Politik

Der Kreml in Moskau: Wie eng arbeitet die russische Politik mit den Nationalisten Europas zusammen? (Foto: Federico Gambarini/dpa)

22.05.2019

Riskante Nähe

Österreichs FPÖ-Skandal wirft einmal mehr auch Fragen zur Nähe der Rechtspopulisten in der EU zur russischen Politik auf. So mancher in Moskau setzt vor der Europawahl auf die AfD, die Lega in Italien, Le Pen und andere. Aber es gibt auch Kritik an diesem Kurs

Der Aufschrei in Moskau über den Video-Skandal der rechten FPÖ in Wien ließ nicht lange auf sich warten. Als handfeste Provokation bezeichnete der prominente Außenpolitiker Konstantin Kossatschow das kompromittierende Material gegen Österreichs nun zurückgetretenen Vizekanzler Hans-Christian Strache mit einer angeblichen russischen Spur.

Der Moskauer Senator sieht die "Attacke" als Doppelschlag kurz vor der Europawahl: einmal gegen die rechten Parteien in der EU und als Teil einer internationalen Kampagne gegen Russland.

Die russische Politik steht seit längerem im Ruf, auch mit der AfD, mit der Lega des italienischen Vize-Premiers Matteo Salvini, der französischen Nationalistin Marine Le Pen und dem niederländischen Islamgegner Geert Wilders eng zusammenzuarbeiten. Und auch diese Nähe zu Russland könnte jetzt der FPÖ zum Verhängnis geworden sein.

Zwar betont der im Zuge des Video-Skandals genannte russische Oligarch, er habe mit der Sache nichts zu tun. Auch der Kreml weist jedweden Verdacht einer Verwicklung zurück. Es ist weiter unklar, wer den damaligen FPÖ-Chef vor der Österreich-Wahl 2017 auf Ibiza in die Falle lockte. Aus russischer Sicht spricht einiges für eine Aktion eines westlichen Geheimdienstes, um Österreichs zunehmend enge Russland-Kontakte zu torpedieren.

Belege für Kontakte gibt es unzählige

Strache und der auch in Russland ausgebildete zwischenzeitliche FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus besprechen in dem Video mit der mutmaßlichen Nichte des Oligarchen Wahlkampfhilfe mit russischem Schwarzgeld. Im Tausch sollte es später Staatsaufträge geben.

Das Video solle offenbar den etablierten "liberalen Parteien" vor der Europawahl helfen, die vor einem Rekordergebnis stehenden europäischen Rechten zu schwächen, meinte Kossatschow in Moskau. Er beklagte, dass den Liberalen inzwischen jedes Mittel gelegen komme, die Rechten in der EU zu verunglimpfen.

Zwar betont die offizielle russische Politik immer wieder, sie mische sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Länder ein und unterstütze auch bei der EU-Wahl kein bestimmtes Lager. "Russland unterhält Kontakte mit allen politischen Kräften und ihren Vertretern, die daran Interesse zeigen. Unter ihnen gibt es Euroskeptiker und Proeuropäer. Es gibt Linke, Rechte und Zentristen", sagte der russische Botschafter bei der EU, Wladimir Tschischow, unlängst der Agentur Tass.

Aber Belege für Russland-Kontakte der Rechtspopulisten gibt es unzählige: Die russischen Staatsmedien etwa feiern die Besuche von AfD-Politikern auf der annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim als Zeichen einer Uneinigkeit in Europa. Die Auftritte moskaufreundlicher Rechtspopulisten aus der EU sollen russischen Zuschauern zeigen, dass das Land auch im Westen Verbündete hat. Salvinis Lega und die FPÖ haben schon vor Jahren eine Zusammenarbeit mit der Regierungspartei Geeintes Russland vereinbart.

Dauerärgernis für die EU: russische Trolle

Die Parteien fordern wie die AfD zur Freude Moskaus immer wieder, dass etwa die wegen des Ukraine-Konflikts verhängten Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden müssten.

Als unlängst bekannt wurde, dass die Tochter des Kremlsprechers Dmitri Peskow ein Praktikum bei einem rechten Parlamentarier im EU-Parlament absolvierte, hieß es in Kommentaren, dass der Kreml nun auch dort einen direkten Draht habe. Der russische Präsident Wladimir Putin empfing im französischen Präsidentenwahlkampf auch Le Pen als Kandidatin 2017. Ein russischer Kredit von neun Millionen Euro ist bisher aber die einzige bekannte Spur direkter Geldflüsse.

Im Fall Strache blieb allem Anschein nach alles auf Gesprächsebene. Trotzdem steht das Video auch beispielhaft für Vorwürfe europäischer Geheimdienste, dass Russland alles versuche, die Nationalisten zu stärken oder sie sogar an die Macht zu bringen und die EU zu destabilisieren.

