Politik

Weil die Bürger protestieren, hat Horst Seehofer für heute einen "Stromnetz-Krisengipfel" mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erzwungen. (Foto: dpa)

09.10.2014

Seehofers Kampf gegen glühende Landschaften

Nach massivem Bürgerprotest will der CSU-Chef den Leitungsausbau ein wenig eindampfen

Das Gesetz hat nur vier Seiten, aufgelistet sind 36 Projekte. Unter Nummer 4 ist aufgeführt: Höchstspannungsleitung Wilster - Grafenrheinfeld. Unter 5: Höchstspannungsleitung Lauchstädt - Meitingen. Hört sich nüchtern an. Sind aber zwei insgesamt über 1200 Kilometer lange Gleichstrom-Trassen, die für den bis 2022 geplanten Atomausstieg benötigt werden. Das meinen zumindest die Fachleute. Denn sonst kommt Windstrom aus dem Norden und Osten nicht in den Süden.
Auch das von Horst Seehofer und seiner CSU regierte Bayern hat dem Bundesbedarfsplangesetz am 7. Juni 2013 im Bundesrat zugestimmt. Damit wurde amtlich die Notwendigkeit dieser geplanten Haupttrassen der Energiewende besiegelt. Dann ging der Netzbetreiber Amprion bei der Vorstellung des Verlaufs der Trasse Nr. 5 ungeschickt vor, die Bürger in Franken begehrten gegen 80 Meter hohe Masten auf - und Seehofer stellte sich an die Spitze der Protestbewegung. Ein Jahr später will Seehofer das Gesetz wieder aus den Angeln heben.   
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) muss nun mit Seehofer - mit dem er persönlich gut kann - und dessen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) eine gesichtswahrende Lösung finden. Was erst in Berlin als Seehofer-Folklore vor den bayerischen Kommunalwahlen im März eingestuft worden war, hat sich zu einem sehr ernsthaften Problem ausgewachsen.  
Erst wurde nur die Leitung nach Meitingen bei Augsburg in Frage gestellt, nun auch der 800 Kilometer lange SuedLink, die geplante "Hauptschlagader" der Energiewende. In einer gemeinsamen Erklärung fordern die Grünen-Minister Robert Habeck (Schleswig-Holstein), Stefan Wenzel (Niedersachsen), Johannes Remmel (NRW), Tarek Al Wazir (Hessen) und Franz Untersteller (Baden-Württemberg) Seehofer auf, den SuedLink nicht zu torpedieren.
"Die aktuellen Bestrebungen des bayerischen Ministerpräsidenten, das Projekt SuedLink generell infrage zu stellen, sind ein verantwortungsloser Angriff auf die Energiewende und die Versorgungssicherheit in Deutschland", heißt es in der Erklärung.   
Wie kann eine Lösung aussehen? Der CSU-Chef beschuldigt die Netzbetreiber, Hauptmotiv ihrer Trassenplanung sei der Profit: "Kapitalsammelstellen", schimpfte er vergangene Woche.
Seit Wochen überprüfen die Übertragungsnetzbetreiber noch einmal, ob die gestutzten Ausbauziele für die Windkraft weniger "Stromautobahnen" erforderlich machen. Nach allem was zu hören ist, sollen nur kleinere Veränderungen empfohlen werden - aber nicht der Komplettverzicht auf eines der 36 Projekte.  
Ohne Suedlink wird es sicher nicht gehen, vielleicht kann Seehofer aber einen vorläufigen Verzicht auf die Meitingen-Trasse (Süd-Ost) durchsetzen. Eine Idee könnte auch eine größere Umplanung sein. Etwa dass diese Trasse Nr. 5 von Sachsen-Anhalt statt nach Bayern erstmal nach Westen läuft und dort auf die SuedLink-Trasse stößt. Dann gäbe es eine einzige Super-Trasse nach Bayern.  
Das wiederum birgt mit Blick auf mögliche Terrorattacken oder etwaige technische Probleme erhebliche Sicherheits- und Versorgungsrisiken. Aber Seehofer hat auch Unterstützer: Die Gleichstromtrasse Süd-Ost sei für den weiteren Betrieb von klimaschädlichen Kohlekraftwerken geplant und nicht nötig, sagt der BUND-Energieexperte Thorben Becker.
Hinter Seehofers vorläufigem Trassenveto steckt auch das alte CSU-Konzept einer autarken bayerischen Stromversorgung. Die bayerischen Atomkraftwerke beschleunigten den Wandel des früheren armen Agrarlands zum wohlhabenden Industriestandort. Seehofer will zumindest ein subventioniertes Gaskraftwerk als Ersatz für die Atommeiler durchsetzen.  
Gaskraftwerke sind wegen der hohen Brennstoffkosten am unrentabelsten. Warum sollen die Stromverbraucher für bayerische Gaskraftwerke zahlen, wenn sie schon über den Strompreis Solar-, Biomasse- und Windstrom mit Milliardensummen fördern? Und auch wenn Seehofer das bestreitet: Wegen höherer Erzeugungspreise könnten Bayern höhere Strompreise drohen. Aus Bundesratskreisen ist zu hören, die bayerischen Autobauer seien derzeit "extremst besorgt."(Georg Ismar und Carsten Hoefer, dpa)

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