Politik

Die Münchner Grüne Margarete Bause will kommendes Jahr für den Bundestag kandidieren, trotzdem ließ sie sich jetzt wieder zur Fraktionschefin im Landtag wählen. (Foto: dpa)

26.02.2016

"No Risk, no Glory"

Margarete Bause, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, über ihre Ambitionen in Berlin, ihre Vorstellungen von gelingender Integration und die Implikationen der „Leitkultur“

Margarete Bause ist sauer: Erst lädt die CSU zu einem Integrationsgipfel in die Staatskanzlei, dann schafft sie nach dem gar nicht so strittigen Treffen Fakten. Indem sie das Integrationsgesetz einfach allein ausarbeitet, die Vorstellungen der Opposition bleiben außen vor. Warum fragt Bause im BSZ-Gespräch, hat man hier nicht eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gebildet? BSZ: Frau Bause, Sie wollen 2017 in den Bundestag wechseln. Ist Ihnen die bayerische Welt zu klein geworden oder nervt Sie die Daueropposition zur CSU?
Margarete Bause: Ich möchte mit der Menschenrechtspolitik einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt bearbeiten. Dafür ist der Bayerische Landtag nicht zuständig, sondern der Bundestag. Auslöser war für mich das Treffen mit Ai Weiwei in Peking im November 2014. Seitdem ist mir das Thema Menschenrechte immer wichtiger geworden. Um solche Kontakte zu pflegen, möchte ich nicht darauf angewiesen sein, zur Delegation von Horst Seehofer zu gehören. Da stelle ich mich lieber auf eigene Füße.

BSZ: Sie gehen mit dem Wechsel ein Risiko ein, weil Sie erst noch parteiintern aufgestellt werden müssen. Mit Promis hat es die grüne Basis aber oft nicht so.
Bause: Bei jeder Kandidatur entscheidet die Basis, wer uns im Landtag oder im Bundestag vertritt. Das ist alle fünf oder vier Jahre so. No Risk, no Glory!

BSZ: Trotz Ihrer Wechselabsichten sind Sie vergangene Woche noch einmal zur Fraktionschefin gewählt worden. Haben Sie erwogen, wegen der Berlin-Perspektive den Vorsitz schon jetzt abzugeben?
Bause: Wir haben das in der Fraktion sehr konstruktiv diskutiert. Es war dann sehr einvernehmlich, dass es das Beste ist, wenn ich Fraktionsvorsitzende bleibe. Wir haben gerade sehr herausfordernde Zeiten und heftige Auseinandersetzungen im Landtag. Da hat es eine Mehrheit für besser gehalten, wenn ich solange in der ersten Reihe stehe, bis ich aus dem Landtag ausscheide.

„Boris Palmer vertritt in der Partei eine Einzelmeinung, Winfried Kretschmann nicht“

BSZ: In der Flüchtlingspolitik betonen Sie stets, die Grünen seien im Landtag die einzige Kraft, die für Menschlichkeit stehe. Wie meinen Sie das?
Bause: Menschlichkeit ist für uns ein herausragender Wert. Ich will keinem Kollegen aus anderen Fraktionen die Menschlichkeit absprechen. Die oft dramatischen Schicksale der bei uns Schutzsuchenden gehen, so denke ich, jedem an die Nieren. Für uns Grüne ist Menschlichkeit aber höherrangig als viele andere Sorgen und Bedenken, die es auch ernst zu nehmen gilt.

BSZ: Was bedeutet das konkret?
Bause: Wir haben immer den einzelnen Menschen im Blick. Wir reden nicht von Zahlen oder Flüchtlingswellen, weil man dadurch das Individuum, das konkrete Schicksal aus den Augen verliert. Das Leid dieser Menschen verbietet es, willkürlich eine Zahl festzulegen, wie vielen wir helfen wollen. Wir wollen eine Flüchtlingspolitik, die an Menschenrechten, an der Genfer Flüchtlingskonvention und am Grundgesetz ausgerichtet ist.

BSZ: Wenn man Umfragen glauben darf, steigt aber der Anteil derer, die eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms für nötig halten. Stimmt Sie das nachdenklich?
Bause: Natürlich stimmt es nachdenklich, wenn sich viele Menschen fragen: Wie schaffen wir das? Da ist es auch nicht hilfreich, wenn die Bundesregierung permanent streitet. Es ist unstrittig, dass eine Person, die hier kein Bleiberecht hat, das Land verlassen muss. Das gebietet die Rechtsstaatlichkeit. Und wir müssen alles in unseren Kräften stehende tun, damit Menschen erst gar nicht in die Flucht getrieben werden. Dazu gehört, den Menschen in den Flüchtlingslagern in der Türkei oder in Jordanien eine Zukunftsperspektive zu geben genauso wie den Menschen in Afrika, die es aus Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat nach Europa zieht. Das ist ein anderer Ansatz als der, es Menschen möglichst schwer zu machen, zu uns zu kommen.

