Politik

Im Gütertransport auf dem Binnenschiff steckt noch enormes Potenzial. (Foto: Bayernhafen / Michael Ziegler)

31.03.2023

Schiff statt Schiene und Straße

Warum wird der Güterverkehr nicht stärker aufs Wasser verlagert?

Auf Deutschlands Flüssen und Kanälen sind im vergangenen Jahr so wenig Güter transportiert worden wie nie seit der Wiedervereinigung 1990. Laut Statistischem Bundesamt beförderten Binnenschiffe 182 Millionen Tonnen Güter. Das sind 6,4 Prozent weniger als 2021. Den Tiefststand erklärt die Statistikbehörde damit, dass es – unter anderem wegen des Ukraine-Krieges – Rückgänge bei wichtigen Transportgütern wie Heizöl oder Steine und Erden gab. Zudem machten im August 2022 Trockenheit und Niedrigwasser der Binnenschifffahrt zu schaffen.

Doch bis 2051 wird der Verkehr überall in Deutschland zunehmen, besonders stark im Güterbereich. So sieht es die im Auftrag der Bundesregierung von Intraplan aus München erstellte langfristige Verkehrsprognose. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, steigt im Güterbereich die Verkehrsleistung um die Hälfte – von 679 auf 990 Milliarden Tonnenkilometer. Trotz angestrebter Verkehrswende wird der Lkw das dominierende Verkehrsmittel bleiben, das Plus bis 2051 beträgt 54 Prozent. Der Güterverkehr auf der Schiene wird um ein Drittel zulegen, während die Wasserstraße stagnieren wird.

Doch ohne die Logistikdrehscheiben Binnenhäfen und die dazugehörenden Wasserstraßen ist eine echte Verkehrswende nicht machbar. „Die bereits seit Jahrzehnten dauernde Vernachlässigung der Wasserstraßen muss beendet werden“, fordert Joachim Zimmermann, Geschäftsführer von Bayernhafen und gleichzeitig Präsident des Bundesverbands öffentlicher Binnenhäfen (BÖB). Sein Unternehmen betreibt die Häfen in Aschaffenburg, Bamberg, Nürnberg, Roth, Regensburg und Passau.

Nur 600 Millionen Euro für die Binnenschifffahrt reichen nicht

Vor allem übergroße und schwere Stückgüter wie etwa Transformatoren oder Bauteile von Windenergieanlagen sollten verstärkt auf das Wasser verlagert werden. „Neue Märkte ließen sich auch im Bereich kleinerer Ladungsmengen erschließen“, erklärt Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB).

Aber damit sind die Probleme der Binnenschifffahrt nicht gelöst. So sind Investitionen in die Infrastruktur mehr als überfällig. Dazu müssen Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigt werden. „Gut ausgebaute Wasserstraßen geben den Kunden aus der Industrie die notwendige Planbarkeit und Verlässlichkeit für den Gütertransport auf dem Wasser“, sagt Schwanen. Auf diese Weise würden über Rhein, Main, Main-Donau-Kanal und Donau umweltschonende Verkehre von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer möglich.

Die größte bundespolitische Herausforderung besteht darin, von der Regierung ausreichend Geld und Personal für den Erhalt und Ausbau der Flüsse und Kanäle zu erhalten. Für die Wasserstraßen ist die WSV zuständig, eine Bundesbehörde mit 12.000 Mitarbeitenden. Für die Erfüllung ihrer Aufgaben bräuchte sie laut BDB rund 2 Milliarden Euro pro Jahr, damit die teilweise bereits seit Jahrzehnten beschlossenen Ausbaumaßnahmen umgesetzt werden können. In diesem Jahr stehen aber für Investitionen in die Flüsse und Kanäle nur rund 600 Millionen Euro bereit, nachdem die Bundesregierung den Wasserstraßenetat massiv gekürzt hat. „Mit dem zur Verfügung stehenden Geld kann nicht einmal der Substanzverlust gestoppt werden“, klagt Schwanen mit Verweis auf das hohe Alter und den schlechten Zustand der Schleusen und Hebewerke im Land.

Binnenhäfen als Güterdrehscheibe

Damit Binnenhäfen als Güterdrehscheibe zur Versorgung von Gesellschaft und Industrie funktionieren können, müssen sich alle Entscheidungsebenen aus Bundes-, Landes und Kommunalpolitik dafür einsetzen. Eine Umnutzung von Häfen für Wohnbebauung, Kultur oder gar für den Bau eines ICE-Werkes im Nürnberger Hafen – wie vom Bund Naturschutz gefordert – sind da kontraproduktiv.

Die Wirtschaft ist durchaus interessiert, den Verkehrsträger Wasserstraße stärker zu nutzen. Nur die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Dazu sollte auch der Transport von Containern auf Binnenschiffen attraktiver werden. Auf dem Rhein ist das bereits gängige Praxis. Doch der Main-Donau-Kanal stellt ein Nadelöhr dar. Denn die Brücken sind nicht hoch genug für drei- bis vierlagig mit Containern beladene Schiffe. Unter den rund 120 Brücken auf der Strecke von Bamberg bis Regensburg passen zur zweilagig beladene Containerschiffe durch. Das rechnet sich nicht. Doch die Brücken zu erhöhen, ist eine Utopie. Bleibt also nur ein verstärkter Einsatz von Containern von Bamberg Richtung Nordsee und von Regensburg Richtung Schwarzes Meer.

Nach den jüngsten Beschlüssen des Koalitionsausschusses der Ampel-Regierung gilt es, jetzt besonders in Berlin Druck zu machen, damit Wasserstraßen nicht hinten runterfallen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hätte da ein reiches Betätigungsfeld.
(Ralph Schweinfurth)

 

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