Politik

Lieber Fraktionschef als Minister: Florian Streibl wollte nicht ins Kabinett, sagt er – auch aufgrund der Erfahrungen seines Vaters. (Foto: Fraktion FW)

16.11.2018

"Opposition ist leichter als Regierung"

Der Freie Wähler Florian Streibl über seinen neuen Job als Fraktionsvorsitzender, die Koalitionsverhandlungen und das Frauenproblem seiner Partei

Da hat er keine leichte Aufgabe vor sich: Der neue FW-Fraktionschef Florian Streibl will aus der „Guerillabewegung“ im Landtag eine „reguläre Truppe“ machen, kündigt der 55-jährige Jurist an. Er gesteht aber auch, dass ihm das Umdenken selber manchmal noch schwerfällt. „Man kann jetzt nicht mehr auf die Regierung schimpfen, sondern ist Regierung.“

BSZ: Herr Streibl, am Montag wurde das neue bayerische Kabinett vereidigt – ohne einen Minister Streibl. Wie enttäuscht waren Sie?
Florian Streibl: Wir haben in kleiner Runde zusammen überlegt, wer was machen könnte. Da habe ich tief in mich hineingehört und gemerkt, der Fraktionsvorsitz ist mir die liebere Position.

BSZ: Sie haben freiwillig auf einen Ministerposten verzichtet?
Streibl: Ich komme aus einem politischen Haushalt, mein Vater war Ministerpräsident. Da weiß man, was einen in so einem Amt erwartet. Nicht, dass ich diese Herausforderungen nicht gerne angenommen hätte, aber mein Respekt davor ist entsprechend groß. Als Parlamentarischer Geschäftsführer war ich bislang schon stark in die Parlamentsarbeit eingebunden, und der Fraktionsvorsitz ist eine der Schlüsselstellen, gerade jetzt, da wir an der Regierung beteiligt sind. Diese Aufgabe reizt mich. Denn auch die Fraktion wird künftig anders arbeiten müssen. Opposition ist leichter als Regierung.

BSZ: Zumal die Freien Wähler eine recht heterogene Mannschaft sind.
Streibl: Ja, eine der Hauptaufgaben wird sein, die Fraktion zusammenzuhalten und in den Regierungsmodus zu führen. Das Umdenken fällt auch mir manchmal noch schwer. Man kann jetzt nicht mehr auf die Regierung schimpfen, sondern ist Regierung. Vorher waren wir vielleicht so ein bisserl eine Guerillabewegung. Jetzt müssen wir zu einer regulären Truppe werden. Davon hängt auch das Gelingen dieser Regierung ab.

BSZ: Bislang hielt Hubert Aiwanger die Zügel in der Fraktion sehr straff – besteht die Gefahr, dass er sich auch künftig in Fraktionsbelange einmischen könnte?
Streibl: Nein, er hat jetzt ein großes Ministerium mit vielen Aufgaben, in die er sich hineinarbeiten wird. Meine Funktion ist eine ganz andere. Das kriegen wir hin.

BSZ: Aiwanger hat gesagt, Sie könnten den Fraktionsvorsitz womöglich besser, weil Sie penibler sind als er. Ist das ein Kompliment?
Streibl: Darüber habe ich auch nachgedacht. Jeder hat seinen eigenen Stil, und als Rechtsanwalt schaut man vielleicht auf manche Dinge genauer. Aber penibel würde ich das nicht nennen.

„Um das Thema 3. Startbahn am Münchner Flughafen haben wir massiv gerungen – am Ende um jedes einzelne Wort“

BSZ: Sie haben den Koalitionsvertrag mitverhandelt. Viele sind enttäuscht über die Diskrepanz zu manchem Wahlversprechen. Selbst in der Fraktion gab es eine Gegenstimme und zwei Enthaltungen.
Streibl: Eine Koalition ist immer ein Kompromiss. Hätte uns der Wähler die absolute Mehrheit gegeben, könnten wir alles umsetzen. Aber wir sind der kleinere Partner in der Koalition, und dafür haben wir unsere Themen wirklich gut gesetzt.

BSZ: Der Bau der 3. Startbahn aber zum Beispiel ist nicht vom Tisch, sondern nur aufgeschoben.
Streibl: Um dieses Thema haben wir ganz massiv gerungen – am Ende um jedes einzelne Wort. Die CSU hätte am liebsten gleich angefangen zu bauen. Der Planungsstopp ist da ein Superergebnis. Hätten wir an diesem Punkt die Koalitionsgespräche platzen lassen sollen? Am Ende hätte es vielleicht Neuwahlen gegeben, die CSU wäre mit der FDP zusammengekommen, und die 3. Startbahn würde gebaut.

