Politik

Fühlen sich schlecht bezahlt: Mediziner in kommunalen Kliniken.(Foto DDP)

21.05.2010

Schonkost für den Onkel Doktor

Die Mediziner in den kommunalen Kliniken fordern 5 Prozent mehr Lohn – doch den Arbeitgebern fehlt das Geld

Die Ärzte in den kommunalen Krankenhäusern wollen mehr Geld. Sie verweisen darauf, dass die Weißkittel im Ausland oder in den Privatkliniken weit mehr verdienen. Doch viele städtische Krankenhäuser arbeiten schon jetzt am Rande der Profitabilität. Ohne Einsparungen drohen mittelfristig zahlreiche Pleiten. Nein, wenig verdienen die Mediziner in Bayerns kommunalen Krankenhäusern nicht. Das weiß auch Klaus-Martin Bauer, Chef der Medizinergewerkschaft Marburger Bund: „Das Gehalt ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen nicht schlecht“, räumt er freimütig ein. Ein Assistenzarzt verdient laut Tarifvertrag im dritten Berufsjahr derzeit 4018 Euro brutto im Monat. Hinzu kommen nach Angaben der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) noch einmal bis zu 1448 Euro an Bereitschaftszulagen. Alles in allem streicht ein junger Doktor so oftmals rund 60 000 Euro brutto im Jahr ein. Sein Facharztkollege verdient im siebten Berufsjahr sogar bis zu 7360 Euro monatlich. Zudem profitiert er noch von mehr oder weniger üppigen Zusatzeinkünften dank der Privatpatienten. Davon können viele andere Berufsgruppen nur träumen. „Allerdings ist dafür die Arbeitsbelastung sehr hoch“, rechtfertigt Bauer die dicken Gehälter. Denn bundesweit fehlen Umfragen zufolge rund 5000 Krankenhausärzte – der Großteil laut Marburger Bund in kommunalen Kliniken. „Das erhöht den Druck auf den Einzelnen immens.“ Darüber hinaus sind die Gehälter in städtischen Einrichtungen oft weit geringer als etwa in der Pharmabranche, dem Ausland oder in privaten Krankenhäusern. Auch eine Arztpraxis ist für die meisten Weißkittel deutlich attraktiver als der stressige Klinikalltag. So verdient etwa ein Allgemeinmediziner in einer Gemeinschaftspraxis laut Statistischem Budesamt – ohne den der Beiträge zur privaten Kranken- und Rentenversicherung – rund 125 000 Euro. Manche Facharztbezüge wie etwa die von Radiologen liegen sogar noch weit darüber. „Die Arbeit in den kommunalen Krankenhäusern muss wieder attraktiver für junge Ärzte werden“, findet Gewerkschafter Bauer. Der Marburger Bund fordert deshalb in den laufenden Tarifverhandlungen neben 5 Prozent mehr Lohn auch bessere Arbeitsbedingungen. Bauer kritisiert: „Derzeit bekommen die Ärzte gerade einmal einen Nachtzuschlag von 1,28 Euro pro Stunde.“ Die Arbeitgeber hatten zuletzt 2,9 Prozent mehr Geld für 33 Monate angeboten. Zu wenig, findet Bauer. Nach seinen Berechnungen entspricht dieser Vorschlag lediglich einem jährlichen Gehaltszuwachs von 0,73 Prozent. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, streiken seit Montag bundesweit rund 15 000 Klinikärzte. Besonders betroffen ist München: Dort gingen am Montag bis zu 4000 Weißkittel auf die Straße. Bei den kommunalen Arbeitgebern stößt die Kritik der Ärztevertreter auf wenig Verständnis. „Die Belastung der Ärzte in kommunalen Krankenhäusern ist geringer als die in anderen Häusern“, sagt eine VKA-Sprecherin. Sie verweist auf die längeren Arbeitszeiten der Ärzte an den Uni-Kliniken. Diese müssen laut Tarifvertrag mit 42 Stunden in der Woche zwei Stunden länger malochen als ihre Kollegen in städtischen Häusern. und falsch. „Der genannte Nachtzuschlag von 1,28 Euro gilt überhaupt nicht für die Ärzte, sondern nur für Schwestern.“ Die Mediziner bekämen deutlich mehr. Die Forderungen der Ärzte seien angesichts leerer Kassen der Träger nicht finanzierbar. „Wir bekommen nur 1,5 Prozent mehr Budget von den Krankenkassen. Und daraus muss alles von der höheren Stromrechnung, über die Schwestern – bis zu den Ärztegehältern bezahlt werden“, so die Sprecherin. Die Zahl der Pleiten unter den kommunalen Krankenhäusern könnte wegen den wegbrechenden Einnahmen der Städte und Gemeinden einer aktuellen Studie zufolge auch ohne höhere Ärztegehälter schon bald deutlich zunehmen. „Mittel- bis langfristig ist davon auszugehen, dass insbesondere im ländlichen Bereich die derzeit bestehende Krankenhausinfrastruktur nicht in vollem Umfang wird aufrechterhalten werden können“, heißt es im Krankenhaus Rating Report 2010. Wiesen im vergangenen Jahr bundesweit noch 11 Prozent aller kommunalen Kliniken eine erhöhte Insolvenzgefahr auf, dürften sich den Forschern des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zufolge 2020 bereits 18 Prozent der Häuser der in einer Schieflage befinden. Um dies zu verhindern sind laut der Studie „ab 2011 durchschnittliche jährliche Kostensenkungen von 0,25 Prozent durch Produktivitätsfortschritte nötig“. Die Experten betonen aber auch, dass sich die Situation der kommunalen Kliniken aufgrund des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes (KHRG) der mittlerweile abgewählten großen Koalition seit 2008 verbessert hat. Seither fließt deutlich mehr Staatsknete in die Kliniken. Laut der Studie wird dieser Effekt aber nur von kurzer Dauer sein. „Auch die Ärzte müssen ihren Beitrag leisten“, fordert deshalb eine VKA-Sprecherin. Sie verweist darauf, dass die Zahl der Krankenhausmediziner von 1998 bis 2008 von 120 000 auf 139 000 anstieg. Vor allem wegen der demographischen Entwicklung sei dieser Zuwachs jedoch zu gering ausgefallen, findet Bauer. „Während sich attraktive Standorte wie München bislang kaum Sorgen machen müssen, finden andere bayerische Krankenhäuser schon jetzt immer schwerer Nachwuchs“, erläutert der Gewerkschafter. Die Politik müsse deshalb für bessere Rahmenbedingungen sorgen. Das Lohnplus für die Ärzte dürfe nicht zu Lasten anderer Krankenhausmitarbeiter gehen. Denn auch bei den Pflegern herrscht längst ein Notstand. 50 000 Pflegestellen bauten deutsche Krankenhausbosse seit Mitte der neunziger Jahre bei ihren Sanierungsbemühungen ab. Auch anderswo gibt es kaum mehr Einsparmöglichkeiten. Die Hände reiben sich derweil die privaten Kliniken. Sie haben weit weniger Nachwuchssorgen. Ein Sprecher der Rhön Klinikum AG frohlockt: „Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber gerade auch für junge Ärzte.“ (Tobias Lill)

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