Politik

10.02.2022

Soll der Genesenenstatus wieder sechs statt drei Monate gelten?

Die Verkürzung des Genesenenstatus durch das RKI geht dem CSU-Gesundheitspolitiker Bernhard Seidenath gegen den Strich. Auch weil man sich in der EU auf eine Gültigkeit von 180 Tagen geeinigt habe. Ruth Waldmann, Gesundheitsexpertin der SPD dagegen betont: Mit Omikron lasse die Immunwirkung schneller nach - bei einem Genesenenstatus von sechs Monaten wähnten sich die Menschen nur in falscher Sicherheit.

JA

Bernhard Seidenath (CSU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Landtag

Die handstreichartige Verkürzung des Genesenenstatus durch den Bund verunsichert die Menschen absolut unnötig. Sie war auch wissenschaftlich alles andere als zwingend. Wenn man über die Grenze in unsere Nachbarländer Österreich und die Schweiz schaut, so gilt man hier sogar deutlich länger als genesen. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, dass der Genesenenstatus 180 Tage gültig sein soll. Deshalb fordern wir, diesen deutschen Sonderweg rasch wieder zu verlassen! Mich ärgert die Lautlosigkeit der Bundesregierung – das ist ein Führungsversagen des neuen Bundeskanzlers.

Es ist zwar richtig, dass das Impfen der Königsweg aus der Corona-Pandemie ist. Die Gültigkeitsdauer für den Genesenennachweis quasi über Nacht auf 90 Tage zu verkürzen, ist aber kein faires Druckmittel in diese Richtung. Das durchaus wichtige Vertrauen in die Corona-Maßnahmen wird so belastet.

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kommt sogar zu dem Ergebnis, dass die abrupte Verkürzung des Genesenenstatus verfassungswidrig sein könnte. Es muss daher zwingend geregelt werden, dass künftig nicht mehr das Robert Koch-Institut oder das Paul-Ehrlich-Institut über die Gültigkeitsdauer des Genesenen- oder Impfstatus befinden, sondern wieder das Bundesgesundheitsministerium per Verordnung das letzte Wort hat.

Wir brauchen von den Bundesbehörden und der Wissenschaft endlich Klarheit in der Frage, bei welchen Parametern ein Immunstatus als gesichert gelten kann. Nur so können individuellere Impfentscheidungen und langfristig eine präzise Definition für einen Immunitäts- und Genesenennachweis ermöglicht werden. Das ist auch wichtig im Hinblick auf eine mögliche STIKO-Impfempfehlung für eine vierte Corona-Schutzimpfung. Die Menschen sind unterschiedlich – und reagieren dementsprechend auch unterschiedlich lang auf eine durchgemachte Corona-Infektion ebenso wie auf eine Impfung.


NEIN

Ruth Waldmann (SPD), Vize-Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag

Bei der Frage des Genesenenstatus geht es vor allem um den wirksamen Schutz der Menschen. Das darf nicht zum politischen Spielball werden. Die alte Regelung zum Genesenenstatus war für die Delta-Variante festgelegt. Leider zeigt sich bei der aktuellen Omikron-Variante, dass die Immunwirkung schneller nachlässt. Das Robert Koch-Institut (RKI) ist daher zu der Erkenntnis gelangt, dass Genesene nach mehr als drei Monaten nicht mehr ausreichend geschützt sind. Und darauf kommt es an: Sie müssen wissen, dass sie dann eine Auffrischungsimpfung brauchen.

Bayern war sich mit allen Beteiligten in Bund und Ländern einig, dass die Festlegung der Geltungsdauer an das RKI delegiert werden solle, um sie an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen auszurichten. Dabei war allen ausdrücklich klar: Wenn das RKI seine Einschätzung ändert, ändern sich automatisch auch die Bestimmungen für die Bürgerinnen und Bürger. Ich kann verstehen, dass sich manche Menschen sehr darüber ärgern, da diese Änderung für viele Betroffene sehr überraschend kam. Es wäre in der Tat besser gewesen, sie rechtzeitig zu informieren und die Regeln klarer zu erläutern. Für die Staatsregierung jedoch kam das überhaupt nicht überraschend und die harsche Kritik ist unaufrichtig. Bayern hat der entsprechenden Verordnung am 14. Januar im Bundesrat zugestimmt und sie begrüßt. Für die Ministerpräsidenten sprach Reiner Haseloff von der Union große Lobesworte und hob mehrfach hervor, dass es wichtig sei, dass das RKI dabei keine politischen Anweisungen bekommen darf.

