Politik

12.11.2020

Schließung von Theatern und Museen: Ist der Kultur-Lockdown verhältnismäßig?

Der neue Corona-Lockdown legt das Kunst -und Kulturleben auf Eis. Ob die Schließung von Theatern und Museen wirklich verhältnismäßig ist, darüber sind sich Bayerns Kunstminister Bernd Sibler (CSU) und Andreas Beck, Intendant der Münchner Residenztheaters, uneins

JA

Bernd Sibler (CSU), bayerischer Kunstminister

Mein großer Wunsch ist es als Kunstminister natürlich, unseren Kunst- und Kulturschaffenden im Freistaat wieder Auftritte zu ermöglichen und dem Publikum wieder Kunst und Kultur vor Ort erlebbar zu machen. Die Zahlen an Infizierten steigen jedoch momentan rasant an. Die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich zu. Deshalb müssen wir als Staatsregierung verantwortungsvoll und umsichtig agieren, um einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern. Aus diesem Grund müssen wir auch Fragen von Öffnungen immer vor dem Hintergrund des derzeitigen Infektionsgeschehens bewerten.

Bayern geht mit seinen Maßnahmen auch keinen Sonderweg. Wir setzen mit dem Lockdown Light den Plan von Bund und Ländern eins zu eins im Freistaat um und reduzieren die Kontakte um 75 Prozent, damit sich die Lage wieder entspannen kann. Ich bin mir bewusst, dass Kultureinrichtungen viel Mühe in Sicherheits- und Hygienekonzepte investiert und sich kluge Gedanken gemacht haben. Es geht aber nicht nur um die Gefahr in der Einrichtung selbst. Allein auf dem Weg zu einer Veranstaltung entstehen zwangsläufig Kontakte zu anderen Menschen, die das Ansteckungsrisiko erhöhen. Wir sind also nicht auflösbaren Widersprüchen ausgesetzt. Auf der einen Seite ist in Zeiten wie diesen Kultur enorm wichtig, sie verbindet Menschen und schenkt Freude in schwierigen Zeiten. Perspektive, Zusammenhalt und Solidarität sind daher zentral. Auf der anderen Seite ist der Schutz der Menschen vor dem Virus eine ethische Verpflichtung. Aus diesem Grund möchten wir mit unseren neuen Unterstützungsangeboten Mut machen und Aussichten bieten: Wir unterstützen Kunstschaffende mit einem neuen Solo-Selbstständigen-Programm zum Ersatz des Unternehmerlohns. Wir führen ein neues Stipendienprogramm für künstlerische Nachwuchstalente ein, die in der Anfangsphase ihrer professionellen Laufbahn stehen. Zusätzlich haben wir unser Spielstättenprogramm erweitert und zusammen mit dem Laienmusikprogramm über 2020 hinaus verlängert. Ich weiß: Die Hilfsprogramme ersetzen keine Auftrittsmöglichkeiten, aber ich hoffe, dass sie die Not lindern können, bis wir die Krise überwunden haben.

NEIN

Andreas Beck, Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels (Münchner Residenztheater)

Es geht um unsere Solidarität untereinander und das heißt, es betrifft uns alle. Die Zeit ist bleiern und wirft aufs Neue alte Fragen auf.

Dass Orte mit erprobten, sicheren Hygienekonzepten, grandiosen Lüftungssystemen und Verhaltensmaßnahmen wie infektiöse Schmuddelecken geschlossen werden, bleibt ungerecht. Und es zeigt sich, dass unsere Debattenkultur kränkelt. Ist es verhältnismäßig, Theater und Museen zu schließen? Nein. Ist es ein Beitrag der Subventionsnehmer zu gesellschaftlicher Solidarität, Kontakte herunterzufahren? Ja.

Dass Shoppingcenter offen bleiben, Orte der Sammlung und Bildung schließen, Bühnen als „moralische Anstalt“ (Schiller) unzugänglich gemacht werden, ist ein Problem. Dem darf man nicht mit Symbolpolitik begegnen, und es bleibt offen, wie viel Solidarität vom Subventionsnehmer verlangt werden kann, ohne dass dieser bleibenden Schaden nehmen wird.

Medizin und Behandlung müssen sich beweisen. Und so wie nicht irgendein populistischer russischer Impfstoff als Heilmittel gefeiert wird, müssen die Methoden jetzt, da wir mit dem Virus viel länger als gedacht leben müssen, immer wieder diskutiert werden.

Warum erkennen die Verantwortlichen nicht auch das Potenzial der Theater für den Zusammenhalt, ein Ventil, das gemeinschaftsbildende Element? Wie gut und wie sehr nutzen die Verantwortungsträger ihre Kultureinrichtungen? Wie stark ist unsere Lobby?

Das Residenztheater wurde direkt nach dem Krieg wieder aufgebaut, „in Zeiten großer innerer und äußerer Not soll das Theater ... Freude und Besinnung schenken“, sagt eine Gedenktafel. Es sind Orte der Erbauung und Bildung, der Diskussion und Katharsis, keine Freizeiteinrichtungen oder Saunaclubs, hier wird unser gesellschaftliches kulturelles Erbe lebendig gehalten.

Wir müssen lernen zu differenzieren, wollen wir nicht alles gefährden. Die Infektionsgefahr darf einer kulturellen Laxheit nicht Vorschub leisten.

(Fotos: StMWK und Lucia Hunziker)

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