Politik

Eucharistie: Nicht für wiederverheiratete Geschiedene. (Foto: DAPD)

22.06.2012

Scheidungskind? Letzte Bank!

Päpstliche Mundkommunion für den Ministerpräsidenten – ein Fall für Kirchenjuristen

Die Frau will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Selbstständig, Ende vierzig, wohnhaft in der Nähe von Regensburg. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre ging sie in der Bischofsstadt in die Schule, in die Mädchenrealschule Niedermünster im Schatten des Doms. Kaum fällt ihr die Schulzeit wieder ein, platzt es aus ihr heraus: Ein Scheidungskind hatten sie in der Klasse! – Allein der Begriff klingt heute befremdlich. Damals aber war er geläufig, und niemand fand etwas dabei. Am allerwenigsten die Nonnen von Niedermünster. Die, so berichtet die Frau, die nicht genannt werden will, erklärten den Umgang mit dem Scheidungskind für verpönt, legten den Klassenkameradinnen nahe, das Scheidungskind zu meiden. Heutzutage würde sowas als klarer Fall von Mobbing vor Gericht landen.

Auf dem Büßerplatz

Zweiter Fall, Ende der 80er, ein Bauerndorf in Niederbayern: Eine alleinerziehende Mutter, frisch geschieden, der Sohn und drei Jahre danach die Tochter haben Erstkommunion. Die Erstkommunionkinder sitzen logischerweise in der ersten Reihe. Bis auf die Scheidungskinder. Der Pfarrer weist ihnen den Büßerplatz in der letzten Reihe zu. Nun könnte man natürlich einwenden: Wieso hat die Frau (heute Anfang 50) ihre Kinder nicht einfach von der Erstkommunion abgemeldet? Doch die Frage verkennt die dörfliche Realität Ende der 80er: Ein Ausscheren war damals nicht drin, ist es auch heute oft noch nicht.
Vor diesem Hintergrund ist die Freiburger Initiative zur innerkirchlichen Entkriminalisierung wiederverheirateter Geschiedener zu sehen. Über 200 Priester und Diakone der Erzdiözese im Südwesten der Republik haben die „Freiburger Erklärung“ bereits unterschrieben, die von Rom fordert, dass Geschiedene, die ein zweites Mal geheiratet haben, nicht weiter ausgegrenzt werden. Genau dasselbe erklärt zwar Papst Ratzinger zu seinem Herzensanliegen, allerdings nur in einem allgemeinen, unverbindlichen Sinn. Konkret, so Benedikt, bleibe es dabei, dass die Betroffenen von den Sakramenten der Beichte und der Eucharistie ausgeschlossen sind.

Selbst Vatikanologen haben ihre Zweifel

Freiburg ist weit weg, Freiburg ist nicht Bayern? Im Prinzip schon. Nur hat der bayerische Ministerpräsident höchstselbst mit eben dem gleichen Problem zu kämpfen. Am 16. April diesen Jahres, vor gut zwei Monaten, empfing Seehofer im Vatikan die heilige Kommunion. Ein Foto zeigt Gottes Diener Horst kniend vor Seiner Heiligkeit, die ihm die Mundkommunion verabreicht. Nun ist der Mann aber standesamtlich in zweiter Ehe verheiratet, und ob seine erste Ehe, auch kirchlich geschlossen, indes mit einer Evangelischen, kirchenrechtlich kurzerhand auszuradieren ist, da haben selbst Vatikanologen und Kenner des kanonischen Rechts so ihre Zweifel.
Für Sigrid Grabmeier, die Pressesprecherin der Vereinigung Wir sind Kirche in Deutschland, ist die Freiburger Erklärung „eine klare Botschaft“. Grabmeier gegenüber der BSZ: „Offensichtlich ist die Zeit reif, der Unmut hat eine derart lange Reifezeit gehabt, dass seine Früchte jetzt aufplatzen wie die Kastanien.“ Grabmeier weist darauf hin, dass „inzwischen sehr viele Familien betroffen“ sind – den Hinweis auf den bayerischen Ministerpräsidenten verkneift sie sich.
Das vorläufig letzte Wort in Sachen kirchlicher Moralaufsicht hat das Augsburger Verwaltungsgericht gesprochen. Eine katholische Pfarrkirchenstiftung wollte einer Kindergartenleiterin kündigen, weil sie bei ihrem Arbeitgeber die Eintragung einer Lebenspartnerschaft mit einer Frau angemeldet hatte. Das Gewerbeaufsichtsamt stimmte der Kündigung nicht zu, dagegen klagte die Kirche – und verlor. Was die Kirchenvertreter nicht bedacht hatten: Die Kindergartenleiterin befindet sich in Elternzeit. Eine Frau mit einem Kleinkind, schrieben die Verwaltungsrichter der Kirche ins Stammbuch, unterliege aber besonderen Schutzbestimmungen. Auch wenn ihre gleichgeschlechtlichen Neigungen dem Herrn Papst nicht zusagen. (Florian Sendtner)

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