Politik

Immer mehr Betriebe setzen auf Selbst- oder Schnelltests. Deren Zuverlässigkeit ist indes begrenzt. (Foto: dpa/Fabian Strauch)

01.04.2021

Nach Abstrich ins Büro

Corona-Tests: Wie halten es Unternehmen und der Freistaat?

Einfach hineinspazieren, Mitarbeitende ohne Maske antreffen und unkompliziert wie eh und je mit dem Chef reden. So wie in einer fränkischen Schreinerei geht es trotz steigender Infektionszahlen in manch einem Betrieb zu. Weshalb Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Testpflicht für Unternehmen fordert, deren Beschäftigte nicht im Homeoffice sind.

Doch ist es wirklich sinnvoll, alle Unternehmen in Mithaftung zu nehmen für ein paar schwarze Schafe? Nein, sagen Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln, und Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Beide argumentieren, dass es bereits eine große Testbereitschaft in der Wirtschaft gebe. „Eine Testpflicht ist deshalb vor allem eine Misstrauenserklärung an die Unternehmen“, so Hüther.

Tatsächlich wird in den meisten Unternehmen viel getestet. So etwa beim Münchner Bus- und Lastwagenhersteller MAN. Dessen Konzept setzt bei Verdachtsfällen an, um Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen. Zusätzlich ist ein Konzept für Heimtests in Vorbereitung, für alle, die vor Ort arbeiten müssen.

Für alle Schnelltests aber gilt es zu bedenken, dass negative Testergebnisse nur in rund 80 Prozent der Fälle tatsächlich stimmen.

Bei BMW werden jetzt zusätzlich zu den seit Herbst 2020 durchgeführten anlassbezogenen Tests Antigen-Selbsttests angeboten, so eine Sprecherin. Die über eine halbe Million Selbsttests sollen auf freiwilliger Basis zu Hause durchgeführt werden. Beim Spezialtiefbauunternehmen Bauer aus Schrobenhausen führen schon seit Monaten qualifizierte Mitarbeiter*innen Antigenschnelltests durch, wenn es zum Beispiel durch Auslandseinsätze oder Präsenzveranstaltungen erforderlich ist. „Darüber hinaus planen wir, demnächst allen Beschäftigten die Möglichkeit zu geben, sich regelmäßig kostenlos selbst zu testen, auf freiwilliger Basis“, teilt eine Sprecherin mit.

Der Freistaat setzt auf Selbsttests der Beschäftigten

Auch eine gesetzliche Testpflicht würde derzeit allerdings nicht das Problem lösen, dass zu wenig Tests verfügbar sind. „Zwischen Bestellung und Lieferung liegen aktuell mindestens sieben Tage, meist zwei Wochen“, klagt Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). Vielfach wird durch die zuletzt rapide gestiegene Nachfrage gar kein fester Liefertermin mehr zugesagt. „Wer jetzt on top eine gesetzliche Testpflicht einführen will, erhöht sprunghaft den Nachfragedruck und verursacht steigende Beschaffungskosten sowie weitere Lieferverzögerungen vor allem für kleinere Bestellmengen, das heißt zulasten der Kleinbetriebe“, so Gößl.

Zudem droht neue Bürokratie, wenn der Staat im Detail Testungen bei Beschäftigten regeln will, die nicht vor Ort im Betrieb arbeiten, sondern auswärts bei Kunden oder die dienstlich unterwegs sind. Hier tun sich viele Fragen auf: Was ist mit Menschen, die ausschließlich im Homeoffice arbeiten? Wer belegt wem gegenüber was? „Es droht ein Rattenschwanz an weiteren Vorschriften und Kosten, die unsere Unternehmen in schwierigen Zeiten zusätzlich belasten“, warnt der BIHK-Hauptgeschäftsführer.

Auch beim Freistaat setzt man auf Selbsttests für alle Mitarbeiter*innen, die noch Präsenzdienst leisten müssen. Zukünftig wird diesen Beschäftigten statt eines Schnelltests regelmäßig kostenlos ein Selbsttest zur Verfügung gestellt, so ein Sprecher des Finanzministeriums. Der Bayerische Beamtenbund bemängelt allerdings, dass das ganze Prozedere zu umständlich ist. Denn die Beschäftigten müssen mit einem von ihrer Dienststelle abgezeichneten Schreiben in eine Apotheke, um sich dort die Gratistests aushändigen zu lassen.

Der Bayerische Handwerkstag (BHT) hat jetzt an die rund 206 000 Handwerksbetriebe in Bayern appelliert, ihren Beschäftigten vermehrt Selbsttests anzubieten. Doch auch hier tut sich das Problem auf, dass die erforderlichen Tests auch vorhanden sein müssen. BHT-Präsident Franz Xaver Peteranderl betont: „Hier muss die Politik ihre Hausaufgaben machen und für die entsprechenden Kapazitäten sorgen.“ Außerdem stelle sich die Frage, „wer für die Kosten der Betriebe aufkommt, wenn auf der anderen Seite alle Bürgerinnen und Bürger kostenlos getestet werden“, so Peteranderl.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert unterdessen verpflichtende Testangebote. Allerdings müsse das für die Beschäftigten freiwillig sein.

Fazit: Viele, vor allem große Unternehmen zeigen sich verantwortungsbewusst beim Thema Testen. Allerdings wäre es schon sinnvoll, einen Überblick zu haben, wer wie testet. Auch müssten Regelungen her, wie mit ausschließlich in Präsenz Beschäftigten zu verfahren ist, die einen Test verweigern. Zuallererst jedoch muss sichergestellt werden, dass tatsächlich genügend Tests zur Verfügung stehen. (Ralph Schweinfurth)

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