Politik

Markus Söder: Im Frühling soll der 51-Jährige Horst Seehofer als Ministerpräsident ablösen. (Foto: dpa)

12.01.2018

"Politik hat nicht nur mit Strategie zu tun"

Markus Söder, Ministerpräsident in spe, über seine Vorstellungen für Bayern, die Notwendigkeit einer konservativen Wende und darüber, was er von Horst Seehofer gelernt hat

Im Frühling will Horst Seehofer sein Amt als Ministerpräsident an Markus Söder übergeben. Die Staatszeitung fragte Söder, was die Bayern dann von ihm erwarten dürfen. Im Gespräch zeigte sich dieser hochkonzentriert, keine Verhaspler à la Stoiber, trotz turboschnellem Sprechtempo. Klar ist auch, was ihn nervt: Fragen nach CSU-Initiativen, die nicht von ihm stammen und die er erkennbar nicht sooo toll findet.
BSZ: Herr Söder, warum will die CSU einen bürgerlich-konservativen Aufbruch? CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat mit dieser Forderung für Aufsehen gesorgt.
Markus Söder: Viele Bürger haben den Eindruck, dass wir in Deutschland eine übertriebene political correctness haben. Manche Menschen sind unsicher, ihre Sichtweisen und Bedürfnisse zu formulieren. Es gibt aber nicht bloß Meinungen links von der Mitte, wie es das politische Feuilleton manchmal glauben machen will. Wir wollen die Dinge beim Namen nennen und die Menschen ermutigen, das auch zu tun. BSZ: Was bedeutet für Sie bürgerlich-konservativ?
Söder: Dass Politik nicht beliebig ist. Der Staat braucht Werte und ein festes Koordinatensystem. Dazu gehören: Heimat und Identität, Glaube und Familie sowie ein starker Rechtsstaat. Es ist wichtig, zu wissen, woher man kommt und dass man zu seiner Herkunft stehen darf. Wir sind ein christlich-abendländisch geprägtes Land, und das wirkt sich natürlich auch auf Traditionen und Gebräuche aus. Unser Motto ist in Bayern: leben und leben lassen. BSZ: An wem wollen Sie sich als Ministerpräsident eher orientieren? An Seehofer, dem immer vorgeworfen wurde, keinen überwölbenden Plan für Bayern zu haben? Oder eher an Stoiber, der mit seiner Offensive Zukunft Bayern eine ehrgeizige Agenda vorgelegt hatte?
Söder: Die letzten zehn Jahre waren gute Jahre für Bayern. Wir hatten eine klare Strategie: solide Finanzen halten und Schulden abbauen, in Technologie investieren und Forschung und Hochschulen ausbauen, sowie mit der Heimatstrategie den ländlichen Raum zu stärken. Heute müssen wir dazu die Herausforderungen in den Ballungsräumen angehen. Dazu gehört bezahlbarer Wohnraum und eine vernünftige Verkehrsentwicklung. Der öffentliche Personennahverkehr muss stärker vernetzt werden, damit wir Staus vermeiden, die Luft sauberer wird und die Menschen auch abseits der Metropolen mobil sind. BSZ: Mehr bezahlbarer Wohnraum in Städten: Wie soll das gehen? In allen Metropolen der Welt ist Wohnen teuer, einfach deshalb, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. Und von der Mietpreisbremse war Ihre Partei ja nie begeistert.
Söder: Es muss deutlich mehr steuerliche Anreize geben, Wohnraum zu schaffen. Und wir müssen mehr Flächen dafür zur Verfügung stellen – das ist durchaus möglich, denn die öffentliche Hand verfügt ja auch selbst über Grundstücke. Zum Beispiel wollen wir in München das gesamte Gelände der ehemaligen McGraw-Kaserne für Wohnungen nutzen. Daneben müssen wir die Bauordnung entrümpeln, damit schneller und besser gebaut werden kann. Und dann ist auch Kreativität gefragt. Zusätzlichen Wohnraum in Ballungsräumen kann man schaffen, indem man beispielsweise Wohnungen über Supermärkten errichtet, oder auch über Behörden. Architektur darf sich auch ästhetisch einfügen in die vorhandene Bebauung. BSZ: Worin unterscheiden Sie sich am stärksten von Horst Seehofer?
Söder: Wir haben im bayerischen Kabinett gut zusammengearbeitet. Ich bin sicher, dass dies in der Zukunft auch so sein wird.

