Politik

Bernd Lucke, Bundesvorsitzender der Partei Alternative für Deutschland (AfD) im Oktober auf dem bayerischen Landesparteitag. (Foto: dpa)

02.02.2015

"Potenzial für rechte Partei ist da"

Politikwissenschaftlerin Ursula Münch über ein mögliches weiteres Erstarken der AfD und welche Parteien sich besonders Sorgen machen sollten

Ein weiteres Erstarken der AfD würde nicht nur die Union in Bedrängnis bringen. Sorgen machen müssten sich alle Parteien, meint Ursula Münch. Als Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing nimmt Münch, Jahrgang 1961, eine herausgehobene Stellung in der bayerischen Geisteswissenschaft ein. Denn ihr Amt bedeutet die inoffizielle Rolle einer Hauptsachverständigen in allen Fragen der bayerischen Politik, Direktorin der Tutzinger Akademie für Politische Bildung.

BSZ: Frau Münch, bisher war das deutsche Parteiensystem im Vergleich zu unseren Nachbarländern relativ stabil. Wird sich auch bei uns eine rechtspopulistische Partei etablieren?
Ursula Münch: Das Potenzial für eine Partei im rechten Lager war immer schon da. Etwa 15 Prozent - manche sagen 20 Prozent - der Bürger haben ein relativ rechtslastiges oder sogar geschlossen rechtes Weltbild. Da sind viele Nichtwähler dabei. In Ostdeutschland haben einige bisher die NPD unterstützt und gehen nun zur AfD oder sammeln sich bei Pegida. Die AfD hatte bislang dort Erfolge, wo die Wahlbeteiligung niedrig war und die anderen Parteien Schwierigkeiten mit der Mobilisierung hatten.

BSZ: Wie sehen Sie die Chancen der AfD, in den Bundestag oder den bayerischen Landtag einzuziehen?
Münch: Ich halte die AfD für etwas aussichtsreicher als die Piraten. Aber natürlich hat die AfD das gleiche Problem wie alle anderen Parteien: die Mobilisierung. Wenn das Protestelement verpufft und man feststellt, die neue Partei hat genau die gleichen organisatorischen Schwierigkeiten wie die Etablierten, dann lässt die Mobilisierung wieder nach. Heilserwartungen können von diesen neuen Parteien nicht erfüllt werden, denn auch die müssen sich auf Positionen einigen, Führungspersonal wählen und haben Richtungsstreitigkeiten.

BSZ: Apropos Richtungsstreitigkeiten. Welcher Flügel setzt sich bei der AfD durch?
Münch: Stark könnte die AfD nur sein, wenn sie es schafft, den eurokritischen und den rechten Flügel zu vereinen. Gegen den Euro gehen die Leute nicht auf die Straße. Die brauchen offensichtlich ein emotionaleres Thema. Wenn diejenigen an Fahrwasser gewinnen, die eine stärker rechte Positionierung in Richtung Ausländerfeindlichkeit anstreben, ist die Frage, wie viele Mitglieder die Partei im Zorn zurücklässt. Im Moment sieht es eher so aus, dass doch Parteimitglieder verloren gehen und es unter Umständen sogar zu einer Spaltung kommen könnte.

"Die CSU hat ganz andere Sorgen"

BSZ: Muss sich die CSU wegen der AfD Sorgen machen?
Münch: Die CSU hat meines Erachtens andere Sorgen. Das Wegbrechen der traditionellen Milieus, auf die man sich immer so wunderbar verlassen konnte, ist für die CSU eine größere Herausforderung als die AfD. So ist die Zahl der regelmäßigen Kirchgänger dramatisch nach unten gegangen. Das war die Wählerschaft der Union, und die stirbt der Union weg. Bisher hat die CSU das ganz gut hinbekommen. Aber der Erfolg ist nicht mehr so selbstverständlich. Es wird schwieriger, die absolute Mehrheit zu gewinnen. Die CSU hat aber nach wie vor einen großen Vorteil. Es gelingt ihr besser, ambitionierte junge Leute zu rekrutieren als den anderen Parteien in Bayern.

BSZ: Was ist mit dem alten Satz von Franz Josef Strauß: Rechts der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben?
Münch: Strauß' Überlegung war: Wenn sich rechts der Union eine Partei etabliert, geht das ausschließlich zu Lasten der Union. Das hat zu Strauß' Zeiten gestimmt, heute aber nicht mehr. Heute ist fast jede Partei mit fast jeder anderen bündnisfähig. Wenn die AfD Stimmen bekommt, geht das nicht nur auf Kosten der Union, sondern auf Kosten aller Parteien. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg hat die AfD viele Stimmen von der Linken bekommen. Die AfD ist eine Herausforderung für alle Parteien, wahrlich nicht nur für CSU oder CDU. (Interview: Carsten Hoefer, dpa) (Foto: Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing; dpa)

Kommentare (1)

  1. Steuerzahler am 02.02.2015
    Die CSU hat den Wählerwillen übersehen, es kann doch nicht sein, dass Deutschland der Zahler Nr. 1 in der EU ist. Und für Griechenland werden wohl noch weitere Zahlungen und Kredite fließen. Deshalb wähle ich die AFD!
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