Politik

Alle paar Jahre zur Wahl gehen: Selbst das ist vielen Bürgern zu mühsam, die CSU setzt nun auf Volksbefragungen. (Foto: dpa)

09.05.2014

Öfter mal das Volk fragen

Die CSU will mehr direkte Demokratie und plant dafür ein neues Instrument - der Haken: Das Ergebnis ist unverbindlich

Glaubt man Michael Piazolo, dem Generalsekretär der Freien Wähler, dann ist Horst Seehofers „Koalition mit den Bürgern“ nicht mehr als ein g’schlampertes Verhältnis. „Direkte Demokratie ohne Trauschein“ nennt Piazolo die Idee des Regierungschefs zur Einführung von Volksbefragungen, die Innenminister Joachim Herrmann nun in einen Gesetzentwurf gegossen hat. Auch der Rest der Opposition geht mit dem Werk nicht gerade zimperlich um. Katharina Schulze von den Grünen nennt es ein „Placebo an Bürgerbeteiligung“, dessen Ausgestaltung auch noch „lächerlich, albern und scheinheilig“ sei. Und für den SPD-Rechtsexperten Franz Schindler ist der Entwurf „tricky und gaga“ – jedenfalls nichts, womit sich Staat machen ließe.
Seehofer ficht das nicht an. Er steht zu seiner Idee, die er nach der Landtagswahl amtlich gemacht hatte. Gereift ist sie in ihm schon früher. Von einer Dienstreise in die Schweiz hatte er vor drei Jahren die Begeisterung für mehr direkte Demokratie mitgebracht. Bei landesweit wichtigen und kontrovers diskutierten Themen alle Bürger Bayerns nach ihrer Haltung zu fragen, erschien ihm spätestens nach dem Münchner Bürgerentscheid gegen die 3. Startbahn am Flughafen der Landeshauptstadt für geboten. Seehofer war sich damals sicher, dass eine bayernweite Abstimmung über das nach seiner Meinung für den ganzen Freistaat wichtige Projekt ein anderes Ergebnis gebracht hätte.
Die Begeisterung für die Volksbefragung hatte Seehofer aber selbst in seiner CSU lange ziemlich exklusiv. Zwar betonten der fachlich zuständige Minister Herrmann und CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer öffentlich stets, das Vorhaben des Chefs zu unterstützen, waren die Kameras und Mikrophone aber aus, legten sie die Stirn in Falten. Der eine wegen der verfassungsrechtlichen Klippen, der andere wegen der Sorge um eine Aushöhlung parlamentarischer Kompetenzen. Herausgekommen ist nun ein Modell, von dem die Grüne Schulze sagt: „Nur, weil in der Überschrift Volk und Befragung steht, bedeutet das noch nicht mehr direkte Demokratie.“

Fast alle Themen sind geeignet


Konkret sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Bürger Bayerns künftig zu wichtigen Themen von landespolitischer Bedeutung befragt werden können. Gemeint sind damit in erster Linie Verkehrs- und Infrastrukturgroßprojekte, theoretisch aber auch die Frage, ob das Gymnasium nun acht oder neun Jahre dauern soll. Zu welchen Themen eine Befragung stattfindet, sollen aber nur Staatsregierung und Landtag im Einvernehmen entscheiden können, ein Initiativrecht der Bürger oder – was die SPD will – ein Minderheitenrecht des Landtags sind nicht vorgesehen. Zudem ist das Ergebnis der Befragung für die Politik nicht bindend. Herrmann erwartet sich von der Volksbefragung dennoch eine größere Legitimation politischer Entscheidungen: „Die Volksbefragung wird auch ohne rechtliche Bindungswirkung große politische Kraft entfalten.“ Das glaubt auch Seehofer. „Man bräuchte schon sehr gute Argumente, um sich über die Ergebnisse einer Volksbefragung hinwegzusetzen“, meint er.
Bei der Opposition zweifelt man an dieser Macht des Faktischen. „Bei Ihrem Modell werden die Bürger zwar befragt, aber sie haben letzten Endes nichts zu sagen“, hält Katharina Schulze den Regierenden vor, zumal diese die abzufragenden Themen auch noch selbst setzen könnten. Für Schulze wie Piazolo ist deshalb klar, dass der Ausgang der Befragung für das weitere Handeln der Politik verbindlich sein muss. „Es schürt nur die Politikverdrossenheit, wenn man ein Ergebnis hat, das dann nichts zählt“, warnt der Freie Wähler. Dazu aber müsste die bayerische Verfassung geändert werden, die bisher nur bindende Volksentscheide zu nicht haushaltsrelevanten Gesetzen vorsieht. Weshalb auch die SPD in Sachen Unverbindlichkeit mit der CSU einig ist.
Ansonsten aber beurteilt die SPD die Volksbefragungsidee der Staatsregierung wie die beiden anderen Oppositionskräfte. „Man streut den Bürgern Sand in die Augen, das ist keine Verbesserung an direkter Demokratie“, sagt Franz Schindler. Jetzt geht der Entwurf zur weiteren Beratung in die Ausschüsse des Landtags. Die endgültige Entscheidung darüber, ob Landesvater Seehofer in wilder Ehe mit den Bürgern leben darf, soll noch vor der Sommerpause fallen. (Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. Susi am 12.05.2014
    Die Unverbindlichkeit ist bereits an der Tagesordnung siehe
    3. Startbahn München!!!
    Hier zählt das "Volk" nichts.
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