Politik

22.06.2012

Scheinankündigung eines Scheinbruchs

Die für ihre Eigenständigkeit weltberühmte CSU stänkert gegen die Kanzlerin und hofft, dass die sich nun fürchtet

Irgendwie, und sei es beim Studium der Fernsehnachrichten, muss Horst Seehofer den Eindruck gewonnen haben, dass die Bundeskanzlerin zur Zeit einen schweren Stand habe, wenn auch nur in Europa und nicht unmittelbar in Bayern. Und schon hat sich der hiesige Ministerpräsident überlegt, wie er diese momentane Schwäche ausnützen könne.
Seehofer wird den Teufel tun und jemanden angreifen, der im Vollbesitz seiner Macht und dann auch noch allseits beliebt ist. Doch eine Kanzlerin zu ärgern, die ein paar Probleme am Hals hat, wird er für eine hochpolitische Raffinesse halten.
Was aber, wenn Angela Merkel sich gar nicht ärgert? Hat im Gespräch mit seinen Beratern der Regierungschef diese unangenehme Variante berücksichtigt? Wenn ja, dann nur, um die Notwendigkeit zu erspähen, besonders kräftig auf den Putz zu hauen. Die Chefin einer Drei-Parteien-Koalition soll glauben, rein theoretisch sei die CSU ein so unsicherer Kantonist wie die FDP.

Wer ängstigt sich vor wem?


Seit 1949 kann sich die CDU ihrer bayerischen Schwester sicher sein – Grund genug, in unregelmäßigen Abständen so zu tun, als stimme das Gegenteil. Die leitenden Herren der CSU sind gegen „Nibelungentreue“. Deshalb betonen sie das Wort auch immer verkehrt, nämlich auf der dritten Silbe anstatt auf der ersten.
Als männliches Wesen hat Seehofer sicher gemerkt, dass kräftige Männer aus der CDU von Angela zuweilen schneller gefeuert wurden, als sich das die Koalitionspartner oder die Herren selbst vorzustellen vermochten. Seehofer möchte weder gefeuert noch hinwegkomplimentiert werden – auch nicht schlichtweg abtropfen. Deshalb ist es gut für ihn (und vielleicht sogar für die CDU), dass er in der für ihre Eigenständigkeit weltberühmten CSU ist. Nach wie vor hat Berlin, früher Bonn, in dieser Partei das eigenständigste Daueranhängsel, das sich denken lässt. Was alles nicht heißen soll, dass Seehofer nicht das eine oder andere anerkennende Wort verdiente.

Lohn für Opernmuffel


Unter uns sei angemerkt, dass sich das Betreuungsgeld für die Scheinankündigung eines Scheinbruchs der Koalition ganz besonders gut eignet. Das ist nämlich ein Thema, bei dem die Bevölkerung den Durchblick hat. Den hat sie, nur ein Beispiel, bei den vielen europäischen Rettungsschirmen schon längst nicht mehr. Doch ein bürgerliches Ehepaar, das ein Kleinkind hat und plötzlich 150 Euro kriegt, kann sich jeder ziemlich genau vorstellen. Fast jeder bildet sich auch ein Urteil darüber, ob Papa die 150 Euro ins Wirtshaus tragen oder Mama sie sonstwo verpulvern wird. Die Leute verstehen vermutlich auch, dass der Betrag als neckische Anerkennung gedacht ist und nicht als Vorfinanzierung künftiger Skiurlaube und Designerklamotten. Allerdings könnten Opernmuffel jetzt einen Lohn dafür erwarten, dass sie keinen subventionierten Parkettplatz beanspruchen.
Das wäre ein Argument für die FDP, zu der Seehofer in seinem Übereifer zu hart ist. „Endlich einmal schweigen“ solle sie, sagte er neulich. Geht doch gar nicht.
(Roswin Finkenzeller)

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