"Horst Seehofer und ich, wir haben beide ein Gespür für  Menschen"

BSZ: Vielleicht können Sie wenigstens bei der Frage nach Gemeinsamkeiten konkret werden?
Söder: Wir haben beide ein Gespür für Menschen. Und wir wollen beide das Beste für Bayern und stehen in einer großen Tradition der CSU. BSZ: Sie haben eine Abkehr von Seehofers Motto „Bayern first“ angekündigt und wollen stattdessen auf „Das Beste für Bayern“ setzen. Was ist plötzlich so schlecht an Bayern first? Die CSU war doch jahrelang stolz drauf, dass Bayern in vielen Bereichen vor anderen Ländern lag – etwa bei Wirtschafts- und Bildungsdaten oder der inneren Sicherheit.
Söder: Bayern first bedeutet, sich von anderen abzugrenzen, nach der Devise: Nur wir zählen, die anderen nicht. Wir sind gute Partner und Nachbarn. Unser Ziel ist aber das Beste für Bayern. Wir wollen die Stärksten bleiben, aber auch dafür sorgen, dass noch mehr Menschen in Bayern an dem Erfolg teilhaben können!

BSZ: Die CSU hat vor allem wegen der Flüchtlingspolitik viele Wähler an die AfD verloren. Ihr Parteikollege Manfred Weber hat jetzt erneut eine europäische Flüchtlingspolitik gefordert. Die ja schon in der Vergangenheit nicht geklappt hat. Glauben Sie, das überzeugt frustrierte Bürger?
Söder: Natürlich braucht es endlich eine wirksame europäische Flüchtlingspolitik. Vor allem die EU-Außengrenzen müssen wirksam gesichert werden. Aber daneben braucht es auch nationale Maßnahmen: eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland und eine wirksame Umsetzung des Rechtes. Das heißt: konsequenter abzuschieben. Der Hauptgrund für die Unzufriedenheit der Bürger liegt darin, dass sie selbst bei jedem Strafzettel oder der Steuerschuld sicher vom Staat gefordert werden – wenn aber jemand nach einem rechtsstaatlichen Verfahren als Asylbewerber abgelehnt wird, scheint der Staat bei einer Abschiebung hilflos. Nur wenn der Rechtsstaat funktioniert, werden wir wieder mehr Vertrauen gewinnen.

"Politikern begegnet in Umfragen immer Skepsis"

BSZ: In einer aktuellen Umfrage geben 49 Prozent der Befragten an, Sie für eher nicht oder gar nicht für ehrlich zu halten. Bekümmert Sie das?
Söder: Umfragen sind Anhaltspunkte. Fair ist, dabei alle Bewertungen zu betrachten. Natürlich begegnet allen Politikern immer Skepsis laut Umfragen. Entscheidend ist, dass die Bürger glauben, dass man für sie etwas erreichen kann. Wenn 51 Prozent der Befragten glauben, dass ich ein guter Ministerpräsident werden kann und 70 Prozent, dass ich die Interessen Bayerns gut vertreten werde, sind das beachtliche Werte. Darauf gilt es aufzubauen. BDZ: Gibt es Dinge an Ihrem Image, die Sie verbessern wollen?
Söder: Wichtig ist für mich, authentisch zu bleiben. Ich habe mich seit meiner Zeit als Generalsekretär sicher weiterentwickelt. In den verschiedenen Ämtern wie Europa-, Umwelt-und Gesundheits- und zuletzt als Finanz- und Heimatminister habe ich mich immer auf die neue Aufgabe eingestellt. Mit dem Lebensalter und den Aufgaben reift man. BSZ: Wer zählt zu Ihren Ratgebern?
Söder: Neben meiner Familie, meinen Freunden in der Fraktion sind das auch langjährige Wegbegleiter wie Edmund Stoiber. BSZ: Was haben Sie von Stoiber gelernt?
Söder: Dass es wichtig ist, eine Zukunftsvision zu haben. Es reicht nicht, nur die Probleme von heute zu lösen. Wir müssen immer auch an morgen denken. Die Menschen wählen Zukunft. BSZ: Und was von Seehofer?
Söder: Dass Politik nicht nur mit Strategie zu tun hat, sondern auch mit Intuition und mit Empathie. Und dass die CSU auch eine soziale Partei ist und das Ohr bei den Menschen haben muss.
(Interview: Waltraud Taschner)

Kommentare (1)

  1. King Louis am 12.01.2018
    Ist das echt der einstige Linkenschreck Markus Söder, der da geantwortet hat??? Das könnten ja selbst Katrin Göring-Eckardt und Margot Käßmann unterschreiben! Schade, man dachte an einen Politiker mit Biss, aber so kurz vorm Ziel seiner Wünsche hat er wohl auch Kreide gefressen.
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