"Der Integrationsgipfel von Regierung und Opposition war eine Alibiveranstaltung"

BSZ: Wie reden Sie dann mit Parteifreunden wie Winfried Kretschmann oder Boris Palmer, die für eine Ausweitung der Liste sicherer Drittstaaten sind und bei weiterem Zuzug um den inneren Frieden fürchten?
Bause:  Für mich gibt es da gravierende Unterschiede in der Bewertung. Boris Palmer vertritt bei den Grünen eine absolute Einzelmeinung. Winfried Kretschmann trifft seine Entscheidungen auf einer soliden Wertebasis. Als Ministerpräsident unterliegt er dabei anderen Abwägungsprozessen als wir in der Opposition im Landtag. Auch er stellt sich zum Beispiel der Diskussion, ob es nicht sinnvoller ist, mit einer Aufklärungskampagne in den Herkunftsländern die Erwartungen an eine Flucht nach Deutschland zu dämpfen, als diese zu sicheren Staaten zu erklären.

BSZ: Wo liegen für Sie die Grenzen der Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft?
Bause: Das kann man so gar nicht definieren. Es geht darum, wie wir diese Aufgabe anpacken. Integration muss praktisch am ersten Tag beginnen, die Menschen dürfen nicht mehrere Jahre in irgendwelchen Unterkünften zwischengeparkt werden. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, dass die vielen Einheimischen, die sich in der Aufnahme von Flüchtlingen engagieren, darin unterstützt und nicht behindert werden.

BSZ: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die jüngsten Vorkommnisse in Sachsen?
Bause: Das ist eine dramatische Verrohung, die aus meiner Sicht auch durch eine bestimmte Politik verschuldet wurde.

BSZ: Nämlich?
Bause: Indem man nicht klare Kante gegen rechts gezeigt hat. Gerade der sächsische Ministerpräsident Tillich hat sich da nicht mit Ruhm bekleckert. Er ist nie bei Demonstrationen für ein buntes Sachsen aufgetreten. Dort hätte er klarstellen können, dass jeglicher Rassismus oder jede Gewaltanwendung außerhalb des demokratischen Spektrums steht. Die Anbiederung an AfD und Pegida führt zu einer Verrohung der politischen Sitten und der Sprache. Und wenn der bayerische Ministerpräsident von einer „Herrschaft des Unrechts“ redet, glauben manche Wirrköpfe, das Recht selbst in die Hand nehmen zu können, indem sie Bürgerwehren bilden oder Flüchtlinge und deren Unterkünfte attackieren.

BSZ: Wann ist für Sie Integration gelungen?
Bause: Ich habe da einen Lieblingssatz: „Heimat ist da, wo es mir nicht egal ist, was um mich herum passiert.“ In diesem Sinne müssen wir Flüchtlingen und Asylsuchenden die Möglichkeiten geben, sich an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes zu beteiligen. Wir müssen Andockpunkte an unsere Gesellschaft schaffen. Dann kann Integration sehr schnell gelingen.

BSZ:
Was stört Sie dann an dem Begriff Leitkultur?
Bause: Dass es da ein Oben und Unten gibt. Mich stört das Hierarchische, dass einer voranläuft, und alle anderen müssen sich einreihen. Außerdem ist Leitkultur ein schwammiger Begriff. Wir sollten uns darauf konzentrieren, unsere Rechtsordnung als Grundlage des Zusammenlebens zu vermitteln. Im Grundgesetz steht alles Wichtige drin, von der Gleichberechtigung über die Meinungs- und Versammlungsfreiheit bis zu den demokratischen Regeln. Ich sehe nicht, welche Orientierung eine darüber hinausgehende schwammige Leitkultur bieten soll.

BSZ:
Sie sprechen mit dem Ministerpräsidenten über ein Integrationsgesetz. Kommt man da noch zu einem gemeinsamen Ergebnis?
Bause: Wir hätten das begrüßt, die Staatskanzlei ist aber auf unsere Wünsche nach weiteren Gesprächsrunden nicht eingegangen. Warum setzt man bei diesem wichtigen Thema nicht eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines gemeinsamen Gesetzentwurfs ein, wie man das bei der Inklusion an Schulen erfolgreich getan hat? So könnte man ein Integrationsgesetz integrativ erarbeiten.

BSZ:
Waren die Gespräche also eine Alibi-Veranstaltung?
Bause: Im Nachhinein gesehen leider ja.
(Interview: Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. otto regensbacher am 25.02.2016
    Beim Weggang dieser Frau Bause haben wir im Landtag eine Selbstdarstellerin weniger. Ihre schrillen Auftritte waren im Übrigen kaum das Gelbe vom Ei. Frau Bause erwartet wohl, dass sie in Berlin endlich
    die große Karriere machen kann. In ihrer abgehobenen Überheblichkeit prahlte sie ja schon, dass sie in jedem anderen Bundesland längst Ministerin wäre. Wer es glaubt wird selig!
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