Politik

Markus Söder hat seine CSU fest im Griff. Doch manches geht selbst den Treuesten zu weit. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

16.04.2021

Mach mal halblang

Söder und die CSU-Fraktion: Nicht alles, was der Ministerpräsident tut, stößt auf Begeisterung

Wie schnell sich mit Corona die Zeiten ändern. Vor wenigen Wochen hatte es kurz den Anschein, als probten Teile der CSU-Fraktion im Landtag einen Mini-Aufstand gegen Ministerpräsident Markus Söder. In der „Herzkammer“ der Partei rumorte es, weil viele Abgeordnete draußen im Land bei Gesprächen mit Bürger*innen den Unmut darüber abbekamen, dass in Bayern die Corona-Regeln strikter angewandt werden als anderswo in der Republik. Die Inzidenzzahlen waren vergleichsweise niedrig, und in Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) hatten die Öffnungsfans einen lautstarken Fürsprecher. Vom kleinen Koalitionspartner vorgeführt zu werden, schmeckt niemandem in der CSU.

Außerdem wollten einige nicht einsehen, dass Söder an seinem Kurs der „Umsicht und Vorsicht“ unbeirrt festhält, und das offenbar auch deshalb, weil er sich bundesweit gegen den in der öffentlichen Wahrnehmung auf Corona-Schlingerkurs steuernden CDU-Chef Armin Laschet profilieren wollte. Verknappt ausgedrückt lautete der hinter vorgehaltener Hand geäußerte Vorwurf: In Bayern müssen die Läden zu und die Kontakte begrenzt bleiben, damit Söder Laschet das Kanzlerkandidatenwasser abgraben kann.

Inzwischen schaut die Lage anders aus. In der K-Frage geht es längst nicht mehr um die B-Note in der Corona-Politik, sondern um die Macht, außerdem strebt der landesweite Inzidenzwert scheinbar unaufhaltsam neuen Höchstständen entgegen. Er nehme in der Fraktion keine Stimmung mehr wahr, die auf Lockerungen bei den Corona-Maßnahmen hindeute, erklärt CSU-Fraktionsvize Alexander König. Landtagsvize Karl Freller ergänzt, mit den Inzidenzwerten seien auch die Sorgen der Abgeordneten wieder gewachsen. Das lasse früher geäußerte Öffnungswünsche „in den Hintergrund treten“. Einzig einzelne Wirtschaftspolitiker der CSU haben die Hoffnung noch nicht ganz fahren lassen.

"Die Stimmung im Land hat sich geändert"

„Die Stimmung im Land hat sich geändert“, sagt CSU-Gesundheitssprecher Bernhard Seidenath. Mit Ernüchterung werde aufgenommen, dass vermeintliche Öffnungsvorbilder wie Tübingen oder das Saarland zurückrudern müssten, weil die Infektionszahlen rasant steigen. „Mit dem Virus lässt sich nicht verhandeln“, betont Seidenath. Zur Entspannung in der Fraktion habe aber auch beigetragen, dass Söder mit dem – inzwischen auf unbestimmte Zeit verschobenen – Vorschlag zur Ausrufung von Modellstädten für begrenzte Öffnungen sowie der Möglichkeit zum Click & Meet im Handel auf Kritik an seiner konsequenten Linie reagiert habe.

Der Frontverlauf ist nun ein anderer. Nachdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Verschärfung des Bundesinfektionsschutzgesetzes mit einer wohl deutschlandweit verpflichtend einzuhaltenden Notbremse auf den Weg gebracht hat, knirscht es in der Bayern-Koalition. Söder hatte sich schnell auf die Seite Merkels gestellt, doch in seiner CSU und vor allem bei den Freien Wählern regt sich Widerstand.

Bundesweite Notbremse? Die CSU-Fraktion ist verstimmt

Während Seidenath aus dem Blickwinkel des Gesundheitsschutzes Söder unterstützt, wonach in einer nationalen Notlage auch einmal Maßnahmen ergriffen werden müssten, „die man im Föderalismus sonst nicht macht“, melden sich andere mit Bedenken zu Wort.

Er sei da „eher skeptisch“, sagt Karl Freller. Deutschland und auch die Infektionslage seien so unterschiedlich, dass das Handeln nicht bundesweit von Berlin aus vorgegeben werden könne. Differenziertes und regional abgestuftes Handeln vergrößere die Akzeptanz in der Bevölkerung, glaubt Freller. Fraktionsvize König ergänzt, er habe Verständnis für den Ruf nach möglichst einheitlichen Regeln, doch dürften diese nicht „par ordre du mufti von oben verordnet“ werden. Es müsse auch in Pandemiezeiten auf Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit geachtet werden. Er habe Bedenken, wenn die Landtage an der Gesetzgebung nicht beteiligt würden.

Noch deutlicher werden die Freien Wähler. „Die Kompetenzverlagerung von den Kommunen und Ländern nach Berlin wird nicht der Problemlöser sein, sondern raubt uns allen Perspektiven wie Öffnungen durch Testung“, lässt Generalsekretärin Susann Enders wissen. Testen, impfen, öffnen – dieser Kurs sei zielführender als die geplante Bundes-Notbremse. Für den CSU-Teil der Staatsregierung hat Staatskanzleiminister Florian Herrmann die bundesweit einheitliche Notbremse dagegen „vom Prinzip her“ erwartungsgemäß begrüßt.

Bleibt es bis nächste Woche bei diesem Zwist, wird sich Bayern bei der entscheidenden Abstimmung im Bundesrat enthalten müssen.
(Jürgen Umlauft)

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