiner Bürger eingreifen könne.

Letztlich sind also die Wirte und Fitnessstudiobesitzer und Kulturveranstalter selbst gefragt, Lösungen zu finden. Und man möchte nicht mit ihnen tauschen müssen. Ohne Verluste sind solche Entscheidungen nämlich schier unmöglich. Denn auch unter den treuesten Stammgästen könnten Impfgegner sein, die schlicht und einfach keinen Impfnachweis erbringen wollen.

„Ich möchte nicht, dass die Wirtshäuser nur für geimpfte Leute aufgemacht werden. Das geht nicht“, sagt darum Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), auf Anfrage. Eine Einschränkung macht sie dann aber doch: „Wenn etwa bei einer Geburtstagsgesellschaft alle Teilnehmer geimpft sind, dann sollen diese Personen auch feiern dürfen. Warum denn auch nicht? Wir müssen die Sache pragmatischer angehen und nicht immer nur mit Verboten und Geboten hantieren.“ Ein Sprecher der Dehoga Bayern macht allerdings klar: „Die Spekulationen über hypothetische Szenarien werden für uns viel zu früh geführt. Aktuell kämpfen unsere Betriebe schlichtweg ums bloße wirtschaftliche Überleben.“
(Monika Goetsch

Kommentare (2)

  1. Jaja am 11.01.2021
    Diese Diskussion zu einem Zeitpunkt, zu dem die Regierung noch nicht mal in der Lage ist ausreichend Impfstoff zur Verfügung zu stellen, entbehrt jeder Grundlage und spaltet die Gesellschaft noch weiter. Das Ganze hat ja schon sektenhafte Züge.

    Ferner wäre es auch wünschenswert Impfstoffe, die nicht auf Basis mRNA hergestellt werden anzubieten, dann würde vermutlich auch die Impfbereitschaft steigen, zumindest bei mir.
  2. Ralf Stadler am 10.01.2021
    Einseitige Berichterstattung, am Freitag wurde zur Sonderplenarsitzung u.a. auch der AfD Antrag , eine Diskriminierung von nicht Geimpften verhindern und dies gesetzlich zu verankern. vorgebracht und wie üblich von allen anderen abgelehnt.
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