Politik

Die Kühltürme des vom Netz genommenen Atomkraftwerks Grafenrheinfeld. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

24.06.2020

Schritt für Schritt zur letzten Schraube

Seit fünf Jahren ist der Reaktor in Grafenrheinfeld vom Netz. Zurück bleiben Tonnen an Material - und eine gewaltige Aufgabe. Wie geht der nukleare Rückbau voran?

Von außen sieht das Kernkraftwerk aus, als hätte sich nichts verändert: Die zwei 143 Meter hohen Kühltürme ragen noch immer über die grüne Landschaft im unterfränkischen Grafenrheinfeld (Landkreis Schweinfurt). Bis zu ihrer Sprengung wird es voraussichtlich noch über ein Jahrzehnt dauern. Ab 2035 soll über das Gelände Gras wachsen.

Vor fünf Jahren, am 27. Juni 2015 um 23.59 Uhr, wurde der Meiler im Zuge des Atomausstiegs endgültig heruntergefahren, nach 33 Dienstjahren. Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld galt bis dato als ältester aktiver Reaktor und wurde mehrmals als das leistungsstärkste Kernkraftwerk weltweit betitelt.

"Von außen nicht sichtbar, wird sich das Reaktorgebäude Schritt für Schritt in eine - im wahrsten Sinne des Wortes entkernte - Gebäudehülle verwandeln", sagt Kraftwerksleiter Bernd Kaiser vom Betreiber PreussenElektra (früher Eon). Im Inneren des Reaktors ist die Demontage hingegen im vollen Gange. Die rund 22 Tonnen schweren und 14 Meter hohen Druckspeicher müssen so zerlegt werden, dass einzelne Teile durch eine Personenschleuse passen. Mit einer Bandsäge werden die Bleche zerkleinert, anschließend gereinigt und in Mulden geladen. 

Mehr als 750 Tonnen Abbruchmaterial wurden seit April 2018 zurückgebaut. Was viel klingt, entspricht etwa zwei Prozent, denn knapp 31 000 weitere Tonnen stehen noch bevor. Statt der Physik-Abteilung gibt es nun den Aufgabenschwerpunk "Entsorgung". Fast 200 Mitarbeiter sind am Abbau beteiligt, vor der Abschaltung haben jeden Tag rund 300 Mitarbeiter die Sicherheitsschleusen durchquert.

Die Brennelemente werden in den Landkreis Landshut verfrachtet

Der Rückbau erfolgt unter den gleichen strengen Sicherheitsvorgaben wie zu Betriebszeiten, sagt eine Sprecherin von PreussenElektra. An den verschiedenen Barrieren zum Kontrollbereich, dem nuklearen Bereich, habe sich nichts geändert - das radioaktive Material sei schließlich noch vorhanden. Jedes Teil aus dem Kontrollbereich werde auf Radioaktivität geprüft. Fällt es unter die gesetzlichen Grenzwerte, wird es wie normaler Schrott entsorgt und gelangt zurück in den Wertstoffkreislauf. Naturschützer kritisieren dieses Vorgehen und fordern, alle Teile als radioaktiven Abfall zu kennzeichnen und zu sammeln.

Ziel von PreussenElektra ist es, in Grafenrheinfeld bis Ende des Jahres die Brennstofffreiheit  zu erlangen. Die Brennelemente werden ins Zwischenlager Niederaichbach (BELLA) im Landkreis Landshut verfrachtet. Für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle wird auf dem Gelände eine Halle gebaut, die Ende 2020 in Betrieb genommen werden soll. Das vorgesehene Endlager Konrad in Salzgitter (Niedersachsen) soll laut "Bundesgesellschaft für Endlagerung", die für die Zwischenlagerung und die Entsorgung der hoch radioaktiven Abfälle verantwortlich ist, nach derzeitigem Stand im Jahr 2027 fertiggestellt werden.

Für die Finanzierung des Rückbaus, der Verpackung der radioaktiven Abfälle und den Abriss von Grafenrheinfeld ist der Betreiber zuständig. Für PreussenElektra fallen etwa 1,2 Milliarden Euro für den gesamten Rückbau an. Die finanziellen Mittel zur Zwischen- und Endlagerung werden dem Bund von den Betreibern in einen Fonds zur Finanzierung der Entsorgung übertragen.

Damit die Anwohner einen Einblick in die Rückbauarbeiten erhalten, bietet der Betreiber zweimal im Jahr Führungen an, die ins Innere der Anlage führen. Derzeit gibt es aber auch im Kernkraftwerk Besuchsverbot zum Schutz gegen Corona.

Bayern war bis zu der Katastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 das Bundesland mit den meisten kommerziellen Atomanlagen. Seit 1961 waren insgesamt neun Kernkraftwerke in Betrieb. Die letzten Meiler in Deutschland sollen 2022 vom Netz gehen. In Grafenrheinfeld wird der Rückbau des nuklearen Bereichs im Inneren des Reaktorgebäudes bis voraussichtlich 2033 andauern. Danach sollen auch die Kühltürme fallen.
(Carolin Gißibl, dpa)

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