BSZ: Die 10-H-Regelung bei Windkraftanlagen aber bleibt.
Streibl: Auch da wurde immens gerungen. Aber deren Abschaffung war ein No-Go in der CSU. Tatsächlich haben Gemeinden ja heute schon die Möglichkeit, die 10-H-Regelung zu umgehen, wenn man sich vor Ort einig ist. Hier könnte man Anreize schaffen und mit Gemeinden aktiv Orte suchen, wo das möglich sein könnte. Vielleicht ist das sogar sinnvoller, als Windparkbetreibern zu ermöglichen, Anlagen zu bauen, ohne die Gemeinden und Betroffenen vor Ort einzubinden.

"Ich habe in den Koalitionsverhandlungen einen neuen Markus Söder erlebt: einen fairen Kooperationspartner"

BSZ: Das sind aber ganz neue Töne. Zumal die dezentrale Energiewende doch bislang immer eine Kernforderung der Freien Wähler war.
Streibl: Das ist sie auch immer noch. Deswegen haben wir jetzt auch mit dem Umwelt- und Wirtschafts- bzw. Energieministerium die entsprechenden Ministerien dafür.

BSZ: Aiwanger hat vom Größenwahn der CSU gesprochen, Sie von deren Windbeutelpolitik. Wie soll man da zusammenarbeiten?
Streibl: Es kommt ja auch darauf an, womit man den Windbeutel aufbläst. Besteht die Füllung aus Freien Wählern, passt das. Im Ernst: Ich habe in den Koalitionsverhandlungen einen neuen Markus Söder erlebt: einen fairen Kooperationspartner, mit dem man sehr gut und sachlich diskutieren kann. Wenn er eine Idee für gut hielt, war er auch bereit, sie aufzunehmen und umzusetzen.

BSZ: Welche zum Beispiel?
Streibl: Beim Thema Straßenausbaubeiträge mussten wir zwar Überzeugungsarbeit leisten, aber der Härtefallfonds kommt. Ein schwieriger Punkt war auch die Kostenfreiheit der Kitas – wie die Strabs aber für uns ein absolutes Muss. Für die Familien haben wir ein ganz großes Rad gedreht.

"Ja, wir brauchen dringend mehr Frauen. Dann hätten wir auch mehr Frauen in Ämtern"

BSZ: War das Ehegatten-Splitting, an dem nur noch die CSU festhält, eigentlich ein Thema?
Streibl: Nein, die Freien Wähler sind zwar eher aufseiten der Befürworter eines Familiensplittings, aber dafür ist der Bund zuständig. Mal sehen, wenn es im Bundesrat Thema sein sollte. Der Koalitionsvertrag gibt vor, dass sich Bayern bei Initiativen enthalten muss, wenn die Koalitionspartner sich uneins sind.

BSZ: Noch was ganz anderes: Die Freien Wähler haben fünf Kabinettsmitglieder, darunter nur eine Frau. Der Vize-Präsident ist ein Mann. Und der Fraktionsvorsitzende mit Ihnen ebenfalls. Was ist mit Ihren Frauen los? Wollen sie nicht oder dürfen sie nicht in Spitzenämter?
Streibl: 20 Prozent der Freien Wähler sind Frauen. In der Fraktion sind von 27 Abgeordneten 6 Frauen. Ja, wir brauchen dringend mehr Frauen. Dann hätten wir auch mehr Frauen in Ämtern. Aber es gibt auch bei uns durchaus Frauen, die Karriere gemacht haben. Eine sitzt im Europaparlament, eine andere ist Landrätin.

BSZ: Ulrike Müller und Tanja Schweiger müssen immer als Beispiele herhalten, aber das reicht doch nicht.
Streibl: Wie gesagt: Wir sind mit der Situation nicht zufrieden. Und ich kann nur alle Frauen auffordern, bei uns mitzumachen und Verantwortung zu übernehmen.

BSZ: Wie wäre es mit einer parteiinternen Quote, die das befördern könnte?
Streibl: Ich schließe nicht aus, dass man möglicherweise mal eine Regelung auf Parteiebene schaffen könnte. Eine Regel macht aber nur dann Sinn, wenn genug Frauen da sind. Für die Vorstandswahlen hatten wir übrigens explizit Frauen im Blick. Und mit Kerstin Radler sowie Gabi Schmidt ist der neue Vorstand weiblicher und jünger.
(Interview: Angelika Kahl)

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