Politik

28.11.2014

Schändlich verräumtes Erbe

Ein Kommentar von Florian Sendtner

Gurlitts Nachlass geht also in die Schweiz. Die Erleichterung war allen Beteiligten ins Gesicht geschrieben, als jetzt in Berlin die Vereinbarung zwischen dem Kunstmuseum Bern, Bayern und dem Bund unterzeichnet wurde: Danach werden zwei Drittel des sensationellen Schwabinger Kunstschatzes das Münchner Zolldepot demnächst Richtung Schweizer Grenze verlassen. Das restliche Drittel, etwa 500 Bilder, die unter Raubkunstverdacht stehen, verbleibt vorläufig in bayerischer Obhut. Die Berlin-München-Taskforce soll hier ein weiteres Jahr Provenienzrecherche betreiben. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein. Während des gesamten ersten Jahres ihres Bestehens hat die Taskforce bei ganzen drei Bildern die von den Nazis bestohlenen jüdischen Eigentümer ermittelt. Die Bilder sind mittlerweile berühmt: Max Liebermanns „Zwei Reiter am Strand“, die „Sitzende Frau“ von Henri Matisse und zuletzt „Das musizierende Paar“ von Carl Spitzweg. Nur leider hat keiner der Erben der ursprünglichen Eigentümer das Diebesgut bislang wiedergesehen. Die Mühlen der von einer pensionierten Verwaltungsjuristin geleiteten Taskforce mahlen langsam.

Die Taskforce hat sich bislang nicht mit Ruhm bekleckert


Der ganze Fall Gurlitt wurde von Anfang an von den Juristen und Bedenkenträgern in Beschlag genommen. Mit Leichenbittermiene will man der deutschen Verantwortung Rechnung tragen. Der Staat fühlt sich ertappt – zu recht: 70 Jahre lang hat er das Thema Raubkunst und „entartete Kunst“ unter den Teppich gekehrt. Jetzt, da sich der Teppich an einer Stelle massiv wirft, steht man peinlich berührt daneben und ist heilfroh, wenn man sich an den unverhofft wiederaufgetauchten Kunstwerken nicht die Finger verbrennt.
Es ist ein Trauerspiel. Dabei hätte das Ganze ein großes, freudiges Kunstfest sein können: Über 1500 verschollen geglaubte Bilder, teils von den Nazis geraubt, teils als „entartet“ verfemt und verscherbelt, existieren doch noch! Man hätte die Sammlung Gurlitt spätestens nach Gurlitts Tod im Mai in München öffentlich ausstellen müssen. Das hätte der Provenienzrecherche auf die Sprünge geholfen und ein öffentliches Bewusstsein geschaffen, worum es hier eigentlich geht. Stattdessen: Geheimniskrämerei, juristische Winkelzüge, Verschleppung. Und jetzt: ab in die Schweiz, Deckel zu. Glasnost ist im Fall Gurlitt leider ein Fremdwort.

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