Politik

Eine Koalition Von Markus Söders CSU und Hubterst Aiwangers Freie Wähler hätte eine Mehrheit. (Foto: dpa)

15.10.2018

Politische Konsequenzen des Wahldebakels

Die absolute Mehrheit der CSU in Bayern ist dahin. Die SPD fällt gar auf ein historisches Tief. In Berlin wird am Tag nach der Wahl über die Schlussfolgerungen aus dem Ergebnis diskutiert

CDU und SPD haben politische Konsequenzen aus dem Wahldebakel bei der Landtagswahl in Bayern gefordert. "Das Theater, das Berlin hier seit Monaten vorführt, muss jetzt ein Ende haben", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet vor Sitzungen der CDU-Führungsgremien in Berlin. Laschet sprach sich gegen Personaldiskussionen um Kanzlerin und Parteichefin Angela Merkel aus und forderte volle Konzentration auf die Landtagswahl in Hessen in zwei Wochen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete die Berliner große Koalition als "sehr stark belastet" und forderte einen anderen Stil.

CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München, das größte Interesse der Union müsse nun sein, in Hessen ein gutes Ergebnis zu erzielen. Dafür müsse die große Koalition stabil arbeiten. Er wies aber die Kritik zurück, die CSU habe wegen des Streits in der Koalition in Bayern stark verloren. Die These "bloß nicht streiten, dann ist die Welt in Ordnung" sei nach seiner politschen Erfahrung nicht richtig. Die AfD liege in Bayern unter dem Bundesschnitt. "Das ist schon ein Hinweis darauf, dass wir zumindest nicht falsch mit dem Thema AfD umgegangen sind", sagte Seehofer.

Laschet und der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, sowie EU-Kommissar Günther Oettinger rechnen damit, dass Merkel auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember als Parteichefin wiedergewählt werde. Für die CDU müsse "jetzt klar sein: Man kann keine Wahlen mit einem Rechtsruck oder mit besonders pointierter Polemik gewinnen", sagte Laschet. Die Bürger erwarten Sachlösungen. Bisher befasse sich die Koalition mit Themen, "die außer einem Politzirkus niemand interessieren".

Die Bayern haben bei der Landtagswahl beiden alten Volksparteien zweistellige Verluste zugefügt. Die jahrzehntelang dominierende CSU von Seehofer und Söder verliert ihre absolute Mehrheit und braucht nun einen Koalitionspartner. Die SPD mit Spitzenkandidatin Natascha Kohnen verzeichnet ihr bundesweit schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl und wird nur noch fünftstärkste Kraft. Die Grünen dagegen erzielen einen Bayern-Rekord. Die AfD zieht zweistellig ins Maximilianeum ein und ist jetzt in 15 von 16 Landtagen vertreten. Die FDP schafft nach fünf Jahren Abwesenheit ganz knapp den Einzug ins Parlament. Die Linke verfehlt die Fünf-Prozent-Hürde erneut.

Jetzt müssen Führungsdebatten kommen

Klingbeil sagte im ARD-"Morgenmagazin", der Stil in der Koalition führe dazu, dass sich die Menschen von Union und SPD abwendeten. Die SPD wolle soziale Gerechtigkeit als Hauptthema betonen und müsse in der Regierung erkennbar sein. Er habe für eine Beteiligung der SPD an der großen Koalition und einen gleichzeitigen Erneuerungsprozess geworben. "Wir müssen heute eingestehen - das ist auch das was gestern als Signal sehr klar geworden ist - es ist schwierig, und deswegen wird es jetzt auch um einen neuen Regierungsstil in der großen Koalition gehen."

Grünen-Chef Robert Habeck kritisierte den Umgang der CSU-Spitze mit dem enttäuschenden Abschneiden. "Die Menschen in Bayern haben eines deutlich gemacht: "Macht nicht so weiter wie bisher"", sagte Habeck im Deutschlandfunk. "Alles, was ich von Seehofer und Söder gehört habe, ist: "Machen wir weiter wie bisher."" Habeck warnte Söder und Seehofer vor einer "Kopf-in-Sand-Mentalität". Sie könne den "Erosionsprozess" der Volksparteien und der Demokratie nicht stoppen.

Im Fall eines Wechsels an der CSU-Spitze hat der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Ministerpräsident Söder zum Zugriff geraten. "Er kann sich den Parteivorsitz nicht nehmen lassen", sagte Ramsauer im Deutschlandfunk. Aus Ramsauers Sicht muss nach herben Verlusten wie diesen eine Führungsdebatte folgen. Fragen nach einer Verantwortung Seehofers für das Wahldebakel war Söder ausgewichen.

Nach dem vorläufigen Ergebnis kommt die CSU mit einem Minus von gut zehn Prozentpunkten nur noch auf 37,2 Prozent - ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950. Sie holt aber 85 Direktmandate, die übrigen 6 gehen an die Grünen. Die SPD halbiert mit Verlusten von rund elf Punkten ihr Ergebnis von 2013 und landet bei 9,7 Prozent. Zweitstärkste Kraft werden die Grünen mit 17,5 Prozent - mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2013. Es folgen die Freien Wähler mit 11,6 Prozent und die AfD mit 10,2 Prozent. Die FDP springt mit 5,1 Prozent ganz knapp über die entscheidende Hürde. Die Linke scheitert mit 3,2 Prozent.

Aiwanger hätte für die FW gerne drei Ministerien

Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung: CSU 85, SPD 22, Grüne 38, Freie Wähler 27, AfD 22 und FDP 11. Die Wahlbeteiligung liegt bei 72,4 Prozent (2013: 63,6).

Seit 1962 hatte die CSU Bayern mit Ausnahme der Wahlperiode 2008 bis 2013 allein regiert. Eine komfortable Mehrheit hätte jetzt eine schwarz-grüne Koalition. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze zeigte sich gesprächswillig: "Natürlich sind wir bereit, Verantwortung für dieses schöne Land zu übernehmen." Söder war jedoch skeptisch: "Inhaltlich sind die Grünen meilenweit entfernt." Er werde mit allen außer der AfD reden und strebe ein bürgerliches Bündnis an.

Nach den Hochrechnungen hätte eine Koalition mit den Freien Wählern eine Mehrheit. Deren Chef Hubert Aiwanger hätte als Koalitionspartner der CSU in einer neuen Bayerischen Staatsregierung gerne drei Ministerien. "Drei Stück an Ministerien werden wohl realistisch sein", sagte Aiwanger dem Radiosender Bayern 2 nach den Landtagswahlen. Dass sich die CSU nicht mit seiner Partei, sondern mit den Grünen einigt, hält er für unwahrscheinlich. "Wenn Söder Lust hat, sich die Finger zu verbrennen, soll er mit Roten und Grünen verhandeln. Da wird er auf keinen grünen Zweig kommen. Wir brauchen auch nicht die Latte sehr hoch zu legen und uns wie eine Prinzessin zu gebärden", erklärte der Parteichef.

Bei der Landtagswahl 2013 hatte die CSU mit 47,7 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit geholt. Dahinter landete die SPD mit 20,6 Prozent, gefolgt von Freien Wähler mit 9,0 und Grünen mit 8,6 Prozent. FDP und Linke scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde.

Söder hatte das Amt des Ministerpräsidenten erst im März von Seehofer übernommen. Vorausgegangen war ein heftiger interner Machtkampf, der sich nach dem schlechten Abschneiden der CSU (38,8 Prozent) bei der Bundestagswahl 2017 verschärfte. Seehofer behielt aber den CSU-Vorsitz und wechselte als Innenminister ins Kabinett Merkel.
(dpa)

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