Politik

Die Titanic hat erlebt: Muslime sind duldsamer als Christen. (Foto: dpa)

16.01.2015

Satire soll alles dürfen - oder doch nicht?

Auch in Deutschland machen sich Medien über Religion lustig - was wiederum die CSU nicht lustig findet

Alle sind Charlie. Nur die CSU macht Zicken. Zwar hält sie gemeinsam mit der gesamten westlichen Welt und Frankreich an der Spitze die Pressefreiheit hoch. Und will sie andererseits doch ein bisschen aufweichen: Der Blasphemieparagraph soll verschärft werden. Der Altöttinger CSU-Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Stephan Mayer hat Forderungen von FDP und Grünen zurückgewiesen, den Strafrechtsparagraphen abzuschaffen: „Eher sollte über die Anhebung des Strafrahmens gesprochen werden.“
Vorstöße, den einschlägigen Paragraphen 166 des Strafgesetzbuchs wieder zu verschärfen, kommen aus der CSU seit 1969. Damals war aus der Gotteslästerung der Straftatbestand der Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses geworden. Der Strafrahmen blieb der gleiche, Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Voraussetzung ist: Der Text beziehungsweise die Tat muss „geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören“. Erst kürzlich wurde die Femen-Aktivistin Josefine Witt vom Amtsgericht Köln zu einer Geldstrafe von 1200 Euro verurteilt, weil sie im Kölner Dom barbusig auf den Altar gesprungen war, um gegen die Männerbastion katholische Kirche zu protestieren.

„Die Franzosen lieben Satiremagazine, kaufen sie aber nur, wenn vorher jemand erschossen wurde.“


Derweil geht die Titanic, das einzige ernstzunehmende deutsche Satiremagazin, auf ihre Art mit dem Mord an ihren Pariser Kollegen um. Den plötzlichen Hype um Charlie Hebdo kommentiert die Titanic mit der trockenen Feststellung: „Die Franzosen lieben Satiremagazine, kaufen sie aber nur, wenn vorher jemand erschossen wurde.“ Dem kann man schlecht widersprechen: Charlie Hebdo hatte eine Auflage von 60 000, schrammte oft knapp an der Insolvenz vorbei. Nach der Ermordung der halben Redaktion ist die Auflage auf fünf Millionen hochgeschnellt. Titanic-Chefredakteur Tim Wolff wurde aber auch grundsätzlich: „Satire ist ein Menschenrecht, ein Grundrecht, und alle Menschen haben ein Recht darauf, verarscht zu werden. Und das sollte nicht aufhören, nur weil es Idioten gibt, die um sich ballern.“ Ganz ähnlich äußerte sich dieser Tage auch der Nürnberger OB Ulrich Maly (SPD): „Wer nicht verarscht werden darf, ist eine arme Sau.“
In Deutschland haben beim Ranking der beleidigten Leberwürste allerdings keineswegs die Muslime die Nase vorn, wie Titanic-Chefredakteur Tim Wolff berichtet. Seine Satiremannschaft habe den Islam in den vergangenen Jahren beileibe nicht verschont. Doch Beschimpfungen und Drohanrufe kamen nicht von Muslimen: „Man kann Christen oder Michael-Schumacher-Fans sehr viel leichter verärgern.“ Ärger bekam die Titanic beispielsweise im Juli 2012, als sie sich über Papst Benedikt und dessen „undichte Stelle“ lustig machte (der päpstliche Kammerdiener hatte Dokumente von Ratzingers Schreibtisch entwendet). Nach einigem Hin und Her zog Rom den Antrag auf einstweilige Verfügung zurück.
Allein die CSU gab nicht so schnell auf und nahm auch diesen Fall zum Anlass, die Verschärfung des Paragraphen 166 zu fordern. Die Situation schien günstig: Im gleichen Sommer 2012 kursierte ein antiislamisches Video, und Charlie Hebdo brachte Mohammed-Karikaturen. Parteichef Horst Seehofer legte sich persönlich ins Zeug und verkündete: „Wenn das vorhandene Recht solche Provokationen nicht beherrscht, dann muss man überlegen, wie man es beherrschbar macht.“ Eine Mehrheit dafür, das Rad der Geschichte in Sachen Paragraph 166 zurückzudrehen, ist aber nicht in Sicht. Gott sei Dank. (Florian Sendtner)

Kommentare (1)

  1. Roland am 22.01.2015
    Die Parteien werden schon
    die Quittung bei den nächsten
    Wählen erhalten.
    Gerade in Bayern
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