Politik

04.04.2014

Ohne neue Stromtrassen geht's nicht

Ein Kommentar von Ralph Schweinfurth

Wenn das unterfränkische Atomkraftwerk Grafenrheinfeld sieben Monate früher abgeschaltet wird als geplant, geht dem Freistaat nicht der Strom aus. Denn laut Statistischem Landesamt erzeugte Bayern allein 2009 satte fünf Prozent mehr Strom, als es verbrauchen konnte. Dank des massiven Photovoltaik- und Windkraftausbaus dürfte dieser Wert aktuell noch höher liegen – genaue Zahlen liegen aber nicht vor.
Doch so einfach ist es nicht. Während die Bevölkerung sich freuen kann, dass ein Reaktorunfall vor ihrer Haustür ab Mai 2015 nicht mehr möglich ist, könnte die Versorgungssicherheit im Freistaat trotz Stromüberproduktion gefährdet sein. Denn Grafenrheinfeld sorgt auch für die nötige Spannung im bayerischen Netz. Das ist wie mit einer Wäscheleine zwischen zwei Pfosten. Sind diese zu weit voneinander entfernt, hängt die Leine durch. Damit sie auf Spannung bleibt, muss ein dritter Pfosten gesetzt werden. So funktioniert das auch bei Stromnetz und Stromspannung. Damit Letztere konstant bleibt, müssen – strategisch richtig verteilt – Trafos oder Kraftwerke im Freistaat stehen. Also müsste man in Grafenrheinfeld entweder das von der Staatsregierung favorisierte Gaskraftwerk bauen oder eine andere Lösung zur Spannungshaltung finden.

Auch Horst Seehofer sollte die Realitäten zur Kenntnis nehmen


Und dann gibt es auch noch die so genannten transienten Spannungen. Diese treten auf, wenn nach vielen sonnenlosen Nebeltagen im Herbst weder Solar- noch Windstrom erzeugt werden konnten. Kommt dann ein Tiefdruckgebiet und pustet den Nebel weg, springen sowohl Wind- als auch Photovoltaikanlagen wieder an. Die Folge: Man hat zu viel Strom. Der muss gespeichert oder an andere (Bundes-)Länder verkauft werden, damit die Spannung in den Netzen nicht zusammenbricht. Hierzu sind regelbare Kraftwerke nötig – oder mehr Stromnetze. Letztere sind weitaus kostengünstiger als neue Kraftwerke.
Das sollte auch der Hauptgegner des Netzausbaus zur Kenntnis nehmen: Ministerpräsident Horst Seehofer. Denn er will ja auch den Strompreisanstieg für die Bürger dämpfen. Ohne Netzausbau geht es nicht – egal, was Wutbürger vor Ort sagen. Auch ihnen dürfte im Ernstfall der eigene Geldbeutel näher sein als die Gleichstromtrasse ein paar hundert Meter weiter.

Kommentare (1)

  1. Lehner am 14.05.2014
    Sehr geehrter Herr Schweinfurth,

    ist die Überschrift nicht etwas pauschal und irreführend? Welche neuen Trassen werden denn benötigt? 380 KV-Wechselspannungsleitungen oder HGÜs. Die ersteren bieten den anliegenden Gemeinden die Möglichkeit, Industriebetriebe an der Strecke anzusiedeln oder selbsterzeugten Strom einzuspeisen. Die Gleichspannungsleitungen dienen dazu, Strom über weite Strecken verlustoptimiert zu transportieren. Kein Anlieger, keine Gemeinde hat davon etwas - außer den damit verbundenen massiven Eingriffen und der Beeinträchtigung der Umwelt und der Lebensqualität. Die ersten dienen der Allgemeinheit, die zweiten nur den Konzernen, die Strom aus diversen Quellen, auch Atomkraftwerken, quer durch Europa verteilen und verkaufen können.
    Das EEG sieht in diesem Punkt den Grundsatz "Ertüchtigung vor Neubau" vor. Die Netzbetreiber und ihre Eigentümer haben über Jahre satte Gewinne eingesteckt, statt einen angemessenen Teil des verdienten Geldes in die nötige Erneuerung der Netze zu investieren. Wenn nach der Ertüchtigung der Netze noch ein Ausbau erforderlich sein sollte, bin ich gerne bereit, über die Notwendigkeit von neuen Trassen zu diskutieren. Aber ich will nicht für Trassen bezahlen, mit denen die Energiekonzerne nur eine weitere Gewinnquelle erschließen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Werner Lehner
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