Mit einem Genesenenstatus von sechs Monaten, der in Wirklichkeit keinen Schutz bietet, ist ja niemandem geholfen. Menschen wähnen sich dann in falscher Sicherheit. Durch eine rechtzeitige Impfung sind sie nach derzeitigem Kenntnisstand aber wieder gut geschützt und haben auch keine Probleme mehr mit ihrem Impfstatus.

Kommentare (3)

  1. Klose am 15.02.2022
    Frau Waldmann vom Gesundheitsausschuss hat also noch nicht mal die Begründung vom RKI zur Verkürzung gelesen oder nicht verstanden - unglaublich! Sonst hätte sie im 1. Absatz nicht geschrieben "Leider zeigt sich bei der aktuellen Omikron-Variante, dass die Immunwirkung schneller nachlässt."
    Zur Begründung muss man sagen, dass das RKI ursprünglich dafür nur einen 6-Zeiler auf ihrer Webseite veröffentlicht hat (am 14./15. Jan.). Nicht ganz leicht verständlich, aber nach mehrmaligem Lesen war mir dann klar was die meinen, nämlich dass ein Genesener, der sich im alten Jahr mit der Deltavariante infiziert hatte, nicht so gut gegen Omikron geschützt sein soll. Übrigens genauso schlecht geschützt wie Geimpfte, einfach deshalb, weil Omikron viel ansteckender ist. Nach dieser Logik müsste sich auch jeder Geimpfte aller 3 Monate boostern. Will das jemand?
    Am 3. Februar ersetzte dann eine Mega-Begründung (geschätzte 70 Zeilen) auf der RKI-Seite die Kurzversion. Das Fazit ist nach meiner Erinnerung ähnlich wie die ursprüngliche Kurzversion.
    Ich finde es eine Frechheit vom RKI und der Politik, wenn ein ausgehändigter Genesenennachweis mit 180 Tagen Gültigkeit vor Ablauf plötzlich über Nacht für ungültig erklärt wird. Das nennt man nach meinem Verständnis Willkür, zumal die EU ja auch mit 180 Tagen rechnet.
    Frau Waldmann behauptet am Ende, dass man als Genesener keine gute Abwehr gegen Reinfektion hätte.
    Wenn der Körper sich mehrere Tage mit dem echten Virus aueinander gesetzt hat, so sagen deutsche und europäische Wissenschaftler, dann hat er zumeist gute Antikörper. Das wurde ja auch tausendfach durch Labore nachgewiesen. Und in meinem Bekanntenkreis ist keiner, der eine Delta- und Omikroninfektion hatte, sondern nur "oder".
    Also 180 Tage EU-einheitlich lassen. Falls demnächst Studien zeigen sollten, dass der Immunschutz nach Omikroninfektion gering sein sollte (lt. der ausführlichen oben erwähnten Stellungnahme vom 03.02. des RKI gibt es diese Studienergebnisse jetzt noch nicht), dann kann über eine Änderung mit Wirkung für die Zukunft (aber nicht die Vergangenheit) entschieden werden.
  2. Dagmar am 14.02.2022
    Der Genesenstatus sollte europäisch einheitlich geregelt sein und nach wie vor 6 Monate, wenn nicht sogar 12 Monate gelten. Sonst hieße es ja umsonst => Europäische Union
  3. Alexander am 11.02.2022
    Der Genesenenstatus sollte weiterhin 6 Monate gelten,
    da sich sehr viele der jetzt schon Geimpften von selbst
    um einen früheren Termin kümmern, zumindest
    in meinem Bekanntenkreis.
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