"Russlands Ziel ist es, weiterhin die Einheit der EU zu untergraben, indem Unordnung und Unglaube in und zwischen den EU-Staaten gesät werden", heißt es im Jahresbericht des estnischen Auslandsgeheimdienstes. Dauerärgernis für die EU sind dabei auch russische Trolle, die gezielte Falschinformationen im Netz verbreiten. Darauf hat Brüssel mit der Internetplattform euvsdisinfo.eu geantwortet, die Desinformation aufdecken will.

Mahnende Stimme in Russland

Russland mischt sich nach Informationen europäischer Geheimdienste bislang aber weniger stark als befürchtet in den Europawahlkampf ein. Es gebe zwar Bemühungen, über soziale Netzwerke oder Medien wie den mehrsprachigen Nachrichtenkanal RT russlandfreundliche oder EU-kritische Parteien zu unterstützen, heißt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Lageberichten. Das russische Vorgehen sei bislang aber weniger sichtbar als vor der US-amerikanischen Präsidentenwahl 2016 oder der Wahl in Frankreich im Mai 2017.

Die riskante Nähe zu den Rechten in Europa ist indes selbst in kremlnahen Kreisen nicht unumstritten. Die Politologin Veronika Krascheninnikowa, die auch in der Regierungspartei Mitglied ist, warnte in einem großen Beitrag für das Magazin "Expert" im vergangenen Jahr davor, dass diese Kräfte eine Ideologie des Hasses gegen Migranten und Muslime pflegten. Zwar habe Russland die Kontakte, um zu zeigen, dass es nicht isoliert sei. Dass diese Kräfte nun an die Macht kämen, sei aber Grund zur Besorgnis, meinte Krascheninnikowa. Russland müssen dem entgegentreten.

Für einen Vielvölkerstaat wie Russland mit vielen Religionen sei ultrarechter Nationalismus der "direkte Weg zum Zerfall". Sie mahnte auch mit Blick auf den jedes Jahr groß gefeierten Sieg über den Faschismus im Zweiten Weltkrieg: "Ein solches Land kann keine Allianzen mit den modernen Erben eines zerstörten Reiches und mit Propagandisten des Hasses schmieden."
(Ulf Mauder, dpa)

Von Lega bis AfD - die rechten Gruppierungen im Europaparlament
Italiens Vizepremier Matteo Salvini will Europas zersplitterte Rechte nach der Wahl im EU-Parlament zusammenführen. Die Bandbreite potenziell Beteiligter an der geplanten neuen "Superfraktion" mit dem Namen "Bündnis Europäische Allianz der Völker und Nationen" ist groß. Ein Überblick:

Salvini selbst führt die rechte Lega an. In den vergangenen Jahren wetterte er vor allem gegen Flüchtlinge und Migranten, bezeichnete Sinti und Roma als "Würmer" und Migranten als "Abschaum". Er betreibt eine Politik der Abschottung Europas.

Im Wahlkampf traten noch der rechtsradikale Vlaams Belang aus Belgien mit auf, Marine Le Pens Rassemblement National (früher Front National) aus Frankreich, die rechte FPÖ aus Österreich sowie die Alternative für Deutschland (AfD).

Aus den Niederlanden signalisierte der Islamfeind Geert Wilders Unterstützung, aus Finnland die EU- und migrationsskeptische Partei Die Finnen (ehemals Wahre Finnen). Hinzu können Gruppierungen am rechten Rand des Spektrums etwa aus Bulgarien, Tschechien oder Dänemark kommen. Viele von ihnen sind im Parlament bislang in der ENF-Fraktion (Europa der Nationen und der Freiheit) organisiert.

Die AfD ist derzeit noch in der Fraktion Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD), unter anderem mit der EU-feindlichen Ukip-Partei aus Großbritannien sowie der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung aus Italien. Beide Fraktionen, EFDD und ENF, werden sich nach der Wahl voraussichtlich neu organisieren.

Andere - eher EU-kritisch bis nationalkonservativ orientierte - Parteien gehören im Europaparlament derzeit zur Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR). Dazu zählt die polnische Regierungspartei PiS, die mit der EU-Kommission und etlichen anderen EU-Staaten wegen Angriffen auf die Unabhängigkeit der Justiz im Clinch liegt. Auch die britische konservative Regierungspartei von Theresa May (Tories) ist hier stark vertreten. Hinzu kommen etwa die flämischen Nationalisten aus Belgien (N-VA).

Nach der Wahl könnte sich auch Ungarns rechtsnationaler Premier Viktor Orban neu orientieren. Seine Fidesz-Partei war zuletzt bei der konservativen Parteienfamilie (Europäische Volkspartei/EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, in Ungnade gefallen und suspendiert worden.

Fraglich ist zudem, wie sich die Brexit-Partei von Nigel Farage positionieren wird. Der ehemalige Ukip-Chef wettert nach wie vor gegen "Brüssel", sein erklärtes Ziel ist jedoch einzig und allein der britische EU-Austritt.
(dpa)

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