Politik

Flüchtlinge können in der Lernwerkstatt auf dem Gelände der Bayernkaserne in München in mehrwöchigen Kursen erste Erfahrungen in verschiedenen Handwerksberufen sammeln. (Foto: dpa)

05.08.2015

Schrauben für die Zukunft

Die Jugendlichen sind erst wenige Wochen in Deutschland, geflüchtet aus Syrien, Eritrea oder dem Irak. In der Lernwerkstatt der Bayernkaserne bekommen sie nicht nur einen Einblick in das deutsche Handwerk

In einem Blaumann beugt sich Mosa in der Müncher Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge über einen Arbeitstisch. Mit beiden Händen friemelt der 17-Jährige aus Syrien an einem Gebilde aus Drähten, Kabeln und Schläuchen - einem Schaltkreis für einen Lichtschalter. Geschickt verbindet er die einzelnen Teile und nickt dabei zufrieden. Mosa ist einer von Tausenden Flüchtlingen, die in der Bayernkaserne untergekommen sind. Seine Erfahrung als Handwerker: zweieinhalb Tage. 

Der 17-Jährige ist einer von zehn minderjährigen Flüchtlingen, die an der Lernwerkstatt in der ehemaligen Kaserne teilnehmen. Seit Ende Juli können die Teilnehmer der zweiwöchigen Ausbildungskurse vier Stationen aus dem Handwerk kennenlernen: Sanitär, Elektrotechnik, Maler und Trockenbau.

Dafür, dass Mosa und seine "Kollegen" etwas lernen, sorgt unter anderem Karl Schneider. Seinen Blaumann ziert ein weißes Schild, auf dem schlicht "Karl" steht. An seiner Station dreht sich alles um Elektrotechnik. Seine Schüler lernen hier, wie man mit Werkzeug umgeht und wie man eine Lampe zum Leuchten bringt. Aber auch, was Disziplin heißt: "Es geht hier auch darum, dass wir um neun Uhr anfangen, um eins Mittag machen und um zwei weiterarbeiten", erläutert Schneider. 

Die Kommunikation funktioniert auch ohne Worte "wunderbar"

Obwohl viele seiner Kurzzeit-Lehrlinge weder Deutsch noch Englisch verstehen, funktioniere die Kommunikation wunderbar, berichtet Schneider. Das findet seine Bewunderung: "Es gehört viel Mut dazu, dann hierhin zu kommen."

Schneider hat vor seinem Ruhestand 45 Jahre lang als Elektrotechniker gearbeitet. "Ich wollte unbedingt noch etwas mit Flüchtlingen machen. Das hier ist genau richtig, ein tolles Erfolgserlebnis", schildert er seine Motivation für das Ehrenamt. Ihn fasziniere vor allem, mit welchem Engagement die jungen Flüchtlinge an die Arbeit gingen. Sein bisheriger Eindruck sei durchweg positiv, betont er.

Auch Mosa hat Spaß an der Arbeit. Er wolle lernen, wie man ein Fahrrad repariert, erzählt er mit Hilfe eines übersetzenden Mitbewohners. An der Station Elektrotechnik steht den beiden auch so etwas wie ein Vorbild zur Seite: René Djabar Traoré ist in Deutschland geboren, sein Vater stammt aus Togo, die Mutter aus den Vereinigten Staaten. Der 21-jährige hat selbst gerade erst seine Lehre abgeschlossen und wurde von der Innung gefragt, ob er bei der Lernwerkstatt mitmachen wolle.  

Die häufigste Frage der jungen Flüchtlinge: "Wie finde ich in Deutschland Arbeit"

Dort ist er nicht nur für die inhaltliche Ausbildung zuständig, sondern steht den nur wenige Jahre jüngeren Flüchtlingen auch zu anderen Themen als Ansprechpartner zur Verfügung. So wollten diese oft wissen, wie man in Deutschland eine Arbeit finden könne, erzählt Traoré. Seine Antwort: "Wenn man Deutsch kann und es wirklich möchte, kann man hier alles schaffen."

Traoré selbst will ab dem kommenden Schuljahr sein Abitur nachholen -und dennoch in den Ferien weiter mit den Flüchtlingen arbeiten. Schließlich ermöglicht die Lernwerkstatt den jungen Menschen, ihre Wartezeit in der Bayernkaserne sinnvoll zu nutzen; immerhin dauert es drei bis sechs Monate, bis die Asylbewerber erfahren, wie es mit ihnen weitergeht. 

Wer an den Kursen teilnimmt, soll aber nicht nur in einen Beruf hereinschnuppern, sondern tatsächlich etwas lernen. Und im Anschluss auch umsetzen: "Die Teilnehmer nutzen die erlangten Kenntnisse etwa, um in ihren Häusern Reparaturen vorzunehmen", berichtet Harriet Austen vom Verein "Lichterkette", der die Lernwerkstatt unterstützt. Langfristig aber soll das Projekt vor allem die Chancen der jungen Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt verbessern. (Maximilian Kranl, dpa)

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